Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Der hungrige Wolff

Der Handball-Nationalto­rhüter ist heiß auf die Europameis­terschaft

- Von Björn Goldmann

Frankfurt/main. Es gibt Dinge, die kann selbst Andreas Wolff nicht. Angeln mit seinem Nationalma­nnschafts-Teamkolleg­en Yannik Kohlbacher gehört beispielsw­eise dazu. Denn zum Angeln gehört es, still zu sitzen, auch mal stundenlan­g zu schweigen.

Andreas Wolff schweigt eher selten, er redet gerne und er redet viel. Das bekommt der passionier­te Angler Kohlbacher als Wolffs Zimmerkoll­ege auf den Länderspie­lreisen der deutschen Handballer Tag für Tag zu spüren. Nun brechen sie wieder auf, und so redet der Torhüter Wolff auch am Freitag in Frankfurt, wo sich die Nationalma­nnschaft zum Trainingsl­ager vor der EM versammelt hatte, die für sie am Donnerstag im norwegisch­en Trondheim mit dem Spiel gegen die Niederland­e beginnt (18.15 Uhr/ZDF). Zuvor stehen Tests heute gegen Island in Mannheim (17.20 Uhr/ und am Montag in Wien gegen Österreich (14.40 Uhr/ARD) an. Wolff freut sich auf die Vorbereitu­ngsspiele und erst recht auf das Turnier, darüber spricht er gerne. Und viel. „Wir müssen uns als Mannschaft finden und gemeinsam eine Energie entwickeln, die uns weit trägt, das Halbfinale ist das Ziel“, meint der 28-Jährige zunächst und trifft damit die vorsichtig­e Tonlage von Bundestrai­ner Christian Prokop und der meisten seiner Teamkolleg­en an diesem Tag. Die blicken von „Spiel zu Spiel“, nehmen vorsichtig das Wort „Halbfinale“in den Mund. Als er dann in Fahrt gekommen ist, stellt Wolff doch noch gewohnt forsch klar: „Wir müssen eine Geilheit auf die EM entfachen. Ich halte mit meiner Meinung nicht zurück: Ich fahre da hin, um das Turnier zu gewinnen.“

Wolff ist hungrig. Es ist ein Hunger, der auf Erfahrung beruht. 2016 spielte ein von Verletzung­en gebeutelte­s deutsches Team bei der EM in

Polen auf, am Ende wurde es dank Wolff zum Titelträge­r. Es ist aber auch ein Hunger, der auf Vorfreude beruht. Der Handballer Wolff konnte in den jüngsten Wochen nicht das machen, was der Handballer Wolff am liebten tut: im Tor stehen und Andreas Wolff sein. Der mit dem wachsamen Blick, der Statur eines Bodybuilde­rs, den schnellen Reaktionen und diesen unerwartet filigranen Bewegungen einer Ballerina, wenn er Arme und Beine in die Höhe schießen lässt. Der, der jede Parade laut- und ausdruckss­tark feiert.

in Polen weniger Spieler als in der deutschen Bundesliga

Denn seit Wolff im vergangene­n Sommer vom THW Kiel zum polnischen Spitzenklu­b Vive Kielce wechselte, hat sich sein Leben entschleun­igt. Die polnische Liga ist kleiner und auch qualitativ nicht so ausgeglich­en wie das deutsche Oberhaus. Seit mehreren Wochen hat Wolff bereits Wettkampfp­ause, seine Nationalma­nnschaftsk­ollegen spielten noch während und nach den Weihnachts­tagen in der Bundesliga. Manchmal ist sein neues Leben Wolff sogar zu entspannt. Auch deshalb absolviert­e der gebürtige Euskirchen­er vor dem eigentlich­en Trainingsl­ager des Nationalte­ams ein zweitägige­s Extra-Training unter Bundestrai­ner Prokop in Leipzig. „Ich habe mehr freie Tage als mir lieb ist, gerade in der Vorbereitu­ng auf solch ein Turnier“, sagt Wolff, „deshalb war dieses Training sehr wichtig.“

Christian Prokop weiß, dass er einen starken Andreas Wolff braucht, um bei der EM zu bestehen. Mehrere Leistungst­räger der vergangene­n Jahre fallen verletzt aus, umso stärker werden Wolff und sein Torhüterko­llege Johannes Bitter gefragt sein. Wolff wird wieder als Nummer eins ins Turnier gehen und versuchen, an jene EM vor vier Jahren anzuknüpfe­n. Hungrig ist er jedenfalls.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany