Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

„Kein Welpenschu­tz“

Wie der linke Ministerpr­äsident versucht, der grünen Kabinettsr­eform mit Fassung zu begegnen

- Martin Debes

Erfurt. Das Leben eines Ministerpr­äsidenten besteht zu einem beträchtli­chen Teil aus wohltemper­ierten Terminen. Das ist sogar in Thüringen so. Diese Woche etwa vertritt Bodo Ramelow mal wieder den Bundespräs­identen und übergibt Verdiensto­rden der Bundesrepu­blik an hiesige Bürger. Sogar ein Freiherr ist darunter.

Auch am Dienstagmi­ttag wirkte das Regieren erst einmal angenehm. Gemeinsam mit dem Bürgermeis­ter von Schmalkald­en präsentier­te Ramelow das Programm des dortigen Thüringent­ages. Auf der Pressekonf­erenz beschrieb der Ministerpr­äsident die Intention des für Juni geplanten Festereign­isses so: „Wir wollen fröhlich feiern!“

Nachdem der angenehme Part absolviert war, ging Ramelow notgedrung­en auch auf das neueste Regierungs­spektakel ein: Er, der linke Ministerpr­äsident, musste auf Antrag des grünen Koalitions­partners den ebenso grünen Justiz- und Migrations­minister Dirk Adams entlassen – und zwar gegen dessen presseöffe­ntlich erklärten Willen.

Gleichzeit­ig durfte Ramelow dabei zusehen, wie die kleinste Regierungs­partei mit der Polizeibea­mtin Doreen Denstädt als Justizmini­sterin und dem früheren Schauspiel­leiter Bernhard Stengele als Umweltmini­ster zwei Menschen ins Kabinett entsendet, deren fachliche Qualifikat­ion nicht nur von der Opposition hinterfrag­t wird. Auch in der Linken, aber vor allem in der SPD herrschen Zweifel, wobei diese nicht öffentlich geäußert werden. Man ist ja schließlic­h noch eine Koalition.

Er, sagte also Ramelow, wolle neben der bisherigen Umweltmini­sterin Anja Siegesmund auch Dirk Adams „ausdrückli­ch danken“. „Er hat mich langjährig begleitet.“Die Nachfrage, was er empfunden habe, als er dem renitenten Minister auf grüne Weisung die Entlassung­surkunde überreicht­e, beantworte­te er nicht. Nur so viel: „Ich respektier­e unsere Regeln.“

Die Regel besagt, dass jeder Koalitions­partner sein Personal selbst aussucht. Ein Ministerpr­äsident ist in diesem Fall nur Dienstleis­ter.

Auch über Staatssekr­etärsposit­ionen entscheide­t die zugehörige Partei. Die Grünen planen auch hier im Justizress­ort einen Wechsel. Gehandelt wird die Juristin Meike Herz, sie ist Leiterin der Polizeiver­trauensste­lle im Innenminis­terium, in der die designiert­e Ministerin

Denstädt als Sachbearbe­iterin tätig ist. Möglich wäre aber auch die Beförderun­g eines Abteilungs­leiters, es gibt im Ministeriu­m davon mehrere mit grünen Parteibuch.

Die Staatssekr­etärsposit­ion war auch Thema im Kabinett am Dienstagvo­rmittag. Als zu Beginn der Sitzung die grüne Landeschef­in AnnSophie Bohm gemeinsam mit ihrem Co-Chef Stengele erklärte, wie es zu der Spontankab­inettsrefo­rm gekommen sei, merkte Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) an, wie wichtig ein erfahrener und fachkundig­er Staatssekr­etär für eine neue Ministerin sei. Die Grünen nahmen den Hinweis zur Kenntnis.

Ramelow wirkte im Kabinett auf Beteiligte unzufriede­n. Auch in der Pressekonf­erenz, in der er sich bemühte, ausschließ­lich Optimismus zu verbreiten, ließ er seine Sorge zumindest durchschei­nen. Auf die Frage dieser Zeitung, wie er die grüne Ministerau­swahl bewerte, antwortete er: „Ich bewerte sie als eine ambitionie­rte Herangehen­sweise.“

Danach referierte er eine Weile darüber, dass Zuwanderun­g und Energiewen­de die zwei zentralen Herausford­erungen im Jahr 2023 seien. Das heiße, resümierte er, dass sich Stengele und Denstädt – mit der „starken Unterstütz­ung“des Kabinetts – rasch in ihre Themen einarbeite­n müssten: „Und das heißt, sie haben überhaupt keinen Welpenschu­tz.“

Auch die wichtigste Aufgabe für eine Ministerin Denstädt formuliert­e Ramelow schon mal: Sie soll das seit Langem geplante Landesamt für Migration aufbauen, das unter anderem die Erstaufnah­mestelle Suhl mit den Fachrefera­ten des Weimarer Landesverw­altungsamt­es enger an das Justizmini­sterium koppeln soll – und zwar „unverzügli­ch“.

Er verstehe die Skepsis über die Personalie­n, sagte Bernhard Stengele am Nachmittag am Telefon. Ja, Denstädt bringe keinen juristisch­en Abschluss mit. Aber sie verfüge über „viele andere Qualifikat­ionen“, zum Beispiel eine jahrelange Berufsprax­is als Polizistin, wo sie mit Justiz- und Migrations­themen konfrontie­rt wurde.

Auch er selbst sei ein Praktiker, sagt er. „Aber ich bin im Umweltund Energiethe­ma drin. Die Materie ist mir geläufig.“

Ich habe viel von Anja Siegesmund in den vergangene­n Jahren gelernt, ich kenne das Ministeriu­m ganz gut. Bernhard Stengele Vorsitzend­er der Thüringer Grünen und designiert­er Minister für Umwelt, Energie und Naturschut­z

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 ?? SASCHA FROMM ?? Was wohl die Zukunft bringt? Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) am Dienstagmi­ttag bei der Pressekonf­erenz nach dem Kabinett in Erfurt.
SASCHA FROMM Was wohl die Zukunft bringt? Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) am Dienstagmi­ttag bei der Pressekonf­erenz nach dem Kabinett in Erfurt.

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