Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
„Gewinn für meine Heimatstadt“
Der erfolgreichste deutsche Boxtrainer Ulli Wegner berichtet über sein Rentnerleben, das keins ist, die Zusammenarbeit mit Kubrat Pulev und verrät einen Herzenswunsch
Das kommt wie ein linker Haken. „Ich will mal erzählen, wie ich mir mein Leben als Rentner vorstelle“, sagt Ulli Wegner und seine Augen blitzen. In diesem Jahr wäre er 50 Jahre Trainer gewesen, feierte Erfolge bei den Amateuren und den Profis, machte Sven Ottke, Markus Beyer, Arthur Abraham, Yuan Pablo Hernandez, Marco Huck und Cecilia Braekhus zu Weltmeistern.
„Das hätte mir keiner zugetraut, dass ich ohne Boxring leben kann“, sagt der 79-Jährige. Doch es gehe, sogar gut gehe das. Doch gänzlich ohne Boxen kann Ulli Wegner nicht sein. Kubrat Pulev habe sich bei ihm gemeldet. „Er möchte noch einmal angreifen und ich soll ihm dabei helfen.“Wie genau, stehe noch nicht fest, „das Ziel ist ein erneuter Weltmeisterschaftskampf“.
Zweimal hatte der bulgarische Schwergewichtler nach dem WMGürtel gegriffen. 2014 gegen Wladimir Klitschko und am 12. Dezember 2020 in London gegen Anthony Joshua verloren. K.o. in der neunten Runde. „Kubrat ist ein guter Junge. Ich möchte ihm helfen“, sagt Ulli Wegner und betont: „Mir kam es in meiner Laufbahn immer drauf an, dass meine Boxer nicht nur einen Titelkampf bekommen, sondern dass sie ihn dann auch gewinnen.“
Der Startrainer ist in seinem Element, es sprudelt aus ihm heraus, er schweift ab, zu viel hat er erlebt. Doch eins stehe felsenfest: „In Gera hat alles angefangen. Gera ist nicht irgendeine Stadt. Gera ist meine Heimat.“Als mittelmäßiger Boxer war er 1964 in die Bergarbeiterstadt gekommen, bei Wismut Gera in den Ring geklettert. „Dass mich Hans Spazierer, dem ich alles verdanke, zu seinem Assistenztrainer gemacht hat, war ein Glücksfall für mich.“
Ausstellung über Lebenswerk soll dauerhaft nach Gera
Ähnlich sei es bei Hans Meyer gewesen, sagt er, „den Georg Buschner damals zum Trainer des FC Carl Zeiss gemacht hat, obwohl es viel bessere Fußballer gab.“Das sei ihm schlagartig bewusst geworden, als er in der vergangenen Woche zur Schar der Gratulanten zu Ehren des 80. Geburtstages von Fußball-Idol Peter Ducke zählte und mit dem ehemaligen Trainer Hans Meyer ins Gespräch kam.
Bessere Boxer als Ulli Wegner hatte es damals auch in der WismutStaffel gegeben, die DDR-Mannschaftsmeister wurde, doch Kapitän
der Truppe, dafür hatte Hans Spazierer gesorgt, war Ulli Wegner. „Ich kann noch immer keine Primzahlen aufzählen, muss ich auch nicht. Doch ich erreiche die Seele meiner Sportler, kann sie führen, kann sie groß machen“, sagt er. Diese Gabe sei ein Geschenk, ein kleines Wunder. „Es grenzt an ein Wunder, was aus mir geworden ist, was ich alles erreicht habe. Denn eigentlich bin ich noch immer der Junge aus Penkun, der Ulli mit zwei L.“
Eine Erfolgsgeschichte zweifellos. Lohn harter Arbeit. „Ich habe die erfolgreichen Trainer im Fußball, Eisschnelllauf und natürlich Boxen beobachtet, sie ausgefragt, um meinen Weg zum Erfolg zu finden.“Es lohne sich für seine Träume zu kämpfen, er sei das beste Beispiel. „Wenn du etwas tust, sei mit dem Herzen dabei und führe es mit dem Verstand aus.“
Von Gera aus zog es ihn 1979 in die Welt des Boxsports. Klubtrainer beim TSC Berlin bis zur Wende, danach Bundestrainer am Olympiastützpunkt Berlin, Profitrainer nach den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta im Sauerland-Stall. Und wenn er in einer ruhigen Minute in seinem Haus in Berlin sitzt, auf den See schaut und die inzwischen großgewachsenen Bäume in seinen Garten sieht, dann kommen viele Gedanken hoch. „Die Bäumchen habe ich gepflanzt und sie haben die Zeit bekommen, zu gedeihen“, sagt er und möchte das auch auf seine Boxer beziehen.
„Wie Hans Spazierer damals, habe ich immer Wert gelegt, dass es neben der boxerischen Laufbahn auch eine berufliche gibt.“In Gera habe man ihm damals alle Türen geöffnet. „Ich habe die zehnte Klasse nachgeholt, meinen Meister gemacht und eine Trainerausbildung abgeschlossen.“
Immer wieder Gera. Nicht ohne Grund. Im Stadtmuseum war die Ausstellung „Ring frei! Ulli Wegner – Boxer, Trainer, Ehrenbürger“zu sehen. Jetzt ist die Promenadenhalle in Zinnowitz Ausstellungsort, doch die Schau über sein Lebenswerk soll nicht mehr wandern. Bewerber gebe es einige, sagt er, „doch die Ausstellung soll für immer in Gera bleiben“. Gespräche mit der Stadt habe es gegeben. „Das Projekt ist bei Oberbürgermeister Julian Vonarb und René Soboll in guten Händen. Diese Schau wäre doch ein Gewinn für meine Heimatstadt.“