Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
„Chaos-Koalition ohne Zukunftsidee“
CDU-Fraktionschef Mario Voigt sieht Mängel bei der Landesregierung, will aber trotzdem keine schnellen Neuwahlen
Jena. Die CDU-Landtagsfraktion trifft sich ab Dienstag zu ihrer Jahresklausur in Ettersburg. Vorab haben wir mit Fraktionschef Mario Voigt gesprochen.
In der Linken werden Stimmen laut, die Landtagswahl vom Herbst 2024 vorzuziehen. Wollen Sie das auch?
2023 wird aus unserer Sicht ein intensives Arbeitsjahr. Die Linke und Herr Ramelow reden lieber über Wahlkampf. Es wäre gut, wenn RotRot-Grün sich um die wirklichen Probleme der Thüringer wie Energiepreise, Inflation und Ärztemangel kümmern würde statt schon wieder theoretische Strategiedebatten zu führen und von den vorhandenen Problemen abzulenken.
Welche Probleme meinen Sie?
Die Ramelow-Regierung zerbröselt sichtbar. Umweltministerin Anja Siegesmund sucht lieber abseits von Rot-Rot-Grün ihr Glück. Dirk Adams wurde von den eigenen Leuten vom Hof gejagt. Man muss der Grünen-Spitze zu Gute halten, dass sie im Unterschied zu Herrn Ramelow erkannt hat, dass das Krisenmanagement in der Migrationspolitik der Regierung katastrophal gescheitert ist. Am Ende bleibt aber das Gesamtbild, dass dies eine Chaos-Koalition ohne Zukunftsidee für unsere Heimat ist.
Andere These: Die jüngsten Wahlumfragen haben Ihnen die Lust auf eine schnelle Neuwahl verdorben.
Im Gegenteil. Die Menschen wollen eine starke Partei, die Klartext redet, aber nicht an den Rändern agiert, sondern in der Mitte der Gesellschaft steht. Jeder zweite Thüringer will den politischen Wechsel. Nach aktuellen Umfragen liegen die drei Parteien CDU, Linke und AfD nahezu gleichauf, was eine schlechte Nachricht für Herrn Ramelow ist. Es hatte keinen Effekt, dass er seinen Hut in den Ring geworfen hat.
Bisherige Wahlumfragen zeigen, dass es wieder auf einen Patt hinausläuft.
Sie zeigen vor allem, dass Rot-RotGrün so unbeliebt ist wie nie zuvor. Und sie zeigen, dass die CDU eine realistische Chance hat, eine Regierung zu führen, wenn wir weiter hart an den realen Themen der Thüringer arbeiten. Wir werden weiter deutlich machen, dass wir die Kraft für die wichtigen Zukunftsaufgaben haben, um den Stillstand der Ramelow-Regierung zu überwinden.
Also schließen Sie eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch aus?
Ja, ganz klar. Herr Höcke ist ein Feind der Zukunft. Er kostet dem Land echten Wohlstand. Glaubt denn irgendjemand, dass nach Thüringen noch dringend benötigte Fachkräfte wie Lehrer, Ärzte, Pflegepersonal oder Ingenieure kommen, wenn Herr Höcke und die AfD hier regieren? Ich habe verstanden, dass es viel echte Frustration und Wut und auch Angst vor der Zukunft gibt. Thüringen braucht deswegen eine vernünftige Alternative zu Rot-Rot-Grün.
Welche Themen sind Ihnen 2023 besonders wichtig.
Die Energiepreise und die Inflation treiben tiefe Sorgenfalten in die Gesichter von Bürgern und Unternehmern. Viele ältere Menschen haben Angst vor ihrer Alterssicherung. Für uns braucht es eine kluge Energieund Wirtschaftspolitik, damit Preise sinken und die Menschen etwas durchatmen können. Außerdem
steht für uns die soziale Sicherheit im Mittelpunkt.
Zur Energiepolitik: Welchen Einfluss hat eine Landesregierung auf Energiekosten, die aufgrund externer Faktoren in die Höhe schnellen?
