Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Mit Prothese über den Schleizer Rundkurs Geschichte­n vom Schleizer Dreieck

Die Faszinatio­n Motorsport macht auch bei körperlich beeinträch­tigten Fahrern nicht Halt

- Von Jan Müller

Bei Veranstalt­ungen auf dem Schleizer Dreieck sind diverse Lärmschutz­auflagen strikt zu beachten. So haben zum Beispiel die Motoren am Freitag von 11.30 bis 14.30 Uhr im alten Fahrerlage­r zu schweigen.

Diese Regelung wurde getroffen, um die Mittagsruh­e des direkt angrenzend­en Kindergart­ens zu gewährleis­ten. Der Trainingsb­etrieb darf nach einer Mittagspau­se jedoch weitergefü­hrt werden. Heißt also, wer mit seinem Fahrzeug auf die Strecke will oder von dieser kommt, muss auf einen Motorenvor­trieb im Fahrerlage­r 1 verzichten und auf manuelles Schieben setzen.

Die einzige Ausnahme wurde während einer Klassikver­anstaltung 2017 einem Herren mit seinem Motorrad gewährt, der aufgrund einer Beinamputa­tion gehandicap­t war.

In bewunderns­werter Art und Weise lassen sich viele Menschen nicht von einem Handicap einbremsen und gehen mit großem Engagement und Begeisteru­ng ihrem Hobby nach. Der querschnit­tsgelähmte Schwede Johan Reuterholt war als Gespannpil­ot des Öfteren in Schleiz. Der Sieger des Seitenwage­nrennens 1958, Alwin Ritter, war Träger eines klassische­n Holzbeines. Harald Steinbauer wurde 1997 deutscher Vizemeiste­r der Supersport­klasse. In Schleiz reichte es im besagten Jahr sowie eine Saison später jeweils zu Rang neun für den Bayer. Das Besondere: Nach einem Motorradun­fall 1990 im öffentlich­en Verkehr fuhr Steinbauer mit einer Unterschen­kelprothes­e.

2008 war die Aufregung groß, nachdem die Streckenpo­sten bei einem verunglück­ten Jaguar aufschluge­n. Bei einem Präsentati­onslauf für Automobile im Rahmen einer Klassikver­anstaltung verlor der Fahrer der britischen Nobelmarke in der Sandgrube die Kontrolle über sein Fahrzeug. Der Wagen brach vom Buchhübel hinab zur Stadtkurve aus, übersteuer­te und landete kurz vor einer Scheune auf dem Dach.

Die herbeigeei­lten Streckenpo­sten schlugen Alarm, weil sich der Jaguar-Pilot nicht selbststän­dig aus seinem Fahrzeug befreien konnte. Zum allgemeine­n Entsetzen mussten die Rettungskr­äfte nach dem ersten Check feststelle­n, dass dem Verunglück­ten ein Bein fehlte. Der Unfallfahr­er klagte aber weder über Schmerzen, noch waren Blutspuren zu sehen.

Nachdem der erste Schreck verdaut war, sorgte der Verunglück­te für Aufklärung: „Ich fahre mit einer Prothese.“Diese war beim Unfall abhandenge­kommen und wurde erst später wiedergefu­nden. Sein Handicap hatte der Fahrer der Rennleitun­g nicht mitgeteilt. Dann wären im Vorfeld alle Streckenpo­sten und Rettungskr­äfte über die Besonderhe­it informiert gewesen.

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Schleiz.
ARCHIVFOTO: JAN MÜLLER Johan Reuterholt ( links) lässt sich nicht von seiner Querschnit­tslähmung hindern. Schleiz.

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