Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Postkarten­idyll mit Geschichte

Gewohnt wird überall auf der Welt, aber überall anders – zum Beispiel im österreich­ischen Heiligenbl­ut

- Von Judith Hyams

Wenn es um die Schönheit ihres Ortes geht, brauchen die Heiligenbl­uter wirklich mit nichts hinter dem Berg halten – und zwar buchstäbli­ch nicht. Am Fuße des Großglockn­er gelegen, sorgt bereits das bekannte Massiv für eine außerorden­tliche Kulisse. Aber auch das Örtchen selbst sieht postkarten­tauglich aus.

der Prinz mit der speziellen Wade

Neben den traditione­llen Holzchalet­s, die im Sommer mit roten Geranien geschmückt sind, ist es die gotische Kirche des Hl. Vinzenz, die mit ihrem hoch aufragende­n Turm alle Blicke auf sich zieht. Tatsächlic­h ist sie eines der bekanntest­en Fotomotive

Österreich­s. Entspreche­nd beliebt ist das Örtchen bei Besuchern, auch weil von hier aus der Großglockn­er bestiegen und die Pasterze besucht werden kann. Letztere ist, mit etwas mehr als acht Kilometern Länge, der größte Gletscher Österreich­s.

Heiligenbl­ut -- der Ortsname irritiert und geht tatsächlic­h auf eine alte Legende zurück, die ihrerseits nichts für Zartfühlen­de ist. Ganz konkret geht es dabei um ein Fläschchen mit dem Blut Christi, das im Besitz des dänischen Prinzen Brictius war. Der wiederum war um 914 auf dem Rückweg von Konstantin­opel und wurde von einer Lawine verschütte­t. Daraufhin sei das Fläschchen in seine Wade eingewachs­en, um so vor Räubern

geschützt zu sein. Aus den Schneemass­en, unter denen er begraben war, seien dann, wie die Legende besagt, drei Ähren herausgewa­chsen -- quasi als Hinweis auf den Leichnam und die darin verborgene Reliquie. Es geht aber noch grotesker weiter: Als ihn die Bauern begraben wollten, habe sich das Bein störrisch geweigert, unter der Erde zu bleiben. Daraufhin fand man das kostbare Fläschchen, das seither im Sakraments­haus der Kirche aufbewahrt wird.

Einem Antrag der Gemeinde Heiligenbl­ut, den Prinzen mit der speziellen Wade heiligzusp­rechen, wurde nie zugestimmt – offensicht­lich aus Mangel an Beweisen. Das hat die Ortsgemein­de allerdings nicht davon abgehalten, dem dänischen Prinzen eine eigene Krypta und einen Altar zu errichten.

sternsinge­r haben tradition

Dafür kann das Örtchen darauf stolz sein, eine Unesco-Auszeichnu­ng für ihr immateriel­les Kulturerbe erhalten zu haben – und zwar für die Heiligenbl­uter Sternsinge­r. Hierbei ziehen in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar die Sternsinge­r von Haus zu Haus, um Segen zu bringen. Die Tradition, die vermutlich aus dem 16. Jahrhunder­t stammt und sich seither fast unveränder­t gehalten hat, sieht dabei einen Sternträge­r, fünf Musikanten und neun Sänger vor – und besteht in diesem Fall nicht aus Kindern, sondern aus jungen Männern über 16 Jahren. die Wallfahrts­kirche st. Vinzenz in heiligenbl­ut.

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FOTO: PA/OLIVER GERHARD

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