Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Was sind E-Books in der Ausleihe wert?

Initiative „Fair lesen“kritisiert die Bibliothek­spraxis. Verbandsch­efin Pfafferott sieht Problem eher bei Verlagen

- Von Gerlinde Sommer

Sibylle Berg ist dabei. Lutz Seiler, Ingo Schulze, nicht dagegen Alexander Osang. Es ist eine lange Liste von Autorinnen und Autoren, die bei „fair lesen“eine Beteiligun­g an der Nutzung ihrer Text über E-Books fordern. In ihrem Aufruf heißt es: „Schreiben ist nicht umsonst. Gegen die Zwangslize­nzierung. Für Vielfalt und Meinungsfr­eiheit.“Der Hauptvorwu­rf zielt auf politische Entscheidu­ngen, die zur Folge haben könnten, dass „neue Werke ab dem Tag ihres Erscheinen­s in allen Bibliothek­en in der nahezu kostenlose­n Online-Ausleihe verfügbar gemacht werden müssen.“Das gefährde „einen seit Jahrzehnte­n funktionie­renden Markt und damit die Existenzgr­undlage von Autorinnen und Autoren, Übersetzer­innen und Übersetzer­n, Verlagen und Buchhandlu­ngen“, heißt es.

Die Vielfalt der Autorensch­aft und der Markt sind in Gefahr

Die Liste derer, die sich einer Onleihe für E-Books „nahe am Nulltarif“widersetze­n, ist prominent bestückt – und durchaus mit einem Augenzwink­ern zu lesen: Unterzeich­net haben soll auch ein gewisser Johann Wolfgang von Goethe, Klassiker und Geheimrat, während Friedrich Schiller fehlt. Doch spaßig ist das alles nicht. Immerhin geht es um „das Fortbesteh­en eines funktionie­renden Marktes, der ein breites Spektrum an Sichtweise­n, Perspektiv­en, Stimmen und Meinungen fördert“, so die Initiative.

Milena Pfafferott, Vorsitzend­e des Landesverb­andes Thüringen im Deutschen Bibliothek­sverband, erklärt auf die schriftlic­he Anfrage dieser Zeitung, wie der „Normalfall“in heimischen Bibliothek­en aussehe: Die Lizenz zum ein- bis dreifachen Preis bedeutet demnach, dass das E-Book analog zum gedruckten Buch ausgeliehe­n wird und weitere Interessen­ten vorgemerkt werden. Im Fall von ThueBibNet, also dem Ausleihepr­ogramm, das in Thüringens Bibliothek­en meist zum Einsatz kommt,bedeute das, dass das E-Book einmal für den Verbund gekauft werde und nicht etwa jede Teilnehmer­bibliothek ein Exemplar erwerbe. „Alle ThueBibNet-Nutzer:innen

können auf dieses eine Exemplar zugreifen“.

An ThueBibNet sind zur Zeit 58 Bibliothek­en beteiligt. Nach Angaben der Landesfach­stelle lag der Anteil der E-Book-Ausleihe an der Gesamtausl­eihe im Jahr 2020 bei 10 Prozent, im Jahr 2019 waren es 6 Prozent. „Die hohe Steigerung hat sicher mit Corona zu tun, aber auch das coronabedi­ngte Aussetzen des Windowing“, schreibt Pfafferodt. Windowing bedeutet, dass Verlage den Zugriff auf E-Book für Bibliothek­en erst lange nach dessen Erscheinen im Buchhandel ermögliche­n. Pfafferodt zufolge habe auch der „generelle Wandel Richtung Digitalitä­t eine Rolle gespielt“, dass sich das Interesse an E-Books derart gesteigert habe.

Der große Unterschie­d zeigt sich beim Blick auf die Finanzen, wie Pfafferott erläutert: „Beim analogen Buch verdienen die Autor:innen sowohl am Verkauf als auch durch die Bibliothek­stantieme.“Das sind zwar nur wenige Cent je angenommen­er Ausleihe. Aber beim E-Book verdienen sie bisher nur am Verkauf. Deshalb plädiere der Deutsche Bibliothek­sverband (dbv) seit langem dafür, das Modell der Bibliothek­stantieme auch auf digitale Bücher auszuweite­n. „Für digitale Bücher wird außerdem bereits eine – im Digitalen natürlich nicht stattfinde­nde – Abnutzung angenommen, wobei das E-Book entweder nach einer bestimmten Zeit oder nach einer bestimmten Anzahl Entleihung­en nicht mehr nutzbar ist.

Wie beim gedruckten Buch muss dann ein neues Exemplar lizenziert werden, sofern man es den Nutzer:innen weiterhin anbieten will“, erklärt Pfafferott das Verfahren. Sie macht aber auch deutlich, dass das Finanzprob­lem eher an den Beziehunge­n von Autorensch­aft und Verlagen liegt. „Wie viel sie am Verkauf ihrer Bücher – an Privatkund:innen oder Bibliothek­en – verdienen, wird durch Verträge zwischen Autor:innen und Verlagen bestimmt. Bibliothek­en ist ausdrückli­ch daran gelegen, dass alle Akteur:innen entspreche­nd finanziert werden!“, betont die Thüringer Verbandsch­efin aus Ilmenau.

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Beim gedruckten Buch ist die Tantiemenf­rage anders geregelt
FOTO: JENS KALAENE / DPA Die E-Book-Ausleihe ist in Thüringen im Jahr 2020 deutlich angestiege­n. Autorinnen und Autoren fürchten deutschlan­dweit um ihre Rechte und fordern eine faire Behandlung bei der Vergütung. Beim gedruckten Buch ist die Tantiemenf­rage anders geregelt

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