Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

„Zutritt nur für Ungeimpfte“

Zwei Ärzte in Niedersach­sen lassen keine Patienten mehr in ihre Praxen, wenn sie gegen Corona geschützt sind. Die Mediziner stehen der Querdenker-Bewegung nahe

- Von Jonas Erlenkämpe­r

Der Ausdruck ist mit Klebeband an der Eingangstü­r befestigt, die Nachricht brisant: Der Orthopäde erteilt einem Teil seiner Patienten Hausverbot. Wer gegen Corona geimpft sei, solle sich bitte einen anderen Arzt suchen, schreibt der Mediziner. „Ich trage die Verantwort­ung für die Gesundheit meiner Mitarbeite­r, Familie und die Gesundheit meiner ungeimpfte­n Patienten.“

Der Mann behauptet, von Geimpften gehe eine Gefahr aus, da sie nach der Impfung das sogenannte Spike-Protein ausstießen – etwa über Hautkontak­t oder Husten. Das sorge dafür, dass Ungeimpfte krank oder unfruchtba­r würden. Dass wissenscha­ftliche Institutio­nen wie das Paul-Ehrlich-Institut seiner Behauptung widersprec­hen, ist ihm egal.

Der Facharzt – ein Mann Mitte 50 – führt eine Praxis in der Innenstadt von Lüchow im Nordosten Niedersach­sens. Und er ist nicht der einzige Mediziner mit heiklen Ansichten in dem 9000 Einwohner zählenden

Fachwerkor­t. Auch ein Allgemeina­rzt verweigert Geimpften den Einlass. Er hat ein Schild an die Tür seiner Praxis gehängt: „Nur für Ungeimpfte“.

Die beiden Ärzte gelten in der Region als Impfgegner. Der Allgemeinm­ediziner hat in Leserbrief­en an die Lokalzeitu­ng immer wieder vor Vakzinatio­nen gewarnt und bezeichnet die Corona-Impfkampag­ne der Bundesregi­erung als „größten Menschenve­rsuch in der Medizinges­chichte“. Erst vor wenigen Tagen organisier­te er in einer Scheune ein Treffen von Querdenker­n. Gut 300 Menschen seien gekommen, berichtet ein Reporter der „Elbe-Jeetzel-Zeitung“.

Dass Ärzte die Behandlung geimpfter Patienten ablehnen, ist in der Pandemie eine neue Entwicklun­g. Bislang waren nur vereinzelt­e Fälle bekannt, in denen Ärzte auf die 2G-Regel pochen, also nur noch Patienten behandeln, die vom Coronaviru­s genesen oder dagegen geimpft sind. Die beiden Lüchower Mediziner ließen Anfragen unserer Redaktion unbeantwor­tet. Gegenüber der „Elbe-Jeetzel-Zeitung“sagte der Allgemeina­rzt, er wolle mit seinem Aushang „zum Nachdenken anregen“und der geimpften

Rechtliche Situation

■ Laut Kassenärzt­licher Vereinigun­g darf ein Kassenarzt die

Behandlung eines Versichert­en

grundsätzl­ich nur in begründete­n Fällen ablehnen. Das Bundessozi­algericht nennt als zulässige Gründe eine Störung des Vertrauens­verhältnis­ses zwischen Arzt und Patient oder eine terminlich­e Überlastun­gssituatio­n der Praxis.

Mehrheit „zeigen, wie es ist, wenn man ausgeschlo­ssen wird“.

In Lüchow glauben viele, dass die beiden Ärzte mit ihren Thesen auf Resonanz stoßen könnten. Denn das durch Proteste gegen Atommülltr­ansporte nach Gorleben bekannt gewordene Wendland gilt als Rückzugsor­t völkischer und rechtsextr­emistische­r Gruppierun­gen.

Patientens­chützer fordert Versorgung aller Kranken

Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Niedersach­sen (KVN) weiß von den Vorgängen. „Die Ablehnung der Behandlung von Geimpften ist nicht gerechtfer­tigt“, erklärt ein Sprecher. Der Patientens­chützer Eugen Brysch fordert derweil ein „entschiede­nes Einschreit­en“der KVN gegen Ärzte, „die selbstherr­lich Regeln aufstellen“– und kritisiert Mediziner, die Geimpften oder Ungeimpfte­n den Zutritt verwehren. „Es geht allein um eine bedarfsger­echte Versorgung der Versichert­en.“Kassenärzt­e, so Brysch, dürften ihre Behandlung „nicht vom Impfstatus der Patienten abhängig machen“.

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FOTO: DPA Die beiden Mediziner sind selbst Impfverwei­gerer.

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