Keine Angst vor kleinen Geistern

Wenn zwei Welten aufeinander prallen, geht das in der Regel erstmal nicht gut. Aber wenn einem kleinen Geist die Selbsthilfegruppe für tote Kinder nichts bringt und ihn das Leben nach dem Tod in einer Art schäbiger VorortSiedlung langweilt – dann bricht er trotz aller Verbote auf zu den Lebenden. Wie Wendell, der nicht ahnt, wie erschreckend er wirkt. So als schwebendes Laken mit Gucklöchern – genauso, wie sich Menschen Gespenster vorstellen.

Spitzbübisch spielt Autorin Brenna Thummler in ihrer Graphic Novel mit unseren Ängsten und Vorstellungen. Das Laken gibt den Geistern Tarnung und Identität zugleich: So ausdrucksstark haben wir Betttücher selten gesehen.

Wendell landet im Waschsalon von Marjorie Glatt. Ihre Mutter ist gestorben, der Vater verbringt die Tage depressiv in seinem Zimmer, der kleine Bruder muss versorgt werden. All das spiegelt sich in ihrem Gesicht: So resigniert, erschöpft und alt sollte keine 13Jährige aussehen.

Schwierige Kunden, mobbende Schulkameradinnen und ein Unternehmer, der auf dem Gelände der Wäscherei einen WellnessTempel bauen will: Marjorie ist am Rande der Verzweiflung, als Wendell in ihr Leben platzt und den Waschsalon als Spielparadies entdeckt. Das stürzt Marjorie noch mehr in Bedrängnis, bis der kleine tote Junge die anderen Geister mobilisiert. Sie bringen die Wende, genießen im Gegenzug Bügeleisen-Massagen und andere Annehmlichkeiten und geben Marjorie Hoffnung.

Marjories Welt aus Pastelltönen in Pink, Blau, Lila und ein wenig Grün ist detailreich entworfen im harten Kontrast zur Totenwelt. Die schwarz-weiß und monoton daherkommt, weil die Lebenden ihre Bewohner vergessen haben – eine von mehreren Anspielungen auf mexikanische Bräuche.

Brenna Thummler lässt Jenseits und Diesseits genüsslich kollidieren – die offenbar mehr gemeinsam haben, als wir bislang dachten.

otz.de/heuteschongelesen

Brenna Thummler (Text/Illu.), Matthias Wieland (Übers.): Sheets – Am Ende bleibt uns nur ein Bettlaken. Cross Cult, 240 Seiten, 25 Euro

Anette Elsner über die Kollision von Diesseits und Jenseits