Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Mallorca feiert jetzt anders

Die Wirte halten sich längst streng an die Auflagen, nachdem die Lage anfangs außer Kontrolle geraten war. Das große Problem jedoch: Es fehlt an Personal

- Von Ingo Wohlfeil

Michael Bohrmann sitzt um Mitternach­t vor einem Gläschen „Killepitsc­h“im Deutschen Eck. Der Chef des Kult-Lokals lächelt beschwingt, während er den Kräutersch­naps hinunterst­ürzt. „Seit einem halben Jahr gab es keine einzige Anzeige mehr“, freut er sich. „Und dass, obwohl wir so hart unter Beobachtun­g der Behörden standen“.

Der Düsseldorf­er führt seit über 20 Jahren die Kultkneipe am Ballermann. Doch nach der ersten Corona-Welle und den vorsichtig­en Öffnungen für Touristen im Sommer 2020 wurde sein Eck zwangsgesc­hlossen, weil die Situation in der sogenannte­n Bierstraße kurzzeitig außer Kontrolle geriet. Massiver Verstoß gegen die Corona-Schutzmaßn­ahmen lautete damals der Vorwurf.

In der Konsequenz wurden anschließe­nd alle Läden in der Bierund Schinkenst­raße am Ballermann für Wochen dichtgemac­ht. Dieser Schock wirkt bis heute. Die Angst vor den Behörden sorgte aber dann tatsächlic­h dafür, dass in der Saison 2021 alle Anordnunge­n der Polizei von den Wirten akribisch umgesetzt wurden, auch wenn diese Regeln sich täglich änderten.

Mittlerwei­le sind die meisten Beschränku­ngen auf Mallorca wieder aufgehoben. Wer im Oktober die Insel besucht, spürt weitgehend­e Normalität. Bis auf die Maskenpfli­cht in Innenräume­n und öffentlich­en Verkehrsmi­tteln sowie einem vollständi­gen Gastro-Rauchverbo­t ist kaum mehr etwas zu spüren von Corona.

Sogar die Discos durften wieder öffnen, auch wenn es absurd erscheint, dass Tanzen nur mit MundNasens­chutz erlaubt ist.

Der Tourismus-Minister der Balearen, Iago Negueruela, ist ein ehrgeizige­r Politiker mit vielen Zielen. Sein wichtigste­s Ziel war es in diesem Jahr, den Reiseverke­hr schnellstm­öglich wieder anzukurbel­n. „Die Arbeitsplä­tze und die Leben Hunderttau­sender Menschen hingen davon ab“, sagt Negueruela unserer Redaktion.

Die Zahlen lassen sich sehen. Fast 50 Prozent aller Deutschen, die in diesem Jahr nach Spanien reisten, wählten die Balearen als ihr Ziel. Im August 2021 wurde sogar

Inzidenzen

■ Auf Mallorca gibt es wieder ein Dorf mit einer

Corona-Sieben-Tage-Inzidenz,

die bei über 100 Fällen pro 100.000 Einwohner liegt. Es handelt sich nach Angaben des Gesundheit­sdienstes IB-Salut um Pollença: Dort liegt die Inzidenz inzwischen bei 108,1. Der bisherige Spitzenrei­ter, die Gemeinde Santanyí im Südwesten, befindet sich inzwischen bei 56,6. zu 70 Prozent das Besucher-Niveau von August 2019 erreicht. „Keine andere Region Spaniens hat eine so solide Erholung verbucht“, so der Minister.

„Ich habe in dieser Saison 400 Fässer Bier weniger verkauft“, sagt Gastronom Bohrmann, ohne zu murren. Dafür habe er seinen Gewinn mit anderen Getränken gemacht. „Das Trinkverha­lten hat sich verändert“. Das bedeutet im Klartext: weniger Geselligke­itssaufen mit Kölsch und Schnaps in der mittlerwei­le verbotenen Happy Hour, mehr schleichen­de Stimmungsa­ufhellung durch Longdrinks aus Markenprod­ukten.

Dass die Saison 2021 durchaus ein Erfolg war, bestätigen gleich mehrere Gastronome­n an der Playa de Palma. Besonders die Läden an der Strandprom­enade waren die Gewinner. Dadurch, dass der FeierTempe­l Bierkönig streng limitiert wurde und der Partykompl­ex Megapark gar nicht erst öffnete, verteilte sich das Publikum auf die vielen kleineren Locations. Die allerdings hatten ein ganz anderes Problem: zu wenig Personal.

Das hatte sich während der harten Corona-Monate anderweiti­g mit Jobs von Yogalehrer­in bis Verkäufer versorgt und kam nicht mehr zurück. „2019 hatte ich noch 34 Angestellt­e, jetzt nur noch 20“, sagt Bohrmann.

Er selbst steht jeden Morgen um sechs Uhr auf und ab halb acht in der Küche für die Vorbereitu­ngen des Tages. Eine ehemalige Kellnerin nahm sich sogar eine Woche Urlaub, um bei ihm auszuhelfe­n. Bohrmann buchte für sie Flug und Hotel, so dramatisch war die Lage.

In Santa Ponça, einer BritenHoch­burg im Südwesten Mallorcas sind die Karaoke-Bars wieder prall gefüllt mit Urlaubern von der anderen Insel. Laut und textsicher werden die Songs von Robbie Williams und Oasis geschmette­rt. Maske trägt hier niemand mehr. Ein Lokalmatad­or im Pub McTavishes schmettert einen Witz durchs Mikro. „Was ist der Unterschie­d zwischen England und Mallorca? Auf Mallorca gibt es kein Corona, aber dafür Benzin“.

Über 80 Prozent der Einwohner geimpft

In der Tat ist die pandemisch­e Entwicklun­g auf Mallorca längst nicht so schlimm verlaufen, wie es im Sommer den Anschein machte. Im Juli kletterte die Inzidenz auf über 300. Mittlerwei­le liegt sie bei 25. Über 80 Prozent der Einwohner sind vollständi­g geimpft.

„Wir vertrauen darauf, dass in unserem Tourismuss­ektor nach und nach wieder Normalität einzieht“, sagt Tourismusm­inister Negueruela. Was auch immer Normalität auf Mallorca bedeutet. Irgendetwa­s ist ja immer. Nächstes Jahr feiert der Ballermann seinen 50. Geburtstag. Da ist sicher: Der Insel steht eine ereignisre­iche Saison ins Haus.

 ?? F.: JREINA/ GETTY ?? Stimmungsv­oller Abend mit Blick aufs Meer und auf die Kathedrale von Palma: Kein Massenandr­ang, sondern Ausgehen nach Vorschrift.
F.: JREINA/ GETTY Stimmungsv­oller Abend mit Blick aufs Meer und auf die Kathedrale von Palma: Kein Massenandr­ang, sondern Ausgehen nach Vorschrift.

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