Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Deutsch-Iraner droht die Todesstrafe
Jamshid Sharmahd gestand unter Folter Terroranschlag. Tochter: „Es sieht nicht gut aus“
„Mein Vater sitzt wahrscheinlich jetzt im Schaugericht und trägt sein Superhelden-Outfit mit den blauen Streifen, die Uniform unserer Helden.“Er höre sich die Lügen an in dieser „oscarreifen Aufführung“. „Wird es heute mit einem Todesurteil enden, wie vom Regime geplant?“So schreibt Gazelle Sharmahd, die Tochter des deutsch-iranischen Oppositionellen Jamshid Sharmahd, am Morgen des 10. Januar auf Twitter. Die Gerichtssitzung am 10. Januar soll sein letzter Prozesstag sein, hat der Pflichtverteidiger mitgeteilt. „Es sieht nicht gut aus“, schreibt die Tochter.
Im August 2020 erklärte ein iranischer Geheimdienst, den Leiter einer oppositionellen Gruppe festgenommen zu haben. Es handelte sich um Jamshid Sharmahd.
Der 67-Jährige wurde im Iran geboren, lebte seit den 80er-Jahren in Deutschland und besitzt seit 1995 auch den deutschen Pass. 2003 zog der Software-Ingenieur mit seiner Familie nach Kalifornien. Dort engagierte er sich für eine iranische Exil-Oppositionsgruppe, die sich für die Rückkehr der Monarchie im Iran stark machte, die sogenannte „Königliche Vereinigung“.
Jamshid Sharmahd betrieb eine Online-Plattform und gründete den Sender „Radio Tondar“, der wegen seiner radikalen Kritik an der iranischen Führung vor allem bei jungen Leuten sehr beliebt war und das iranische Regime erzürnte. Als der Gründer der „Königlichen Vereinigung“2007 in der Türkei verschwand, übernahm Sharmahd die Leitung der Organisation.
Nach seiner Festnahme tauchte Sharmahd im Staatsfernsehen auf – die Augen verbunden, an der Seite von zwei Polizisten. Während sich die Sicherheitsdienste über die Details der Festnahme in Schweigen hüllen, berichtet seine Familie von einer Entführung. Jamshid Sharmahd sei vom iranischen Geheimdienst aus seinem Hotelzimmer in Dubai verschleppt und in den Iran gebracht worden.
Er war auf seinem Weg nach Indien wegen der Corona-Pandemie gezwungen, sich ein paar Tage in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufzuhalten. Nach Angaben der Tochter wurde ihr 67-jähriger Vater über den Oman in den Iran gebracht. Fast 900 Tage sitzt er in Einzelhaft.
Die iranische Justiz wirft ihm vor, 2008 einen Anschlag in der Großstadt
Shiraz geplant und durchgeführt zu haben. Bei der Explosion in einer Moschee kamen insgesamt 14 Menschen ums Leben. Der iranische Staat machte die oppositionelle Organisation „Königliche Vereinigung“für den Bombenanschlag verantwortlich. Ein Jahr später wurden drei Iraner, zwei Studenten und ein Arbeiter, wegen der Beteiligung am Anschlag hingerichtet. Auch anschließend setzte das Regime die Jagd nach den Mitgliedern der Vereinigung fort.
Friedrich Merz hat Sharmahds Patenschaft übernommen
Die Entführung von Sharmahd und das anschließende Verfahren fanden internationale Aufmerksamkeit. Amnesty International kämpft für ihn. Auch die Vereinten Nationen haben sich eingeschaltet. Die Arbeitsgruppe „Willkürliche Festnahmen“
der Menschenrechtskommissionen verlangte Aufklärung.
CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen will mehr Druck auf den Iran. CDU-Chef Friedrich Merz hat als Vorsitzender der Unionsfraktion eine politische Patenschaft für den Deutsch-Iraner übernommen. Es gebe keinerlei Beweise, dass Sharmahd an dem Anschlag beteiligt gewesen sei. „Herr Sharmahd hat das Recht auf ein faires Verfahren. Das sehe ich nach Kenntnis der Lage derzeit nicht gegeben“, so Merz. Er wolle mit seiner Patenschaft ein Zeichen setzen „für alle Männer und Frauen, die im Iran für ein freies, selbstbestimmtes Leben kämpfen“.
Die erste Gerichtssitzung von Jamshid Sharmahd fand im Februar 2022 statt. Ihm wird „Verdorbenheit auf Erden“zur Last gelegt, ein Vorwurf, der nach dem „Islamischen Gesetzbuch“, dem geltenden Strafgesetzbuch
in der Islamischen Republik, mit Hinrichtung bestraft werden kann. Er bestreitet alle Vorwürfe. Doch es gibt ein Video, das die iranische Regierung kurz nach seiner Festnahme ausstrahlen ließ. Sharmahd, der an Parkinson leidet, gesteht darin, an „terroristischen Anschlägen“beteiligt gewesen zu sein.
Die Beobachter und Menschenrechtsaktivisten halten die Geständnisse für durch Folter erzwungen. Seine Tochter Gazelle sagt, er wurde gefoltert „bis ihm die Zähne ausfielen und er nicht mehr richtig stehen konnte“. Ein oder zwei Mal im Jahr durfte er seine Familie anrufen. Aber er habe nie viel erzählen können. Die Sicherheitskräfte hätten die Verbindung abrupt beendet, wenn er über den Fall zu sprechen begann, sagt die Tochter.
Neben Sharmahd sind noch mindestens zwei weitere Deutsche im Iran inhaftiert, die nach Meinung von Menschenrechtlern oft als Faustpfand festgehalten werden, um sie gegen iranische Agenten austauschen zu können.
Seit Beginn der Protestbewegung im September letzten Jahres, die nach dem Tod einer jungen Iranerin in Gewahrsam der sogenannten Sittenpolizei eskalierte, hat die iranische Justiz Dutzende Todesurteile verhängt, vier von ihnen wurden bereits vollstreckt. Das Urteil gegen Jamshid Sharmahd stand bis zum Abend aus.