Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Preis-Schock an der Tankstelle
Diesel kostet derzeit so viel wie nie zuvor. Auch Superbenzin nähert sich dem bisherigen Allzeithoch
Preis-Schock an der Tankstelle: Ein Liter Diesel kostete am Sonntag im bundesweiten Tagesdurchschnitt 1,555 Euro. Nach einem monatelangen Preisanstieg hat die Kraftstoffsorte damit nach Berechnungen des ADAC ihren bisherigen Höchststand vom August 2012 übertroffen. Zu Wochenbeginn waren noch höhere Preise zu beobachten – wie 1,629 Euro in Berlin.
Auch der Benzinpreis näherte sich am Sonntag mit einem Durchschnittspreis von 1,667 Euro für einen Liter Super E10 dem Rekord vom September 2012. Damals kostete die Spritsorte 4,2 Cent mehr. Was Autofahrerinnen und Autofahrer jetzt wissen müssen.
Warum steigen die Preise für Benzin und Diesel derzeit so schnell?
Das liegt vor allem am stark gestiegenen Preis für Erdöl. Weltweit ist die Nachfrage infolge der wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise stark gestiegen. Die für Europa wichtige Sorte Brent erreichte am Montag mit 86 Dollar für ein Fass (74 Euro/159 Liter) einen mehrjährigen Höchststand. Innerhalb eines Jahres hat sich der Preis verdoppelt. Da Rohöl in US-Dollar gehandelt wird, macht sich zudem der zuletzt spürbar gesunkene Wert des Euro bemerkbar. Hinzu kommt die beginnende Heizsaison. Heizöl und Diesel sind nahezu identisch.
Wie setzt sich der Spritpreis an der Zapfsäule zusammen?
Verbraucherinnen und Verbraucher bezahlen nicht nur für den Kraftstoff. Der Staat langt beim Tanken in besonderem Maße zu und berechnet Mineralöl- und Mehrwertsteuer sowie seit Anfang 2021 zusätzlich einen CO2-Preis von sechs bis acht Cent je Liter. Das summiert sich beim aktuellen Preisniveau bei Diesel auf 78 Cent pro Liter und bei Superbenzin auf 97 bis 98 Cent.
Kostet Benzin bald zwei Euro?
Die Preise könnten noch weiter ansteigen. Expertinnen und Experten halten es aber für unwahrscheinlich, dass etwa ein Liter Super E10 in naher Zukunft mehr als zwei Euro je Liter kostet. Dazu müsste der Ölpreis laut ADAC auf über 100 Dollar steigen. Die Mitgliedstaaten des Erdölkartells Opec+ hätten daran jedoch kaum Interesse, erklärt ADAC-Experte Jürgen Albrecht. Zudem würde ein besonders hoher Ölpreis die aufwendige Fördertechnik Fracking attraktiver machen, was den Preisauftrieb durch das zusätzliche Angebot bremsen würde.
Ausgemacht ist jedoch ein weiterer Anstieg des CO2-Preises auf etwa 17 Cent je Liter Diesel bis ins Jahr 2025 und 15 Cent bei Benzin.
Welche Folgen hat das für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für die Wirtschaft?
Die Mehrkosten beim Transport von Waren oder beim Heizen dürften zeitverzögert an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden und zudem zu höheren Lohnforderungen führen, warnt der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). „Die Preisexplosion bei Treibstoffen stellt eine massive Belastung der Wirtschaft dar, die Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand gefährdet“, sagte BVMW-Chefvolkswirt Hans-Jürgen Völz unserer Redaktion.
„Aus Sicht des Mittelstands sollte die Mineralölsteuer temporär gesenkt und die Pendlerpauschale spürbar erhöht werden“, forderte er.
Wie lässt sich Geld sparen?
Im Tagesverlauf ändern die Mineralölkonzerne mehrmals die Preise, sodass die Unterschiede bei zehn Cent und mehr liegen können. Kostenlose Spritpreis-Apps fürs Smartphone ermöglichen einen Preisvergleich. Wer in Grenznähe wohnt, kann im Ausland teilweise deutlich günstiger tanken. So kostet ein Liter Diesel in Tschechien laut ADAC derzeit 1,23 Euro.
Welche Möglichkeiten hat die Politik, um die Preise zu senken?
Das Bundeswirtschaftsministerium sieht dazu keine Chancen. „Ein Eingriff staatlicherseits ist nicht nur nicht üblich, sondern ist auch rein rechtlich nicht möglich“, hieß es. Zuvor hatte jedoch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eine Spritpreisbremse ins Spiel gebracht. „Rund zwei Drittel des Benzinpreises sind vom Staat mit Steuern und Abgaben beeinflusst“, sagte er. Die Bremse müsse spätestens bei einem Preis von 1,99 Euro pro Liter greifen, forderte er von der künftigen Bundesregierung.