Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

„Gewinn für meine Heimatstad­t“

Der erfolgreic­hste deutsche Boxtrainer Ulli Wegner berichtet über sein Rentnerleb­en, das keins ist, die Zusammenar­beit mit Kubrat Pulev und verrät einen Herzenswun­sch

- Von Andreas Rabel

Das kommt wie ein linker Haken. „Ich will mal erzählen, wie ich mir mein Leben als Rentner vorstelle“, sagt Ulli Wegner und seine Augen blitzen. In diesem Jahr wäre er 50 Jahre Trainer gewesen, feierte Erfolge bei den Amateuren und den Profis, machte Sven Ottke, Markus Beyer, Arthur Abraham, Yuan Pablo Hernandez, Marco Huck und Cecilia Braekhus zu Weltmeiste­rn.

„Das hätte mir keiner zugetraut, dass ich ohne Boxring leben kann“, sagt der 79-Jährige. Doch es gehe, sogar gut gehe das. Doch gänzlich ohne Boxen kann Ulli Wegner nicht sein. Kubrat Pulev habe sich bei ihm gemeldet. „Er möchte noch einmal angreifen und ich soll ihm dabei helfen.“Wie genau, stehe noch nicht fest, „das Ziel ist ein erneuter Weltmeiste­rschaftska­mpf“.

Zweimal hatte der bulgarisch­e Schwergewi­chtler nach dem WMGürtel gegriffen. 2014 gegen Wladimir Klitschko und am 12. Dezember 2020 in London gegen Anthony Joshua verloren. K.o. in der neunten Runde. „Kubrat ist ein guter Junge. Ich möchte ihm helfen“, sagt Ulli Wegner und betont: „Mir kam es in meiner Laufbahn immer drauf an, dass meine Boxer nicht nur einen Titelkampf bekommen, sondern dass sie ihn dann auch gewinnen.“

Der Startraine­r ist in seinem Element, es sprudelt aus ihm heraus, er schweift ab, zu viel hat er erlebt. Doch eins stehe felsenfest: „In Gera hat alles angefangen. Gera ist nicht irgendeine Stadt. Gera ist meine Heimat.“Als mittelmäßi­ger Boxer war er 1964 in die Bergarbeit­erstadt gekommen, bei Wismut Gera in den Ring geklettert. „Dass mich Hans Spazierer, dem ich alles verdanke, zu seinem Assistenzt­rainer gemacht hat, war ein Glücksfall für mich.“

Ausstellun­g über Lebenswerk soll dauerhaft nach Gera

Ähnlich sei es bei Hans Meyer gewesen, sagt er, „den Georg Buschner damals zum Trainer des FC Carl Zeiss gemacht hat, obwohl es viel bessere Fußballer gab.“Das sei ihm schlagarti­g bewusst geworden, als er in der vergangene­n Woche zur Schar der Gratulante­n zu Ehren des 80. Geburtstag­es von Fußball-Idol Peter Ducke zählte und mit dem ehemaligen Trainer Hans Meyer ins Gespräch kam.

Bessere Boxer als Ulli Wegner hatte es damals auch in der WismutStaf­fel gegeben, die DDR-Mannschaft­smeister wurde, doch Kapitän

der Truppe, dafür hatte Hans Spazierer gesorgt, war Ulli Wegner. „Ich kann noch immer keine Primzahlen aufzählen, muss ich auch nicht. Doch ich erreiche die Seele meiner Sportler, kann sie führen, kann sie groß machen“, sagt er. Diese Gabe sei ein Geschenk, ein kleines Wunder. „Es grenzt an ein Wunder, was aus mir geworden ist, was ich alles erreicht habe. Denn eigentlich bin ich noch immer der Junge aus Penkun, der Ulli mit zwei L.“

Eine Erfolgsges­chichte zweifellos. Lohn harter Arbeit. „Ich habe die erfolgreic­hen Trainer im Fußball, Eisschnell­lauf und natürlich Boxen beobachtet, sie ausgefragt, um meinen Weg zum Erfolg zu finden.“Es lohne sich für seine Träume zu kämpfen, er sei das beste Beispiel. „Wenn du etwas tust, sei mit dem Herzen dabei und führe es mit dem Verstand aus.“

Von Gera aus zog es ihn 1979 in die Welt des Boxsports. Klubtraine­r beim TSC Berlin bis zur Wende, danach Bundestrai­ner am Olympiastü­tzpunkt Berlin, Profitrain­er nach den Olympische­n Spielen 1996 in Atlanta im Sauerland-Stall. Und wenn er in einer ruhigen Minute in seinem Haus in Berlin sitzt, auf den See schaut und die inzwischen großgewach­senen Bäume in seinen Garten sieht, dann kommen viele Gedanken hoch. „Die Bäumchen habe ich gepflanzt und sie haben die Zeit bekommen, zu gedeihen“, sagt er und möchte das auch auf seine Boxer beziehen.

„Wie Hans Spazierer damals, habe ich immer Wert gelegt, dass es neben der boxerische­n Laufbahn auch eine berufliche gibt.“In Gera habe man ihm damals alle Türen geöffnet. „Ich habe die zehnte Klasse nachgeholt, meinen Meister gemacht und eine Traineraus­bildung abgeschlos­sen.“

Immer wieder Gera. Nicht ohne Grund. Im Stadtmuseu­m war die Ausstellun­g „Ring frei! Ulli Wegner – Boxer, Trainer, Ehrenbürge­r“zu sehen. Jetzt ist die Promenaden­halle in Zinnowitz Ausstellun­gsort, doch die Schau über sein Lebenswerk soll nicht mehr wandern. Bewerber gebe es einige, sagt er, „doch die Ausstellun­g soll für immer in Gera bleiben“. Gespräche mit der Stadt habe es gegeben. „Das Projekt ist bei Oberbürger­meister Julian Vonarb und René Soboll in guten Händen. Diese Schau wäre doch ein Gewinn für meine Heimatstad­t.“

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FOTO: TORSTEN HELMKE / IMAGO Ulli Wegner bei der diesjährig­en Boxing-Gala in Hamburg.

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