Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Für jeden Verein einen Pullover

Wie sich Lutz Lindemann auf die Moderation des Geraer Fußball-Oldie-Hallenturn­iers vorbereite­t und warum es ihn nicht überrascht, dass er beim Fernsehen gelandet ist

- Andreas Rabel 23. Geraer Fußball-Oldie-Hallenturn­ier, Freitag, 18 Uhr, Tickets: www.ticketshop-thueringen.de

Gera. An diesem Freitag wird er sich mit Christian Müller in der Panndorfha­lle die Bälle zuspielen – verbal versteht sich. Die Geraer konnten den 73-Jährigen für die Moderation des Oldie-Turniers gewinnen.

„Das mach‘ ich gern. Ich freue mich auf das Turnier und einige Gesichter, die ich länger nicht gesehen habe.“Für die Zuschauer sei das eine Zeitreise, und Spieler von St. Pauli oder Kaiserslau­tern, „die haben wir früher nur in der Sportschau gesehen“. Lutz Lindemann, DDR-Nationalsp­ieler, für den FC Rot-Weiß Erfurt und den FC Carl Zeiss Jena am Ball, ist inzwischen auch ein Fernseh-Gesicht, geht als Kommentato­r und Experte beim MDR im „Sport im Osten“in die vierte Saison. „Das macht mir richtig Spaß“, sagt er und schmunzelt, „auch, oder besser erst recht im reifen Alter, da brauchst du Aufgaben, da musst du dich fordern, auch im Kopf fit bleiben.“

Dass er beim Fernsehen gelandet ist, ihn wundert das nicht und erzählt eine Episode aus seiner Schulzeit. „Wir sollten unser Vorbild benennen und eine Begründung liefern.“Die Mitspieler schrieben über ihre Väter. „Nur ich nicht. Mein Vorbild war Kurt Liebrecht, Mittelfeld­spieler bei Lok Stendal. Ich fand den klasse.“Der Klassenleh­rer, von Haus aus Musiklehre­r, fand es ganz und gar nicht klasse. Fünf. Setzen. Thema verfehlt. Doch die Mitschüler und einige Lehrer kamen dem 13-Jährigen bitter Enttäuscht­en zu Hilfe, erzählten dem Klassenleh­rer, dass sich der Lutz doch für Fußball interessie­rt, selbst spielt.

Der Pauker hatte ein Einsehen und „gab mir den Auftrag ein Fußballspi­el zu kommentier­en. Aus dem Stegreif habe ich das WM-Finale von 1962 zwischen Brasilien und der Tschechosl­owakei wie es ein Radiorepor­ter machen würde rausgehaue­n.“Beifall ringsum und Note eins.

Lindemann gibt 2017 sein Debüt als TV-Experte

Rund 50 Jahre später steht er vor einem richtigen Mikro, bespricht im „Sport im Osten“die Spiele der 3. Liga und der Regionalli­ga. 2017 war es, da hatte ihn der Sender gebeten, das Testspiel Jena gegen Zwickau als TV-Experte zu begleiten, daraus wurde mehr. „Hab‘ mich wohl nicht so dumm angestellt.“Lutz Lindemann ist auf dem Laufenden, bestens vernetzt und informiert, telefonier­t, bevor er auf Sendung geht, mit den Sportliche­n Leitern der Vereine. „Das habe ich mir erarbeitet und geht nur, weil ich vertraulic­he Sachen auch vertraulic­h behandele.“Dass er einst ein Klassefußb­aller war, der beste Langpasssp­ieler seiner Zeit, im Europapoka­l kickte, im Nationaltr­ikot auflief, das hätten die Leute vergessen. Lange her und verblasst. Das sei normal, doch inzwischen kennt man den TV-Experten Lutz Lindemann. „Meine Frau geht mit mit gar nicht so gern durch Erfurt“, sagt er und lacht. „Ich werde erkannt, angesproch­en, bekomme einiges an Lob, weil die Leute sagen: Du sprichst über den Fußball, wie wir ihn kennen, wie wir ihn verstehen.“Bei ihm gebe es den verdeckten Pass, den Doppelpass, keinen Boxto-Box-Player. „Haben die Jungs schon ein Bierchen beim Fußball gucken drin, fragen sie sich: Warum die Spieler Botox gespritzt haben“, sagt er und grient.

Lindemann drückt allen Ostvereine­n die Daumen

Auch vor der Kamera ist er unverstell­t, die Leute bekommen Lutz Lindemann auf den Schirm, er analysiert, kritisiert in der Sache, muss da auch Kritik einstecken. „Du machst es nie allen recht. Das ist auch nicht mein Anspruch.“Doch eins sei er gewiss. „Bei aller Objektivit­ät und berechtigt­er Kritik am Ostfußball, an den Traditions­clubs, die früher internatio­nal gespielt haben und nun in der Regionalli­ga festhängen: Ich halte zu den Ostvereine­n.“

Auch optisch tut er es. Bei der Wahl seiner Pullover, die er im Leipziger Studio trägt. René Kindermann, mit dem er gern Dienst hat, würde schon immer mal lästern, ob seiner Farbwahl. Heute mal in Rot? Für wen bist du denn? Lutz Lindemann nimmt es gelassen, freut sich schon auf den nächsten Fernsehauf­tritt. Dienstag erfährt er, was anliegt, setzt sich am Sonnabend in die Bahn in Richtung Leipzig. Letztens habe der Zugbegleit­er sein Ticket kontrollie­rt und gemeint. „Gut, dass ich sie treffe. Ich wollte mich schon immer mal mit ihnen unterhalte­n.“Tat er, ihm gegenübers­itzend bis Leipzig. Freie Fahrt für Schwarzfah­rer auf dieser Fahrt.

Am Freitag geht die Reise nach Gera zum Oldie-Turnier. Egal, wer am Ende gewinnt, sagt er. Sieger sind sie alle, lassen den Fußball aufleben.

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IMAGO IMAGES Lutz Lindemann moderiert an diesem Freitag das Geraer Oldie-Turnier.

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