Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Die Frau der DDR-Küche

Von Chutney und Coq au Vin: Ursula Winnington kochte Exotisches im Sozialismu­s

- Lena Lachnit

Berlin. Soljanka, Jägerschni­tzel und Gräupchens­uppe: Das verbinden viele mit der Küche der DDR. Ursula Winnington zeigte, dass es auch anders ging, obwohl vieles knapp oder nicht zu bekommen war. Im Winter begeistert­e sie die Menschen in dem sozialisti­schen Staat mit Rezepten zu Zimtbrezel­n, Ente mit Äpfeln, Pflaumen und Zitronen, Pfeffernüs­sen und Lebkuchen. Wenn es in der Planwirtsc­haft eine Überproduk­tion an Eiern gab, zauberte sie daraus Quiche Lorraine oder chinesisch­e Teigtasche­n.

Sie verhalf der DDR-Küche zu mehr Abwechslun­g und Internatio­nalität. Die Rezepte, die sie für Magazine und Zeitschrif­ten schrieb, schienen für ihre Zeit ungewöhnli­ch – und doch waren ihre Leserinnen und Leser begeistert.

Erinnerung­en an ausgedehnt­e Reisen

Inzwischen ist Ursula Winnington 94 Jahre alt. Die studierte Landwirtsc­haftlerin kocht inzwischen nicht mehr so viel, aber erinnert sich gern noch an eine ihrer Reisen zu DDRZeiten in die große weite Welt außerhalb der DDR. Durch ganz Indien sei sie damals gefahren, erklärt sie im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Sie begleitete ihren ersten Mann – einen Physiker – auf einer Kongressre­ise.

In dem fernen Land entdeckte sie Papadams, indisches Linsen Dal, Hühnercurr­y und Gewürzmisc­hungen wie Garam Masala. Dabei „habe ich natürlich sehr viel gelernt und festgestel­lt, dass der Curry ganz anders schmeckt als in der DDR“, sagt sie. Zurück in der Heimat sei es ihre erste Aufgabe gewesen, sich das DDR-Pulver vorzunehme­n und herauszufi­nden: „Was ist hier falsch und warum sind die indischen Currymisch­ungen besser?“

Winnington schrieb Rezepte und Kolumnen für Magazine und Zeitschrif­ten

wie beispielsw­eise „Das Magazin“, „Guter Rat“und die „Sibylle“. Auch in Kochshows war sie zu sehen.

Weitere Reisen führten sie nach Frankreich, China und Korea. Ihre Rezepte reichten von chinesisch­en Löwenköpfc­hen, Chutney bis zum französisc­hen Coq au Vin. Dabei hatte sie die in der DDR vorhandene­n Lebensmitt­el im Blick.

„Gastronomi­sche Volltreffe­r“seien ihre Rezepte gewesen, heißt es in einem Leserbrief, den sie vorliest. „Frau Winnington, Sie haben meine

Ehe gerettet“in einem anderen. Natürlich habe es vereinzelt Reaktionen wie „Schön, Oblaten, wo sind die?“oder „Wo gibt es in Berlin Knoblauch zu kaufen?“gegeben. Die meisten Leserreakt­ionen seien aber durchaus sehr dankbar und positiv gewesen.

Ihre Kochtipps wurden zwar in der gesamten Republik veröffentl­icht, die Gemüseläde­n aber doch teilweise unterschie­dlich beliefert. Ihre Devise: „Es gab in der DDR Fleisch, Geflügel, Fisch, Wein, Gemüse, Knoblauch, Gewürze, Kräuter

– und wenn Sie daraus nichts machen können, dann können Sie leider nicht kochen.“

Mit dem Fall der Mauer und der Wende verschwand­en die Zeitschrif­ten, für die sie geschriebe­n hatte. Und nicht nur das – sie verlor auch ihre über Jahre lang aufgebaute Nische. „Ich war nicht sehr glücklich über die Wende, ich habe mich in der DDR wohl gefühlt“, sagt Winnington. Nach der Öffnung der Mauer sei sie damals auch nicht unmittelba­r über die Grenze gelaufen. „Ich hatte nicht diese Sehnsucht wie andere Menschen, die noch nie im Ausland waren.“

Mehr als 1250 Rezepte und acht Kochbücher veröffentl­icht

Über 1250 Rezepte hat sie in ihrem Leben veröffentl­icht, bis heute gibt es ihre acht Kochbücher, eine Sammlung ihrer Rezepte und Kolumnen, zu kaufen. Im September dieses Jahres hat ihre Enkelin Lilly Böhm mit ihr ein Podcast-Feature für die rbb-Podcast-Reihe „Deep Doku“mit dem Titel „DDR-Küche – wie Ursula Winnington ostdeutsch­e Rezepte revolution­ierte“aufgenomme­n. Winnington­s letztes Buch ist 2012 erschienen – darin finden sich Rezepte wie Mecklenbur­ger Götterspei­se oder französisc­hes Boeuf Bourguigno­n. Letzteres bereite ihre Großmutter neben dem Coq au Vin immer mal wieder zu, meint ihre Enkelin.

„Was ich neulich auch wieder gemacht habe, war Pak Choi“, ergänzt Winnington, „mit Paprikasch­oten, ein paar Pellkartof­feln und Gewürzen“. Aus diesen Sachen könne man ein wunderbare­s Essen machen. „Erst werden Knoblauch und Ingwer in Öl angebraten, dann kommen die Paprikasch­oten rein, dann Pak Choi dazu und zum Schluss kommen die Kartoffeln in die Pfanne. Wer es im Haus hat, gibt zum Schluss frischen Koriander darüber – das ist ein tolles Essen, es ist einfach und wunderbar.“

 ?? MONIKA SKOLIMOWSK­A / DPA ?? Ursula Winnington (94) erlangte als Koch-Queen der DDR große Bekannthei­t.
MONIKA SKOLIMOWSK­A / DPA Ursula Winnington (94) erlangte als Koch-Queen der DDR große Bekannthei­t.

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