Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
„Von jüdischen Kulturen sprechen“
Der neue künstlerische Leiter Johannes Paul Gräßer über die jüdisch-israelischen Kulturtage Thüringens
Mit den gefeierten „Drei Kantoren“werden am Donnerstag, 21. Oktober, die 29. Thüringer Tage jüdisch-israelischer Kultur im Begegnungszentrum der Jüdischen Landesgemeinde in Erfurt eröffnet. Künstlerischer Leiter und Manager dieses dritten jüdischen Festivals im Jahr ist erstmals der Klezmer-Geiger Johannes Paul Gräßer:
Frischer Wind für das älteste jüdische Festival. Welche Akzente wollen Sie als künstlerischer Leiter setzen in einem Festival, das 2020 wegen Corona kaum stattfinden konnte und zuvor immer wieder von unproduktiven Debatten begleitet war?
Wir erfinden uns nicht komplett neu, denn es gibt vieles, was sich zu erhalten lohnt. Beispielsweise, dass wir in allen Thüringer Regionen unterwegs sind, wie bereits seit dem ersten Jahr. Wir setzen nunmehr den Schwerpunkt wirklich auf jüdisch-israelische Kultur, immerhin 40 Prozent der Künstlerinnen und Künstler kommen aus Israel. Und wir laden Künstlerinnen und Künstler aus Israel ein, die zwar im eigenen Land schon große Erfolge feiern, aber international nicht so bekannt sind wie beispielsweise Yael Deckelbaum.
Vor allem aber finden ab diesem Jahr die Kulturtage unter dem gemeinsamen Dach der Jüdischen Landesgemeinde und des Fördervereins statt. Der Kulturbeirat besteht aus Mitgliedern der Jüdischen Landesgemeinde und Vereinsmitgliedern. Auch Rabbiner Alexander Nachama gehört dem Beirat an.
Ein Festival lebt von Prominenten, die das mögliche Publikum schon kennt.
Das ist richtig, und wir setzen auch auf Bekannte. Die drei in Israel geborenen Kantoren Tal Koch (Tenor), Hemi Levison (Bariton) und Assaf Levitin (Bass) dürften bekannt sein und erst recht Alan Bern, künstlerischer Leiter des Yiddish Summer. Und auch die MittwochFilmreihe, die kommenden Mittwoch mit dem Dokumentarfilm „Massel Tov Cocktail“in Anwesenheit des Regisseurs Arkadij Khaet im Erfurter Zughafen stattfindet, könnte zu einem Erfolg werden. Oder Paul Brody’s Programm: Er hat Gedichte von Rose Ausländer vertont und mit Prominenten veröffentlicht. Zu ihnen zählen Meret Becker und Clueso. Wir wollen aber zugleich auch Neues bieten. Klezmer wird sicher immer mit dabei sein, aber jüdische Musik ist bei weitem nicht nur Klezmer.
Was unterscheidet dieses vergleichsweise kleinere Festival vom Yiddish Summer und von Achava?
Der Yiddish Summer Weimar legt seinen Fokus auf die aschkenasische Kultur, also die Kultur der mittel-, nord- und osteuropäischen Juden, Achava sucht den interreligiösen Dialog, die jüdisch-israelischen Kulturtage Thüringens setzen vor allem auf die sephardische Kultur, die auf der iberischen Geschichte beruht. Ich denke übrigens, dass es langsam Zeit wird, von jüdischen Kulturen und nicht von einer einzigen jüdischen Kultur zu sprechen. Wie auch die anderen Festivals stehen natürlich das Themenjahr 900 Jahre jüdisches Leben in Thüringen und 1700 Jahre jüdisches Leben in