Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Für jeden Verein einen Pullover
Wie sich Lutz Lindemann auf die Moderation des Geraer Fußball-Oldie-Hallenturniers vorbereitet und warum es ihn nicht überrascht, dass er beim Fernsehen gelandet ist
Gera. An diesem Freitag wird er sich mit Christian Müller in der Panndorfhalle die Bälle zuspielen – verbal versteht sich. Die Geraer konnten den 73-Jährigen für die Moderation des Oldie-Turniers gewinnen.
„Das mach‘ ich gern. Ich freue mich auf das Turnier und einige Gesichter, die ich länger nicht gesehen habe.“Für die Zuschauer sei das eine Zeitreise, und Spieler von St. Pauli oder Kaiserslautern, „die haben wir früher nur in der Sportschau gesehen“. Lutz Lindemann, DDR-Nationalspieler, für den FC Rot-Weiß Erfurt und den FC Carl Zeiss Jena am Ball, ist inzwischen auch ein Fernseh-Gesicht, geht als Kommentator und Experte beim MDR im „Sport im Osten“in die vierte Saison. „Das macht mir richtig Spaß“, sagt er und schmunzelt, „auch, oder besser erst recht im reifen Alter, da brauchst du Aufgaben, da musst du dich fordern, auch im Kopf fit bleiben.“
Dass er beim Fernsehen gelandet ist, ihn wundert das nicht und erzählt eine Episode aus seiner Schulzeit. „Wir sollten unser Vorbild benennen und eine Begründung liefern.“Die Mitspieler schrieben über ihre Väter. „Nur ich nicht. Mein Vorbild war Kurt Liebrecht, Mittelfeldspieler bei Lok Stendal. Ich fand den klasse.“Der Klassenlehrer, von Haus aus Musiklehrer, fand es ganz und gar nicht klasse. Fünf. Setzen. Thema verfehlt. Doch die Mitschüler und einige Lehrer kamen dem 13-Jährigen bitter Enttäuschten zu Hilfe, erzählten dem Klassenlehrer, dass sich der Lutz doch für Fußball interessiert, selbst spielt.
Der Pauker hatte ein Einsehen und „gab mir den Auftrag ein Fußballspiel zu kommentieren. Aus dem Stegreif habe ich das WM-Finale von 1962 zwischen Brasilien und der Tschechoslowakei wie es ein Radioreporter machen würde rausgehauen.“Beifall ringsum und Note eins.
Lindemann gibt 2017 sein Debüt als TV-Experte
Rund 50 Jahre später steht er vor einem richtigen Mikro, bespricht im „Sport im Osten“die Spiele der 3. Liga und der Regionalliga. 2017 war es, da hatte ihn der Sender gebeten, das Testspiel Jena gegen Zwickau als TV-Experte zu begleiten, daraus wurde mehr. „Hab‘ mich wohl nicht so dumm angestellt.“Lutz Lindemann ist auf dem Laufenden, bestens vernetzt und informiert, telefoniert, bevor er auf Sendung geht, mit den Sportlichen Leitern der Vereine. „Das habe ich mir erarbeitet und geht nur, weil ich vertrauliche Sachen auch vertraulich behandele.“Dass er einst ein Klassefußballer war, der beste Langpassspieler seiner Zeit, im Europapokal kickte, im Nationaltrikot auflief, das hätten die Leute vergessen. Lange her und verblasst. Das sei normal, doch inzwischen kennt man den TV-Experten Lutz Lindemann. „Meine Frau geht mit mit gar nicht so gern durch Erfurt“, sagt er und lacht. „Ich werde erkannt, angesprochen, bekomme einiges an Lob, weil die Leute sagen: Du sprichst über den Fußball, wie wir ihn kennen, wie wir ihn verstehen.“Bei ihm gebe es den verdeckten Pass, den Doppelpass, keinen Boxto-Box-Player. „Haben die Jungs schon ein Bierchen beim Fußball gucken drin, fragen sie sich: Warum die Spieler Botox gespritzt haben“, sagt er und grient.
Lindemann drückt allen Ostvereinen die Daumen
Auch vor der Kamera ist er unverstellt, die Leute bekommen Lutz Lindemann auf den Schirm, er analysiert, kritisiert in der Sache, muss da auch Kritik einstecken. „Du machst es nie allen recht. Das ist auch nicht mein Anspruch.“Doch eins sei er gewiss. „Bei aller Objektivität und berechtigter Kritik am Ostfußball, an den Traditionsclubs, die früher international gespielt haben und nun in der Regionalliga festhängen: Ich halte zu den Ostvereinen.“
Auch optisch tut er es. Bei der Wahl seiner Pullover, die er im Leipziger Studio trägt. René Kindermann, mit dem er gern Dienst hat, würde schon immer mal lästern, ob seiner Farbwahl. Heute mal in Rot? Für wen bist du denn? Lutz Lindemann nimmt es gelassen, freut sich schon auf den nächsten Fernsehauftritt. Dienstag erfährt er, was anliegt, setzt sich am Sonnabend in die Bahn in Richtung Leipzig. Letztens habe der Zugbegleiter sein Ticket kontrolliert und gemeint. „Gut, dass ich sie treffe. Ich wollte mich schon immer mal mit ihnen unterhalten.“Tat er, ihm gegenübersitzend bis Leipzig. Freie Fahrt für Schwarzfahrer auf dieser Fahrt.
Am Freitag geht die Reise nach Gera zum Oldie-Turnier. Egal, wer am Ende gewinnt, sagt er. Sieger sind sie alle, lassen den Fußball aufleben.