Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
„Kein Welpenschutz“
Wie der linke Ministerpräsident versucht, der grünen Kabinettsreform mit Fassung zu begegnen
Erfurt. Das Leben eines Ministerpräsidenten besteht zu einem beträchtlichen Teil aus wohltemperierten Terminen. Das ist sogar in Thüringen so. Diese Woche etwa vertritt Bodo Ramelow mal wieder den Bundespräsidenten und übergibt Verdienstorden der Bundesrepublik an hiesige Bürger. Sogar ein Freiherr ist darunter.
Auch am Dienstagmittag wirkte das Regieren erst einmal angenehm. Gemeinsam mit dem Bürgermeister von Schmalkalden präsentierte Ramelow das Programm des dortigen Thüringentages. Auf der Pressekonferenz beschrieb der Ministerpräsident die Intention des für Juni geplanten Festereignisses so: „Wir wollen fröhlich feiern!“
Nachdem der angenehme Part absolviert war, ging Ramelow notgedrungen auch auf das neueste Regierungsspektakel ein: Er, der linke Ministerpräsident, musste auf Antrag des grünen Koalitionspartners den ebenso grünen Justiz- und Migrationsminister Dirk Adams entlassen – und zwar gegen dessen presseöffentlich erklärten Willen.
Gleichzeitig durfte Ramelow dabei zusehen, wie die kleinste Regierungspartei mit der Polizeibeamtin Doreen Denstädt als Justizministerin und dem früheren Schauspielleiter Bernhard Stengele als Umweltminister zwei Menschen ins Kabinett entsendet, deren fachliche Qualifikation nicht nur von der Opposition hinterfragt wird. Auch in der Linken, aber vor allem in der SPD herrschen Zweifel, wobei diese nicht öffentlich geäußert werden. Man ist ja schließlich noch eine Koalition.
Er, sagte also Ramelow, wolle neben der bisherigen Umweltministerin Anja Siegesmund auch Dirk Adams „ausdrücklich danken“. „Er hat mich langjährig begleitet.“Die Nachfrage, was er empfunden habe, als er dem renitenten Minister auf grüne Weisung die Entlassungsurkunde überreichte, beantwortete er nicht. Nur so viel: „Ich respektiere unsere Regeln.“
Die Regel besagt, dass jeder Koalitionspartner sein Personal selbst aussucht. Ein Ministerpräsident ist in diesem Fall nur Dienstleister.
Auch über Staatssekretärspositionen entscheidet die zugehörige Partei. Die Grünen planen auch hier im Justizressort einen Wechsel. Gehandelt wird die Juristin Meike Herz, sie ist Leiterin der Polizeivertrauensstelle im Innenministerium, in der die designierte Ministerin
Denstädt als Sachbearbeiterin tätig ist. Möglich wäre aber auch die Beförderung eines Abteilungsleiters, es gibt im Ministerium davon mehrere mit grünen Parteibuch.
Die Staatssekretärsposition war auch Thema im Kabinett am Dienstagvormittag. Als zu Beginn der Sitzung die grüne Landeschefin AnnSophie Bohm gemeinsam mit ihrem Co-Chef Stengele erklärte, wie es zu der Spontankabinettsreform gekommen sei, merkte Finanzministerin Heike Taubert (SPD) an, wie wichtig ein erfahrener und fachkundiger Staatssekretär für eine neue Ministerin sei. Die Grünen nahmen den Hinweis zur Kenntnis.
Ramelow wirkte im Kabinett auf Beteiligte unzufrieden. Auch in der Pressekonferenz, in der er sich bemühte, ausschließlich Optimismus zu verbreiten, ließ er seine Sorge zumindest durchscheinen. Auf die Frage dieser Zeitung, wie er die grüne Ministerauswahl bewerte, antwortete er: „Ich bewerte sie als eine ambitionierte Herangehensweise.“
Danach referierte er eine Weile darüber, dass Zuwanderung und Energiewende die zwei zentralen Herausforderungen im Jahr 2023 seien. Das heiße, resümierte er, dass sich Stengele und Denstädt – mit der „starken Unterstützung“des Kabinetts – rasch in ihre Themen einarbeiten müssten: „Und das heißt, sie haben überhaupt keinen Welpenschutz.“
Auch die wichtigste Aufgabe für eine Ministerin Denstädt formulierte Ramelow schon mal: Sie soll das seit Langem geplante Landesamt für Migration aufbauen, das unter anderem die Erstaufnahmestelle Suhl mit den Fachreferaten des Weimarer Landesverwaltungsamtes enger an das Justizministerium koppeln soll – und zwar „unverzüglich“.
Er verstehe die Skepsis über die Personalien, sagte Bernhard Stengele am Nachmittag am Telefon. Ja, Denstädt bringe keinen juristischen Abschluss mit. Aber sie verfüge über „viele andere Qualifikationen“, zum Beispiel eine jahrelange Berufspraxis als Polizistin, wo sie mit Justiz- und Migrationsthemen konfrontiert wurde.
Auch er selbst sei ein Praktiker, sagt er. „Aber ich bin im Umweltund Energiethema drin. Die Materie ist mir geläufig.“
Ich habe viel von Anja Siegesmund in den vergangenen Jahren gelernt, ich kenne das Ministerium ganz gut. Bernhard Stengele Vorsitzender der Thüringer Grünen und designierter Minister für Umwelt, Energie und Naturschutz