Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Grundsicherung für Kinder: So kann sie gelingen
Ampel-Parteien planen neues Instrument
Es ist vor allem ein Anliegen von SPD und Grünen. Beide Partei- en hatten in ihren Programmen zur Bundestagswahl eine Kindergrund- sicherung versprochen. Mit diesem Instrument sollen zum einen ärme- re Kinder, die derzeit in Hartz-IV- Haushalten oder in Familien mit niedrigem Einkommen leben, bes- ser unterstützt werden. Zudem ist die geplante Kindergrundsicherung als System gedacht, um verschiede- ne Sozialleistungen, die es für Kin- der und Familien gibt, zusammen- zuführen. Hierzu zählen beispiels- weise Kindergeld, Kinderfreibeträ- ge, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für Bil- dung und Teilhabe. In ihrem vor einer Woche vorgestellten Sondie- rungspapier haben Sozialdemokra- ten, Grüne und FDP ein entsprechendes neues Modell vereinbart.
Bisherige Leistungen sollen gebündelt und automatisiert ausgezahlt werden
Dies ist wohl eine der brennendsten Fragen. Jedoch gibt es hierauf noch „Wir wollen mehr Kinder aus Armut keine Antwort. In ihrem Sondierungspapier holen“, heißt es in dem Papier. Bis- haben SPD, Grüne und herige Leistungen sollten „in einem FDP dagegen keine Angaben zur eigenen Kindergrundsicherungs- künftigen Höhe gemacht. Das wird modell gebündelt und automatisiert Teil der Verhandlungen sein. Zeitlich ausgezahlt werden, sodass sie ohne wird die Umstellung von Hartz bürokratische Hürden bei den Kin- IV auf das Bürgergeld Vorlauf benötigen. dern ankommen“. Mehr als diese Sollte die neue Ampel-Regierung wenigen Sätze ist bislang nicht als im Januar 2022 im Amt sein, Einigung zwischen den Ampel-Part- dürfte die Einführung des Bürgergelds nern festgezurrt. Details werden erst mindestens ein Jahr dauern. während der Koalitionsverhandlungen erarbeitet. SPD und Grünen dürfte es vor allem darum gehen, nicht nur die Organisation der staat- lichen Leistung zielgenauer zu ge- stalten, sondern diese für Kinder zu erhöhen und sie aus dem Hartz-IV-
System herauszuholen.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Rei- ner Hoffmann, sagte unserer Redak- tion, die Kindergrundsicherung sei
„der zentrale Hebel, um Kinderarmut zu beenden und insbesondere auch Geringverdienende materiell besserzustellen“. Zu niedrige HartzIV-Regelsätze verhinderten ein gutes Aufwachsen von Kindern und raubten ihnen Entwicklungschancen. „Deshalb sollte die Höhe der Kindergrundsicherung darüber liegen. Hoffmann schlug – je nach Alter des Kindes – Höchstbeträge zwischen 390 Euro und 550 Euro vor.
Zudem müsse die Kindergrundsicherung leicht zugänglich sein.
Wer bekommt das Bürgergeld?
Es ist – ähnlich wie Hartz IV – für Langzeitarbeitslose gedacht und soll laut Sondierungspapier „Hilfen zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt stellen“. Zuletzt gab es rund 5,22 Millionen Menschen, die als Langzeitarbeitslose Hartz IV erhielten. Hinzu kommen etwa 1,1 Millionen Menschen, die
Verhandlungen in 22 Arbeitsgruppen
■ Dreieinhalb Wochen nach der Bundestagswahl beginnt heute in Berlin die
erste Runde der Koalitionsverhandlungen
zwischen SPD, Grünen und FDP. 22 Arbeitsgruppen sollen über die Bildung der ersten Ampel-Regierung auf Bundesebene verhandeln. In den verschiedenen Gesprächsrunden werden Fachpolitiker die Details
Grundsicherung im Alter bekommen, da die Rente nicht reicht, oder die aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können. Auch für sie ist das Bürgergeld gedacht.
Was ist anders als bei Hartz IV?
Die Ampel-Partner wollen die Zuverdienstmöglichkeiten für Betroffene verbessern. Derzeit lohnt es sich für Hartz-IV-Empfänger oft nicht, kleinere Jobs anzunehmen, da ihnen der Verdienst vom Regelsatz abgezogen wird. Dies soll sich ändern. Wer künftig das Bürgergeld erhält und nebenher jobbt, soll des Koalitionsvertrags zu Sachthemen aushandeln. Von SPDSeite sollen u. a. Parteivize Kevin Kühnert (Bauen/Wohnen), Justizministerin Christine Lambrecht (Innere Sicherheit) und Fraktionsvize Matthias Miersch (Klima/ Energie) verhandeln. Die Regierung soll bis Weihnachten stehen. mehr Geld behalten dürfen. Zudem wollen die Ampel-Partner prüfen, ob die Regelungen zu Wohnungsgröße und Vermögensanrechnung großzügiger als bei Hartz IV gestaltet werden. Beides war in der Corona-Krise der Fall. Die Vermögensprüfung wurde vorübergehend ausgesetzt. Auch für die Zukunft wäre es denkbar, dass Betroffene mehr von ihrem Vermögen behalten dürfen und trotzdem die staatliche Hilfe bekommen. Vor Corona mussten sie erst einen Großteil ihres Privatvermögens verbrauchen. Wer in einer zu teuren Mietwohnung wohnte, war vor der Pandemie zudem angehalten, sich eine billigere Bleibe zu suchen, was in Zeiten von Wohnungsnot schwer ist. In Corona-Zeiten wurden auch höhere Mieten vom Amt übernommen. Wie es künftig läuft, soll geprüft werden.
Wie viel Hartz IV steckt weiterhin im neuen Bürgergeld?
„Hartz IV muss überwunden und nicht nur umbenannt werden.“
„An Mitwirkungspflichten halten wir fest“, heißt es im Sondierungspapier. Das bedeutet, dass es auch weiterhin eine Form von Sanktionierung gibt, falls Langzeitarbeitslose
Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds
beispielsweise unentschuldigt einem Termin im Jobcenter fernbleiben oder sie eine vermittelte Stelle kurzerhand nicht antreten.
Welche Kritik gibt es?
Der Generalsekretär des CDUWirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, bezeichnet das Bürgergeld als „Nebelkerze, weil die Ausgestaltung viel zu unkonkret bleibt“. Immerhin solle es bei Mitwirkungspflichten bleiben. „Ein Recht auf Faulheit zulasten der fleißigen Steuerzahler darf es nicht geben“, sagte Steiger unserer Redaktion. Steiger sprach sich zudem gegen eine Erhöhung der aktuellen Bezüge aus und forderte, „dass das Niveau der Grundsicherung im Wesentlichen unverändert bleibt“. Dagegen forderte Reiner