Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Postkartenidyll mit Geschichte
Gewohnt wird überall auf der Welt, aber überall anders – zum Beispiel im österreichischen Heiligenblut
Wenn es um die Schönheit ihres Ortes geht, brauchen die Heiligenbluter wirklich mit nichts hinter dem Berg halten – und zwar buchstäblich nicht. Am Fuße des Großglockner gelegen, sorgt bereits das bekannte Massiv für eine außerordentliche Kulisse. Aber auch das Örtchen selbst sieht postkartentauglich aus.
der Prinz mit der speziellen Wade
Neben den traditionellen Holzchalets, die im Sommer mit roten Geranien geschmückt sind, ist es die gotische Kirche des Hl. Vinzenz, die mit ihrem hoch aufragenden Turm alle Blicke auf sich zieht. Tatsächlich ist sie eines der bekanntesten Fotomotive
Österreichs. Entsprechend beliebt ist das Örtchen bei Besuchern, auch weil von hier aus der Großglockner bestiegen und die Pasterze besucht werden kann. Letztere ist, mit etwas mehr als acht Kilometern Länge, der größte Gletscher Österreichs.
Heiligenblut -- der Ortsname irritiert und geht tatsächlich auf eine alte Legende zurück, die ihrerseits nichts für Zartfühlende ist. Ganz konkret geht es dabei um ein Fläschchen mit dem Blut Christi, das im Besitz des dänischen Prinzen Brictius war. Der wiederum war um 914 auf dem Rückweg von Konstantinopel und wurde von einer Lawine verschüttet. Daraufhin sei das Fläschchen in seine Wade eingewachsen, um so vor Räubern
geschützt zu sein. Aus den Schneemassen, unter denen er begraben war, seien dann, wie die Legende besagt, drei Ähren herausgewachsen -- quasi als Hinweis auf den Leichnam und die darin verborgene Reliquie. Es geht aber noch grotesker weiter: Als ihn die Bauern begraben wollten, habe sich das Bein störrisch geweigert, unter der Erde zu bleiben. Daraufhin fand man das kostbare Fläschchen, das seither im Sakramentshaus der Kirche aufbewahrt wird.
Einem Antrag der Gemeinde Heiligenblut, den Prinzen mit der speziellen Wade heiligzusprechen, wurde nie zugestimmt – offensichtlich aus Mangel an Beweisen. Das hat die Ortsgemeinde allerdings nicht davon abgehalten, dem dänischen Prinzen eine eigene Krypta und einen Altar zu errichten.
sternsinger haben tradition
Dafür kann das Örtchen darauf stolz sein, eine Unesco-Auszeichnung für ihr immaterielles Kulturerbe erhalten zu haben – und zwar für die Heiligenbluter Sternsinger. Hierbei ziehen in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar die Sternsinger von Haus zu Haus, um Segen zu bringen. Die Tradition, die vermutlich aus dem 16. Jahrhundert stammt und sich seither fast unverändert gehalten hat, sieht dabei einen Sternträger, fünf Musikanten und neun Sänger vor – und besteht in diesem Fall nicht aus Kindern, sondern aus jungen Männern über 16 Jahren. die Wallfahrtskirche st. Vinzenz in heiligenblut.