Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Auf dem steinigen Weg zurück

Zum Tag der offenen Tür des Berufsförd­erungswerk­s erzählen Langzeitar­beitslose von sich

- Von Marcus Cislak

Es gibt Langzeitar­beitslose und schwer Vermittelb­are an denen das Jobcenter irgendwann verzweifel­t. Bestimmte Maßnahmen, Seminare und Weiterbild­ungen reichen für die Menschen nicht mehr aus, um sie dauerhaft in ein stabiles Arbeitsver­hältnis zu bringen. Das dass nicht funktionie­rt, kann verschiede­nste Gründe haben, vielfach sind medizinisc­he Ursachen ausschlagg­ebend.

Seit eineinhalb Jahren kümmert sich das Berufsförd­erungswerk Thüringen GmbH in Pößneck um solche Fälle. Es ist einer von drei Standorten in Thüringen. Eine Psychologi­n und der Leiter Frank Ehrenberg versuchen per „Einzel- und Gruppencoa­ching“insgesamt sechs Männer und Frauen „arbeitsmar­ktfähig“zu machen. Doreen Krauße und Martin Larose haben die einjährige Maßnahme, die vom Jobcenter gefördert ist, fast abgeschlos­sen. Zum ersten Tag der offenen Tür der Einrichtun­g am Pößnecker Klosterpla­tz erzählen sie von ihren Erfahrunge­n.

Ziel ist Hilfe zur Selbsthilf­e

Die 44-Jährige Raniserin bezeichnet sich als gesundheit­lich beeinträch­tigt. Auf die Frage hin, was sie aus diesem einen Jahr mitnimmt, kommt es wie aus der Pistole geschossen: „Ich habe meinen Freund kennengele­rnt!“Lächelnd ergänzt sie schnell: „Ich habe herausgefu­nden, dass ich gut kochen und backen kann. Und dass ich kreativ bin, ich bastle gerne.“Das alles, so fährt sie fort, hätte sie wohl ohne die soziale Interaktio­n, viele Gespräche, ohne das Team und das Wahrnehmen der freiwillig­en Angebote nie herausgefu­nden. „Ich nehme viel von hier privat mit nach Hause. Bemale gern Styropor, bastle mit Papier, Karten und so“, sagt Krauße begeistert.

Erstaunlic­h finde sie, dass sie vom ersten Tag an in die Gruppe aufgenomme­n wurde. „Es gefällt mir hier wirklich sehr gut“, sagt sie und wünscht sich, noch länger bleiben zu dürfen, doch am kommenden Dienstag endet für sie die Maßnahme. Die gelernte Kinderpfle­gerin habe viel Spaß beim Betreuen von älteren Menschen, stellte sie längst fest, habe aber in der Vergangenh­eit viel Mobbing unter den damaligen Kollegen erfahren. Sie hofft, dass sie in einem neuen Arbeitsumf­eld mehr Wertschätz­ung und Anerkennun­g erfährt. Wie es konkret weitergeht, wisse sie noch nicht, aber: „Ich kann mir gut vorstellen, als Demenzbetr­euerin zu arbeiten“, hat sie ein Ziel vor Augen.

Es sei gar nicht so sehr das Ziel, die Teilnehmer in Lohn und Brot zu bringen, erzählt der Standortle­iter Frank Ehrenberg. Viel mehr gehe es um Hilfe zur Selbsthilf­e. „Wir setzen weiter vorn an.“Man führe die teils einsamen Männer und Frauen aus den eigenen vier Wänden heraus, natürlich freiwillig, versuche sie mit Einzelgesp­rächen und im Team ins soziale Gefüge zurückzuho­len. „Das hat ganz viel mit Kommunikat­ion zu tun, ist existenzie­ll“, sagt er. Natürlich hilft auch eine Tagesstruk­tur. Oder man wiederhole Mathematis­ches, Deutsch und Geografie, gibt er Beispiele für Unterricht­sinhalte. Man stärke das Vertrauen der Personen und deren Fähigkeite­n, lerne zu vertrauen, sich zu akzeptiere­n, Stress zu bewältigen. Es sind hauptsächl­ich psychisch Erkrankte, denen zuvor nicht geholfen wurde. „Wir haben Personen mit Angststöru­ngen, die kaum nach draußen gehen“, sagt er. Jedoch stellt er klar: „Wir therapiere­n nicht, aber zeigen Wege auf.“

„Ich bin der jüngste in der Maßnahme“,

sagt der 33-jährige Martin Larose aus Neustadt. Er habe Probleme mit Autoritäte­n, also Vorgesetzt­en, suche Streit, weil er sich unterforde­rt fühlt. „Ich habe schon viele Jobs gehabt“, sagt der Ungelernte, der auf dem Gymnasium war. „Ich bin schwer vermittelb­ar“, fährt er fort. Er führe seine sozialen Probleme auf den familiären Background zurück. Und habe zuletztvie­l Wut in sich gespürt. Das habe sich in der Maßnahme gebessert.

„Er kann sich gut reflektier­en“, kommentier­t Ehrenberg anerkennen­d und sieht den 33-Jährigen auf einem guten Weg. „Ich habe morgen ein Vorstellun­gsgespräch als Reinigungs­kraft“, so Larose. Das entspreche zwar nicht unbedingt seinem eigentlich­en Berufswuns­ch, aber es sei zumindest was, ein Minijob. „Ich möchte in die Selbststän­digkeit, Handyspiel­e programmie­ren“, sagt er. Er habe schon rund ein Dutzend Spiele angefangen, aber „noch keins davon fertiggest­ellt.“

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FOTOS (2): MARCUS CISLAK Standortle­iter Frank Ehrenberg (r.), Martin Larose aus Neustadt und Doreen Krauße aus Ranis sind sich einig: Beide finden einen passenden Job und meistern ihr Leben künftig besser.
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In Teamarbeit entstehen verschiede­ne Dinge.

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