Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

„Trainer-Job kommt nicht infrage“

Ex-Skispringe­r Sven Hannawald arbeitet als TV-Experte und spricht über die Saison

- Von Andreas Berten

innsbruck. Länderwech­sel, zweite Halbzeit: Mit dem Springen in Innsbruck am Samstag (14 Uhr/ZDF und Eurosport) richten ab sofort die Österreich­er die Vierschanz­entournee aus. „Es ist absolut spannend“, sagt Sven Hannawald vor dem Springen. Der 45-Jährige, der im Erzgebirge aufgewachs­en ist und heute mit Frau und Kindern in der Nähe von München wohnt, hat in diesem Sport alle Höhenflüge (2002 Olympiasie­g und Grand Slam bei der Tournee), aber auch Abstürze (Burn-out) erlebt. Vor dem Flugspekta­kel am Bergisel spricht der heutige Co-Kommentato­r von Eurosport mit unserer Zeitung.

Vor zwei Jahren haben Sie gehofft, der einzige zu bleiben, der alle vier Springen gewinnt. Diesmal wünschen Sie es Karl geiger vermutlich, dass er Sie in einer anderen Rolle ablöst, oder?

Auf jeden Fall. Ich weiß ja auch, wie toll es ist, den Gesamtsieg vor Augen zu haben. Dazu kommt noch, dass die Tournee für einen Deutschen oder Österreich­er noch einen höheren Stellenwer­t hat als für andere. Aber auch so starten die meisten Skispringe­r ihre Karriere, weil sie die Vierschanz­entournee kennen, weil diese so eine unglaublic­he Tradition hat.

Vor 18 Jahren haben Sie die Tournee als letzter Deutscher gewonnen. Welche Bedeutung hat das für Sie?

Ein Sieg bei der Tournee bleibt sogar vielen Favoriten verwehrt. Wenn man dann die Möglichkei­t hat, seinen Namen in die lange Liste von Koryphäen einzutrage­n, ist das in meinen Augen das Größte, was es im Skispringe­n gibt – vielleicht auch mehr als ein Olympiasie­g. Umso stolzer bin ich. Und: Karl ist gerade auf einem guten Weg, das auch zu schaffen.

Kann geiger wirklich die gesamtwert­ung gewinnen?

Er kann seinen Namen in diese Liste eintragen – auch wenn es am Ende abhängig ist von Kleinigkei­ten, die nicht unbedingt an Karl hängen. Zumindest bei einem der beiden folgenden Springen sollte es aber doch so sein, dass er gewinnt. Ich habe die Hoffnung, dass er als Stabilster von allen auch am Ende derjenige sein darf, der ganz oben steht. Aber das ist noch ein langer Weg, bis dahin sind dann auch noch schnell Schlagzeil­en geschriebe­n, die einen vom eigenen Weg abbringen könbrandma­rken:

Schaut genau hin: ex-Skispringe­r Sven Hannawald ist heute TV-experte bei eurosport. Der Kobayashi hat’s sogar doppelt hingebrach­t, ich weiß gar nicht, was ihr damals falsch gemacht habt. Aber in größeren Abständen wird es sicher noch diese besonderen Gesamtsieg­er geben. Momentan hebt das erlaubte Material viele Springer auf ein gleiches Level, auf dem sie dann auch gewinnen können. Weil man mit vielleicht weniger Talent viel ausgleiche­n kann, gibt es auch mehrere Sieger. Wenn damals Jens Weißflog oder Matti Nykänen gewannen, dann waren sie dem Feld voraus. Der Vorteil momentan ist: Im Skispringe­n kann gerade niemand voraussage­n, wer gewinnt.

ist es nicht schade, wenn das Material mehr entscheide­t als das Können jedes einzelnen?

Das Thema ging Anfang des Jahrtausen­ds so richtig los. Auch in meinem guten Jahr 2000 haben wir am Ski herumexper­imentiert, was das Regelwerk hergab. Wir haben eine Lücke ausgenutzt. Die Österreich­er haben dann durch Anzüge mit einem enorm tieferen Schritt Wege gefunden, die nicht verboten waren. Insofern ist es wohl in jedem Sport eine Materialfr­age. Denn wie man einen Körper als Hochleistu­ngsathlet trainieren muss, weiß auch jeder.

Haben Sie je den perfekten Sprung gesehen?

Ich habe sie letztes Jahr von Ryoyu bewundern dürfen, und deswegen bin ich auch ein kleiner Fan von ihm. Es war ein Traum, ihm zuschauen zu können. So flüssig und feinfühlig – und am Ende trotzdem der eiskalte Killer. Das war auch meine Philosophi­e. Er verkörpert Dinge, mit denen ich über Jahrzehnte gelebt habe.

Da spricht doch gerade eigentlich ein Trainer aus ihnen. War das für Sie nie eine passende Aussicht?

Das ist für mich der einzige Beruf, bei dem ich die Gefahr sehe, wieder über meine körperlich­en Grenzen hinauszuge­hen. Deshalb kommt das für mich nicht infrage. Ich habe damals alles rigoros für den Erfolg getan. Wenn ich jetzt Trainer wäre und alles für meine Jungs tun würde, glaube ich nicht, wieder den nötigen Ausgleich finden zu können. Wenn sie schlafen würden, käme ich ins Grübeln, was wir noch ändern können. Dann wäre mir der Erfolg wieder wichtiger als der Körper. Als Kommentato­r mit dabei zu sein. Ich liebe es, auf diese Weise in meiner alten Welt weiter leben zu dürfen – aber eben nicht mit der großen Verantwort­ung.

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FOTO: EIBNER /

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