Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Patienten müssen zum Arzt meist in die Stadt
Heimatcheck Teil 5: Wie zufrieden sind die Menschen mit der medizinischen Versorgung im Saale-Orla-Kreis?
Schleiz/Neustadt/Pößneck/Bad Lobenstein. „Die ländlichen Gemeinden sind außen vor. Kein Facharzt in der Nähe, kein öffentlicher Nahverkehr, der von Berufstätigen genutzt werden kann.“Eine über 50jährige Leserin aus Heinersdorf bringt es in ihrer Antwort auf die Heimatcheck-Frage „Wie beurteilen Sie die medizinische Versorgung in Ihrem Wohnort/Stadtteil?“auf den Punkt.
Von den 353 Teilnehmern der Umfrage gab es die Durchschnittsnote 3,3 für den Saale-Orla-Kreis. Während die Befragten in Städten wie Pößneck, Neustadt, Schleiz und Bad Lobenstein sehr oft die Note 1 verteilten, gab es aus Gemeinden oder ländlich geprägten Ortsteilen wie Peuschen, Wernburg, Dobian, Weira, Zoppoten, Venzka oder Schöndorf, aber auch aus
Städten wie Ziegenrück und Wurzbach meist eine 6.
Außensprechstunden auf kleinen Dörfern wie einst in Wilhelmsdorf oder Knau führen Allgemeinmediziner nicht mehr durch. „Da kenne ich keinen Kollegen, der das noch macht. Aufgrund der fast unternehmerischen Struktur müsste man eine Zweitpraxis aufrechterhalten. Das kann sich kein niedergelassener Arzt bei dem Patientenaufkommen und den wirtschaftlichen Zwängen leisten. Wir Hausärzte geben uns mit regulären Hausbesuchen und einer Hausbesuchsbereitschaft aber schon viel Mühe, dass die medizinische Versorgung für nicht mobile Patienten auch im ländlichen Bereich gewährleistet wird, selbst wenn die Kosten dafür nicht gedeckt werden“, sagte der Neustädter Allgemeinmediziner Nils Dorow als Vorsitzender der Regionalstelle Pößneck der Kassenärztlichen
Vereinigung in Thüringen.
Der Neustädter Bürgermeister Ralf Weiße (BfN) könnte sich vorstellen, dass Dorfgemeinschaftshäuser in ländlich geprägten Ortsteilen für Sprechstunden von Ärzten bereitgestellt werden können, wenn es von diesen Interesse gibt. „Grundsätzlich müsste man über diese Möglichkeit mal reden“, sagte Nils Dorow. Er warnte jedoch vor einer zu großen Erwartungshaltung. Sprechstunden in jedem Dorf werde es aufgrund der Altersstruktur vieler Hausärzte nicht geben können, auch keine Gemeindeschwester wie zu DDR-Zeiten.
55 Hausarztstellen im Landkreis
Im Saale-Orla-Kreis gibt es insgesamt 55 Hausarztstellen. Davon befinden sich 28 im Planungsbereich Pößneck, 15 in Bad Lobenstein und zwölf in der Region Schleiz. Darüber hinaus gibt es im Orlatal zwei Kinderarztstellen und in den Regionen Schleiz und Bad Lobenstein je eine, teilte Matthias Streit, Pressesprecher der Kassenärztliche Vereinigung Thüringen, auf Anfrage mit. Ferner gibt es im Planungsbereich Saale-Orla Facharztstellen für sechs Augenärzte, acht Chirurgen und Orthopäden, zehn Frauenärzte, zwei Hautärzte, drei HNO-Ärzte, fünf Nervenärzte, 18 Psychotherapeuten und drei Urologen.
Die Versorgung werde grundsätzlich nicht auf Gemeindeebene beplant, sondern in sogenannten Planungsbereichen, um die Arztkapazitäten gleichmäßig in der Fläche zu verteilen. In Thüringen werden die Hausärzte und Kinderärzte am kleinteiligsten beplant. Im SaaleOrla-Kreis gibt es für diese Fachgruppen die Planungsbereiche Schleiz, Pößneck und Bad Lobenstein. Je spezialisierter die ärztliche Fachgruppe, desto größer ist der Planungsbereich: „Die allgemeine fachärztliche Versorgung wird auf Landkreisebene beplant, die spezialisierte
fachärztliche Versorgung in vier großen Bereichen für Thüringen und gesonderte fachärztliche Versorgung für ganz Thüringen“, erklärte Matthias Streit.
Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen gibt es im Saale-Orla-Kreis aktuell Zulassungsmöglichkeiten für zwei Hausärzte in der Region Bad Lobenstein und eine halbe Stelle in der Region Pößneck. Bei den Kinderärzten ist in allen drei Planungsbereichen jeweils eine halbe Stelle frei. Bei der allgemeinen fachärztlichen Versorgung im Saale-Orla-Kreis gibt es aktuell 2,5 Augenarztstellen, je eine halbe Nervenarzt- und Hautarztstelle
sowie drei ärztliche Psychotherapeuten. Im Planungsbereich Ostthüringen ist bei der spezialisierten fachärztlichen Versorgung lediglich eine halbe Kinder- und Jugendpsychiaterstelle zu besetzen.
Ziel der Bedarfsplanung sei es, für eine wohnortnahe Verteilung der Ärzte zu sorgen. So soll verhindert werden, dass sich Ärzte nur in den Ballungsgebieten niederlassen. Darüber hinaus gäbe es viele Ansätze und Ideen, die medizinische Versorgung weiterzuentwickeln. Schon heute möglich und künftig denkbar seien Zweigfilialen, die Praxen in einigen Gemeinden für einige Tage in der Woche öffnen könnten. Darüber
hinaus gibt es mit den nichtärztlichen Praxisassistenten speziell weitergebildete medizinische Fachangestellte, die im Auftrag von Ärzten ebenfalls Hausbesuche wahrnehmen, für die Menschen Ansprechpartner zu grundsätzlichen Gesundheitsfragen oder auch zu Medikation sind und elementare gesundheitliche Untersuchungen wie EKG, Blutdruck oder Blutzuckmessungen vornehmen.
Im Saale-Orla-Kreis habe es 2022 16 Anfragen zwecks Hausarztsuche gegeben. Patienten, die einen Arzt in ihrer Umgebung suchen, können Online-Arztsuche unter www.kvthueringen.de/arztsuche nutzen.