Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Auf dem steinigen Weg zurück
Zum Tag der offenen Tür des Berufsförderungswerks erzählen Langzeitarbeitslose von sich
Es gibt Langzeitarbeitslose und schwer Vermittelbare an denen das Jobcenter irgendwann verzweifelt. Bestimmte Maßnahmen, Seminare und Weiterbildungen reichen für die Menschen nicht mehr aus, um sie dauerhaft in ein stabiles Arbeitsverhältnis zu bringen. Das dass nicht funktioniert, kann verschiedenste Gründe haben, vielfach sind medizinische Ursachen ausschlaggebend.
Seit eineinhalb Jahren kümmert sich das Berufsförderungswerk Thüringen GmbH in Pößneck um solche Fälle. Es ist einer von drei Standorten in Thüringen. Eine Psychologin und der Leiter Frank Ehrenberg versuchen per „Einzel- und Gruppencoaching“insgesamt sechs Männer und Frauen „arbeitsmarktfähig“zu machen. Doreen Krauße und Martin Larose haben die einjährige Maßnahme, die vom Jobcenter gefördert ist, fast abgeschlossen. Zum ersten Tag der offenen Tür der Einrichtung am Pößnecker Klosterplatz erzählen sie von ihren Erfahrungen.
Ziel ist Hilfe zur Selbsthilfe
Die 44-Jährige Raniserin bezeichnet sich als gesundheitlich beeinträchtigt. Auf die Frage hin, was sie aus diesem einen Jahr mitnimmt, kommt es wie aus der Pistole geschossen: „Ich habe meinen Freund kennengelernt!“Lächelnd ergänzt sie schnell: „Ich habe herausgefunden, dass ich gut kochen und backen kann. Und dass ich kreativ bin, ich bastle gerne.“Das alles, so fährt sie fort, hätte sie wohl ohne die soziale Interaktion, viele Gespräche, ohne das Team und das Wahrnehmen der freiwilligen Angebote nie herausgefunden. „Ich nehme viel von hier privat mit nach Hause. Bemale gern Styropor, bastle mit Papier, Karten und so“, sagt Krauße begeistert.
Erstaunlich finde sie, dass sie vom ersten Tag an in die Gruppe aufgenommen wurde. „Es gefällt mir hier wirklich sehr gut“, sagt sie und wünscht sich, noch länger bleiben zu dürfen, doch am kommenden Dienstag endet für sie die Maßnahme. Die gelernte Kinderpflegerin habe viel Spaß beim Betreuen von älteren Menschen, stellte sie längst fest, habe aber in der Vergangenheit viel Mobbing unter den damaligen Kollegen erfahren. Sie hofft, dass sie in einem neuen Arbeitsumfeld mehr Wertschätzung und Anerkennung erfährt. Wie es konkret weitergeht, wisse sie noch nicht, aber: „Ich kann mir gut vorstellen, als Demenzbetreuerin zu arbeiten“, hat sie ein Ziel vor Augen.
Es sei gar nicht so sehr das Ziel, die Teilnehmer in Lohn und Brot zu bringen, erzählt der Standortleiter Frank Ehrenberg. Viel mehr gehe es um Hilfe zur Selbsthilfe. „Wir setzen weiter vorn an.“Man führe die teils einsamen Männer und Frauen aus den eigenen vier Wänden heraus, natürlich freiwillig, versuche sie mit Einzelgesprächen und im Team ins soziale Gefüge zurückzuholen. „Das hat ganz viel mit Kommunikation zu tun, ist existenziell“, sagt er. Natürlich hilft auch eine Tagesstruktur. Oder man wiederhole Mathematisches, Deutsch und Geografie, gibt er Beispiele für Unterrichtsinhalte. Man stärke das Vertrauen der Personen und deren Fähigkeiten, lerne zu vertrauen, sich zu akzeptieren, Stress zu bewältigen. Es sind hauptsächlich psychisch Erkrankte, denen zuvor nicht geholfen wurde. „Wir haben Personen mit Angststörungen, die kaum nach draußen gehen“, sagt er. Jedoch stellt er klar: „Wir therapieren nicht, aber zeigen Wege auf.“
„Ich bin der jüngste in der Maßnahme“,
sagt der 33-jährige Martin Larose aus Neustadt. Er habe Probleme mit Autoritäten, also Vorgesetzten, suche Streit, weil er sich unterfordert fühlt. „Ich habe schon viele Jobs gehabt“, sagt der Ungelernte, der auf dem Gymnasium war. „Ich bin schwer vermittelbar“, fährt er fort. Er führe seine sozialen Probleme auf den familiären Background zurück. Und habe zuletztviel Wut in sich gespürt. Das habe sich in der Maßnahme gebessert.
„Er kann sich gut reflektieren“, kommentiert Ehrenberg anerkennend und sieht den 33-Jährigen auf einem guten Weg. „Ich habe morgen ein Vorstellungsgespräch als Reinigungskraft“, so Larose. Das entspreche zwar nicht unbedingt seinem eigentlichen Berufswunsch, aber es sei zumindest was, ein Minijob. „Ich möchte in die Selbstständigkeit, Handyspiele programmieren“, sagt er. Er habe schon rund ein Dutzend Spiele angefangen, aber „noch keins davon fertiggestellt.“