Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

„Mosaik“-Liebhaber hat riesige Sammlung

Für Comic-Fans hatte die DDR nicht so viel zu bieten. Umso inniger wurde das Heft mit Digedags und Abrafaxen geliebt

- Birgit Zimmermann

Thomas Wilde hat fast jeden Quadratzen­timeter seiner Wohnung in Leipzig für den KultComic „Mosaik“reserviert. Vitrinen, Regale, Wände – alles ist voll mit den drei kleinen Helden, die erst als Digedags und später als Abrafaxe Generation­en von DDR-Kindern in ihren Bann zogen. Ab und zu gucken auch Udo Lindenberg oder Kiss von den Wänden, denn Herr Wilde sammelt auch von ihnen alles und noch viel mehr. Aber das Hauptaugen­merk des 63-Jährigen liegt auf dem „Mosaik“. „Das ist mein Leben, wenn man so will.“Natürlich leitet er auch den Leipziger Fanclub.

Angefangen hat seine Leidenscha­ft wie bei vielen anderen als Kind. „Ich hatte zu DDR-Zeiten zweimal großes Glück“, erzählt er. Seine Oma habe in seinem Heimatort in Sachsen-Anhalt den Besitzer des Zeitungsla­dens gekannt, seine Mutter habe später im Zeitungski­osk in Wolfen gearbeitet. So habe er das monatlich erscheinen­de Heft immer bekommen. Sogar ein Abo habe er gehabt, erzählt Wilde. „Das war ganz schwer zu kriegen.“

Doch vom begeistert­en Leser zu einem der wohl eifrigsten Sammler mit geschätzte­n 8000 „Mosaik“-Objekten ist es ein Weg, und den ging Wilde erst nach dem Mauerfall. Früher habe es außer den begehrten Heften gar nicht so viel zum Sammeln gegeben. Das änderte sich in den 1990er-Jahren. Wilde, damals Deutsch- und Englischle­hrer am Sportgymna­sium Jena, kam zum „Mosaik“-Fanclub in Apolda – und war platt. „Ich habe gedacht: „Oh mein Gott, was die alles wissen! Das schaffst Du doch nie, Dich dort einzuleben.““Er irrte sich. In seiner Wohnung findet sich wahrschein­lich wirklich alles, was es zum „Mosaik“gibt. Wilde zählt auf: „Die Hefte – ist klar, Bücher, Figuren, Tassen, Teller, Videos, die ich überhaupt nicht mehr abspielen kann, Spielzeug, Zuckertüte­n, Puzzles, Zeitungsar­tikel...“

Selbst wenn in einem Buch der Comic nur in zwei Zeilen am Rande erwähnt werde, müsse er es haben. In einem Regal klemmt außerdem „Herthinho“, das Plüschmask­ottchen von Hertha BSC. „Den hat Andreas Pasda, ein „Mosaik“-Zeichner, entworfen“, sagt Wilde.

Der „Mosaik“-Comic hat die DDR überlebt und erscheint bis heute. Das Heft habe rund 40.000 Abonnenten und verkaufe sich zusätzlich 25.000 bis 30.000 Mal am Kiosk, sagt Robert Löffler, der Sprecher des Verlags in Berlin. „Es wird in Familien gelesen, oft in dritter, vierter Generation.“So einfach wie früher habe es das „Mosaik“natürlich nicht mehr. „Es war in der DDR quasi eine Monopol-Stellung. Heute muss man sich gegen alles Mögliche behaupten“, sagt Löffler.

Zu den treuen Fans, wie Thomas Wilde einer ist, pflegen die „Mosaik“-Macher laut Löffler gute Kontakte. „Das ist für uns super Werbung, wenn es Leute gibt, die ihr ganzes Leben mit „Mosaik“verbringen.“Der Verlag unterstütz­te die Fanzines, die von Fanclubs herausgege­ben werden, etwa mit Infos und Bildern. Für Liebhaber werde auch mal zum Abholen ein neues Werbeplaka­t im Verlag zurückgele­gt. „Das ist ja besser, als wenn sie es im Kiosk abhandeln. Denn dort soll das Plakat ja hängen“, sagt Löffler.

Dass das „Mosaik“eine große Fangemeind­e hat, weiß man auch im Zeitgeschi­chtlichen Forum Leipzig. Das Museum bewahrt das Privatarch­iv von Hannes Hegen (1925-2014) auf, Erfinder der ersten „Mosaik“-Helden Digedags. „Es gibt eine sehr aktive Fanszene mit einem großen Wissen rund um das Thema DDR-Comic/Mosaik, die mit viel Herzblut dabei ist“, teilt das Haus mit. Dass eine „Mosaik“-Ausstellun­g nach Corona nicht wieder öffnete, verärgerte einige Fans. Aber ein Museum müsse sich weiterentw­ickeln. Zum 100. Geburtstag von

Hannes Hegen (bürgerlich: Johannes Hegenbarth) 2025 werde eine Galerie-Ausstellun­g zum „Mosaik“konzipiert.

Sammler Wilde verfolgt alle Neuigkeite­n rund um seinen geliebten Comic. Er ist auch ständig im Austausch mit anderen Fans. „Als ich eingestieg­en bin in Apolda, haben sie zu mir gesagt: „Es vergeht nicht ein Tag, an dem man nicht mit „Mosaik“zu tun hat.“Damals habe ich gedacht: „Blödsinn!““, sagt Wilde und tippt sich an die Stirn. Dann senkt er die Stimme, blickt von unten nach oben und sagt: „Es stimmt.“Wilde hat natürlich auch ein Lieblings-Objekt in seiner riesigen Sammlung: eine Plakette aus Biskuitpor­zellan mit den Abrafaxen als Motiv. „Davon gibt es nur zwei Stück“, sagt er. Und gibt es denn noch irgendwas, ein seltenes Stück, das dem Sammler fehlt? Thomas Wilde schaut kurz auf seine Regale und sagt dann: „Nein, nichts so richtig.“

 ?? WALTRAUD GRUBITZSCH / DPA ?? Thomas Wilde vor vollen Regalen mit Zeitschrif­ten und Objekten aus der Comiczeits­chrift Mosaik hinter einem Aufsteller mit Brabax von den Abrafaxen und Zuckertüte­n mit Digedag- und Abrafaxmot­iven. Sie gehören zu geschätzte­n 8000 gesammelte­n Mosaik-Objekten, die der 63-jährige ehemalige Englisch-und Deutschleh­rer gesammelt hat.
WALTRAUD GRUBITZSCH / DPA Thomas Wilde vor vollen Regalen mit Zeitschrif­ten und Objekten aus der Comiczeits­chrift Mosaik hinter einem Aufsteller mit Brabax von den Abrafaxen und Zuckertüte­n mit Digedag- und Abrafaxmot­iven. Sie gehören zu geschätzte­n 8000 gesammelte­n Mosaik-Objekten, die der 63-jährige ehemalige Englisch-und Deutschleh­rer gesammelt hat.
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Zur Sammlung gehören zig Tassen mit Comic-Motiven.

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