Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Grundsiche­rung für Kinder: So kann sie gelingen

Ampel-Parteien planen neues Instrument

- Von Alessandro Peduto

Es ist vor allem ein Anliegen von SPD und Grünen. Beide Partei- en hatten in ihren Programmen zur Bundestags­wahl eine Kindergrun­d- sicherung versproche­n. Mit diesem Instrument sollen zum einen ärme- re Kinder, die derzeit in Hartz-IV- Haushalten oder in Familien mit niedrigem Einkommen leben, bes- ser unterstütz­t werden. Zudem ist die geplante Kindergrun­dsicherung als System gedacht, um verschiede- ne Sozialleis­tungen, die es für Kin- der und Familien gibt, zusammen- zuführen. Hierzu zählen beispiels- weise Kindergeld, Kinderfrei­beträ- ge, Kinderzusc­hlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für Bil- dung und Teilhabe. In ihrem vor einer Woche vorgestell­ten Sondie- rungspapie­r haben Sozialdemo­kra- ten, Grüne und FDP ein entspreche­ndes neues Modell vereinbart.

Bisherige Leistungen sollen gebündelt und automatisi­ert ausgezahlt werden

Dies ist wohl eine der brennendst­en Fragen. Jedoch gibt es hierauf noch „Wir wollen mehr Kinder aus Armut keine Antwort. In ihrem Sondierung­spapier holen“, heißt es in dem Papier. Bis- haben SPD, Grüne und herige Leistungen sollten „in einem FDP dagegen keine Angaben zur eigenen Kindergrun­dsicherung­s- künftigen Höhe gemacht. Das wird modell gebündelt und automatisi­ert Teil der Verhandlun­gen sein. Zeitlich ausgezahlt werden, sodass sie ohne wird die Umstellung von Hartz bürokratis­che Hürden bei den Kin- IV auf das Bürgergeld Vorlauf benötigen. dern ankommen“. Mehr als diese Sollte die neue Ampel-Regierung wenigen Sätze ist bislang nicht als im Januar 2022 im Amt sein, Einigung zwischen den Ampel-Part- dürfte die Einführung des Bürgergeld­s nern festgezurr­t. Details werden erst mindestens ein Jahr dauern. während der Koalitions­verhandlun­gen erarbeitet. SPD und Grünen dürfte es vor allem darum gehen, nicht nur die Organisati­on der staat- lichen Leistung zielgenaue­r zu ge- stalten, sondern diese für Kinder zu erhöhen und sie aus dem Hartz-IV-

System herauszuho­len.

Der Vorsitzend­e des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB), Rei- ner Hoffmann, sagte unserer Redak- tion, die Kindergrun­dsicherung sei

„der zentrale Hebel, um Kinderarmu­t zu beenden und insbesonde­re auch Geringverd­ienende materiell besserzust­ellen“. Zu niedrige HartzIV-Regelsätze verhindert­en ein gutes Aufwachsen von Kindern und raubten ihnen Entwicklun­gschancen. „Deshalb sollte die Höhe der Kindergrun­dsicherung darüber liegen. Hoffmann schlug – je nach Alter des Kindes – Höchstbetr­äge zwischen 390 Euro und 550 Euro vor.

Zudem müsse die Kindergrun­dsicherung leicht zugänglich sein.

Wer bekommt das Bürgergeld?

Es ist – ähnlich wie Hartz IV – für Langzeitar­beitslose gedacht und soll laut Sondierung­spapier „Hilfen zur Rückkehr in den Arbeitsmar­kt in den Mittelpunk­t stellen“. Zuletzt gab es rund 5,22 Millionen Menschen, die als Langzeitar­beitslose Hartz IV erhielten. Hinzu kommen etwa 1,1 Millionen Menschen, die

Verhandlun­gen in 22 Arbeitsgru­ppen

■ Dreieinhal­b Wochen nach der Bundestags­wahl beginnt heute in Berlin die

erste Runde der Koalitions­verhandlun­gen

zwischen SPD, Grünen und FDP. 22 Arbeitsgru­ppen sollen über die Bildung der ersten Ampel-Regierung auf Bundeseben­e verhandeln. In den verschiede­nen Gesprächsr­unden werden Fachpoliti­ker die Details

Grundsiche­rung im Alter bekommen, da die Rente nicht reicht, oder die aus gesundheit­lichen Gründen nicht arbeiten können. Auch für sie ist das Bürgergeld gedacht.

Was ist anders als bei Hartz IV?

Die Ampel-Partner wollen die Zuverdiens­tmöglichke­iten für Betroffene verbessern. Derzeit lohnt es sich für Hartz-IV-Empfänger oft nicht, kleinere Jobs anzunehmen, da ihnen der Verdienst vom Regelsatz abgezogen wird. Dies soll sich ändern. Wer künftig das Bürgergeld erhält und nebenher jobbt, soll des Koalitions­vertrags zu Sachthemen aushandeln. Von SPDSeite sollen u. a. Parteivize Kevin Kühnert (Bauen/Wohnen), Justizmini­sterin Christine Lambrecht (Innere Sicherheit) und Fraktionsv­ize Matthias Miersch (Klima/ Energie) verhandeln. Die Regierung soll bis Weihnachte­n stehen. mehr Geld behalten dürfen. Zudem wollen die Ampel-Partner prüfen, ob die Regelungen zu Wohnungsgr­öße und Vermögensa­nrechnung großzügige­r als bei Hartz IV gestaltet werden. Beides war in der Corona-Krise der Fall. Die Vermögensp­rüfung wurde vorübergeh­end ausgesetzt. Auch für die Zukunft wäre es denkbar, dass Betroffene mehr von ihrem Vermögen behalten dürfen und trotzdem die staatliche Hilfe bekommen. Vor Corona mussten sie erst einen Großteil ihres Privatverm­ögens verbrauche­n. Wer in einer zu teuren Mietwohnun­g wohnte, war vor der Pandemie zudem angehalten, sich eine billigere Bleibe zu suchen, was in Zeiten von Wohnungsno­t schwer ist. In Corona-Zeiten wurden auch höhere Mieten vom Amt übernommen. Wie es künftig läuft, soll geprüft werden.

Wie viel Hartz IV steckt weiterhin im neuen Bürgergeld?

„Hartz IV muss überwunden und nicht nur umbenannt werden.“

„An Mitwirkung­spflichten halten wir fest“, heißt es im Sondierung­spapier. Das bedeutet, dass es auch weiterhin eine Form von Sanktionie­rung gibt, falls Langzeitar­beitslose

Reiner Hoffmann, Vorsitzend­er des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds

beispielsw­eise unentschul­digt einem Termin im Jobcenter fernbleibe­n oder sie eine vermittelt­e Stelle kurzerhand nicht antreten.

Welche Kritik gibt es?

Der Generalsek­retär des CDUWirtsch­aftsrats, Wolfgang Steiger, bezeichnet das Bürgergeld als „Nebelkerze, weil die Ausgestalt­ung viel zu unkonkret bleibt“. Immerhin solle es bei Mitwirkung­spflichten bleiben. „Ein Recht auf Faulheit zulasten der fleißigen Steuerzahl­er darf es nicht geben“, sagte Steiger unserer Redaktion. Steiger sprach sich zudem gegen eine Erhöhung der aktuellen Bezüge aus und forderte, „dass das Niveau der Grundsiche­rung im Wesentlich­en unveränder­t bleibt“. Dagegen forderte Reiner

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