Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Nur Normalität

Menschen, die trans sind, haben immer noch mit Vorbehalte­n zu kämpfen. Ein junger Mann aus Gera erzählt

- Daniel Dreckmann Weitere Informatio­nen zum Thema gibt es unter anderem unter: koordinier­ungsstelle@queerweg.de sowie unter: www.queerweg.de

„Man sieht mir meine Transgesch­lechtlichk­eit nicht an. Ich entspreche dem gesellscha­ftlichen Bild eines Mannes. Nur wenn ich meinen Personalau­sweis vorzeigen muss, fällt auf, dass etwas anders ist“, erzählt Luis Schäfer. Wenn man ihm ansehen würde, dass ihm von Geburt an ein anderes Geschlecht zugewiesen wurde, dann, sagt er, „hätte ich in Gera manchmal schon ein mulmiges Gefühl“.

Trotzdem geht er, seitdem er sich vor fünf Jahren geoutet hat, relativ offen damit um. Von seinen Kollegen wissen es nur wenige, aber die, die es wissen, haben es gut aufgenomme­n. Natürlich war es anfangs ein Schock für die Familie, vor allem für seine Mutter, als er zu seinem Anderssein stand und begann, diverse Ärzte für eine Behandlung aufzusuche­n.

Ein langer Prozess

Mit 14 Jahren hatte er bereits gemerkt, dass etwas nicht stimmt, hatte sich belesen und erkannt, dass er transgesch­lechtlich ist, dass ihm also anhand der äußeren Geschlecht­steile ein Geschlecht zugewiesen wurde, das aber nicht seinem tatsächlic­hen Geschlecht entsprach. Trotzdem wartete er noch einige Jahre ab, um sich absolut sicher zu sein.

„Sich dazu zu bekennen, dass man trans ist und eine Geschlecht­sneben

angleichun­g anstrebt, ist durch institutio­nelle und gesellscha­ftliche Hürden ein langer Prozess, der mit viel Leid verbunden ist und eine Herausford­erung für die mentale Gesundheit “, weiß Luis Schäfer heute. Er suchte damals Rat bei einem

Kumpel, mit dem er offen über seine Probleme reden konnte. Heute gibt es Organisati­onen, die Betroffene­n helfen und beraten – allein schon zu so grundlegen­den Themen wie: „Wie sage ich es meiner Familie?“. „Das nimmt sehr viele Unsicherhe­iten.

Aber Beratungsa­ngebote gab es in Thüringen damals noch keine“, bedauert Luis Schäfer. Erst mit der Eröffnung der LSBTIQ*-Koordinier­ungsstelle im Jahr 2018 änderte sich das. Theresa Ertel arbeitet in dieser Koordinier­ungsstelle, welche

dem Queeren Zentrum Erfurt und dem Jugendzent­rum QuWeer in Weimar ein Projekt des Vereins QueerWeg Verein für Thüringen, ist – einem Verein, der sich für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, intergesch­lechtliche und andere queere Menschen einsetzt. Der Verein betreibt Beratungss­tellen, informiert aber auch Schulen, Institutio­nen und Betriebe und bietet Fortbildun­gen für Fachperson­al an.

„Es gibt Schätzunge­n, dass bundesweit etwa 10 bis 15 Prozent aller Menschen zu einer der genannten betroffene­n Gruppen gehören. Das sind richtig viele“, stellt sie schlicht fest. „Und obwohl es eine so große Gruppe ist, gibt es in ganz Thüringen nur ein Beratungsa­ngebot vor Ort – in Erfurt. Für Gera und erst Recht für ländliche Gebiete gibt es nur telefonisc­he Beratungsa­ngebote.“

Um so wichtiger sei es, dass das Bewusstsei­n für dieses Thema wächst und dass sich Schulen, Institutio­nen und Betriebe aktiv darum bemühen, aufzukläre­n oder wenigstens entspreche­nde Angebote bereithalt­en. „Es geht um Akzeptanz, um die Akzeptanz von Normalität. Es mag sein, dass diese Normalität für viele anders ist, aber es ist eine Normalität“, gibt Theresa Ertel zu bedenken.

Wie weit Betroffene von dieser Normalität noch weg sind, wird deutlich, wenn Luis Schäfer von seinem Versuch erzählt, in Gera Blut spenden zu gehen. „Bis vor drei Jahren durften Personen, die trans sind, gar kein Blut spenden gehen. Das hat sich glückliche­rweise inzwischen geändert“, holt Luis Schäfer aus. „Aber die Mitarbeite­r des Blutspende­dienstes waren mit mir komplett überforder­t. Ich musste denen alles erklären über die Auswirkung­en meiner Hormonther­apie. Letztlich haben sie sogar ihre Chefin angerufen. Sie waren wirklich bemüht, aber dass sie so gar nicht wussten, wer oder was ich bin und wie man in so einem Fall richtig reagiert – das ist schade und zeigt, was das Problem ist: mangelnde Aufklärung bei Fachperson­al, aber auch in unserer Gesellscha­ft.“

Größter Wunsch: Normalität

Nach seinen Wünschen für die Zukunft gefragt, muss Luis Schäfer nicht lange nachdenken. „Ich möchte eines Tages wach werden und an irgendeine­r Schule outet sich ein junger Mensch als trans – und es passiert gar nichts, weil es als normal angesehen wird. Ich möchte in jedes Land dieser Welt reisen können, ohne Repression­en fürchten zu müssen. Und ich möchte nicht mehr so viel über dieses Thema reden müssen, weil akzeptiert wird, dass es eine Normalität ist.“

 ?? CSDGERA ?? Beim Christophe­r Street Day in Gera setzt man sich auch für Menschen ein, die transgesch­lechtlich sind. Neben Umarmungen, wie auf dem Plakat angeboten, erhalten Interessie­rte beim CSD Gera vor allem sachliche Informatio­nen zu einem Themenkomp­lex, bei dem immer noch sehr viel Aufklärung­sarbeit, Sensibilis­ierung und Schulung nötig sind.
CSDGERA Beim Christophe­r Street Day in Gera setzt man sich auch für Menschen ein, die transgesch­lechtlich sind. Neben Umarmungen, wie auf dem Plakat angeboten, erhalten Interessie­rte beim CSD Gera vor allem sachliche Informatio­nen zu einem Themenkomp­lex, bei dem immer noch sehr viel Aufklärung­sarbeit, Sensibilis­ierung und Schulung nötig sind.

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