Die Landesregierung muss vor allem sicherstellen, dass die Gelder des Thüringer Hilfspaketes, das der Landtag auf CDU-Initiative hin beschlossen hatte, bei den Thüringern ankommt. Bei den Entlastungsmaßnahmen für viele Bereiche wie Krankenhäuser, Stadtwerke oder Vereine fehlt es immer noch an Richtlinien. Diese muss die Landesregierung endlich auflegen. Und dort, wo bestehende Hilfen nicht oder kaum in Anspruch genommen werden, kann die Regierung das nicht einfach hinnehmen, sondern muss prüfen, ob die Hilfsprogramme falsch konstruiert sind und Nachbesserungen erfolgen müssen.
Warum sehen Sie die soziale Sicherheit gefährdet.
Aus mehreren Gründen. Verhältnisse wie in Berlin-Neukölln möchte ich in Thüringen nicht haben. In Berlin kann man gut sehen, wohin links-grüne Politik bei Sicherheit, Migration und Justiz führt. Es braucht Respekt vor unseren Einsatzund Rettungskräften. Wer sich nicht an unsere Regeln hält, der muss die Konsequenzen zu spüren bekommen und hart bestraft werden. Wenn es überwiegend junge Männer mit Migrationshintergrund betrifft, muss das gesagt werden. Es geht zudem um die Frage der Prioritätensetzung. Wir brauchen keine Investitionen in den Schutz der Mopsfledermäuse oder Förderung für Lastenfahrräder, sondern mehr Ärzte und Pfleger, Polizisten und Lehrer. Manche Grundschulen haben gerade noch drei Pädagogen.
Bildungsminister Helmut Holter schlägt vor, mehr auf digitales Lernen zu setzen.
Das hat er schon zu Corona-Zeiten nicht hinbekommen. Und digitales
Lernen ist kein adäquater Ersatz. Wir sind dagegen, dass die Ramelow-Regierung die Grundschulen angreift und nur noch große Schulen will. Das ist ein Schließungsprogramm für ländliche Schulen. Kurze Beine, kurze Wege muss weiter gelten. Wir werden als CDU eine Grundschulgarantie aussprechen. Das ist eine Kernfrage für einen zukunftsfähigen ländlichen Raum.
Sorgen bereitet der Bevölkerung dort das Thema Gesundheit. Wie wollen Sie die Versorgung sicherstellen?
Der Bedarf an medizinischer Versorgung wächst. Wir fordern die Umsetzung der durch den Landtag beschlossenen Landarztquote ein. Sie wird seit über zwei Jahren verzögert. Mehr Ausbildung von Hausärzten, Apothekern und Zahnärzten ist nötig. Aus unserer Sicht müssen wir sektorenübergreifend denken im Dreiklang zwischen Hausärzten, Fachärzten und Kliniken. Eine Demonstration von 400 Ärzten in Erfurt gegen die Regierung hat kürzlich doch gezeigt, wie enorm der Handlungsdruck ist.
Heißt das, dass alle heutigen Krankenhäuser erhalten bleiben sollten?
Wir müssen spezialisierte Facheinrichtungen stärken und in der Fläche die Grundversorgung sicherstellen. Keiner sollte länger als 20 Minuten bis zum nächsten Arzt oder zur Apotheke brauchen.
Das steht doch nicht im Widerspruch zur Linie von Gesundheitsministerin Heike Werner, die dank der im Bund angekündigten, veränderten Krankenhausfinanzierung keine Kliniken schließen will.
Sie schiebt die Krankenhausplanung schon viel zu lange auf. Die medizinische Versorgungslandschaft muss sich der Gesellschaft anpassen. Wir brauchen beispielsweise neue geriatrische Kliniken. Aber über allem steht die zentrale Frage: Wie kommen wir an genügend Fachpersonal? Fatal ist, dass die Ministerin das offensichtlich nicht als Thema begriffen hat.
Woran machen Sie das fest?
In manchen Landkreisen sind drei Viertel der Ärzte älter als 58 Jahre, so dass absehbar akuter Mangel droht. Ein ausländischer Arzt braucht in Thüringen anderthalb Jahre für seine Anerkennung. In Hessen dauert das acht Wochen. Rot-Rot-Grün redet nur, aber liefert nicht. Wir können uns keine Landesregierung leisten, die sich durch Stillstand auf ein Wahljahr einstellt.