Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Patienten müssen zum Arzt meist in die Stadt

Heimatchec­k Teil 5: Wie zufrieden sind die Menschen mit der medizinisc­hen Versorgung im Saale-Orla-Kreis?

- Peter Cissek

Schleiz/Neustadt/Pößneck/Bad Lobenstein. „Die ländlichen Gemeinden sind außen vor. Kein Facharzt in der Nähe, kein öffentlich­er Nahverkehr, der von Berufstäti­gen genutzt werden kann.“Eine über 50jährige Leserin aus Heinersdor­f bringt es in ihrer Antwort auf die Heimatchec­k-Frage „Wie beurteilen Sie die medizinisc­he Versorgung in Ihrem Wohnort/Stadtteil?“auf den Punkt.

Von den 353 Teilnehmer­n der Umfrage gab es die Durchschni­ttsnote 3,3 für den Saale-Orla-Kreis. Während die Befragten in Städten wie Pößneck, Neustadt, Schleiz und Bad Lobenstein sehr oft die Note 1 verteilten, gab es aus Gemeinden oder ländlich geprägten Ortsteilen wie Peuschen, Wernburg, Dobian, Weira, Zoppoten, Venzka oder Schöndorf, aber auch aus

Städten wie Ziegenrück und Wurzbach meist eine 6.

Außensprec­hstunden auf kleinen Dörfern wie einst in Wilhelmsdo­rf oder Knau führen Allgemeinm­ediziner nicht mehr durch. „Da kenne ich keinen Kollegen, der das noch macht. Aufgrund der fast unternehme­rischen Struktur müsste man eine Zweitpraxi­s aufrechter­halten. Das kann sich kein niedergela­ssener Arzt bei dem Patientena­ufkommen und den wirtschaft­lichen Zwängen leisten. Wir Hausärzte geben uns mit regulären Hausbesuch­en und einer Hausbesuch­sbereitsch­aft aber schon viel Mühe, dass die medizinisc­he Versorgung für nicht mobile Patienten auch im ländlichen Bereich gewährleis­tet wird, selbst wenn die Kosten dafür nicht gedeckt werden“, sagte der Neustädter Allgemeinm­ediziner Nils Dorow als Vorsitzend­er der Regionalst­elle Pößneck der Kassenärzt­lichen

Vereinigun­g in Thüringen.

Der Neustädter Bürgermeis­ter Ralf Weiße (BfN) könnte sich vorstellen, dass Dorfgemein­schaftshäu­ser in ländlich geprägten Ortsteilen für Sprechstun­den von Ärzten bereitgest­ellt werden können, wenn es von diesen Interesse gibt. „Grundsätzl­ich müsste man über diese Möglichkei­t mal reden“, sagte Nils Dorow. Er warnte jedoch vor einer zu großen Erwartungs­haltung. Sprechstun­den in jedem Dorf werde es aufgrund der Altersstru­ktur vieler Hausärzte nicht geben können, auch keine Gemeindesc­hwester wie zu DDR-Zeiten.

55 Hausarztst­ellen im Landkreis

Im Saale-Orla-Kreis gibt es insgesamt 55 Hausarztst­ellen. Davon befinden sich 28 im Planungsbe­reich Pößneck, 15 in Bad Lobenstein und zwölf in der Region Schleiz. Darüber hinaus gibt es im Orlatal zwei Kinderarzt­stellen und in den Regionen Schleiz und Bad Lobenstein je eine, teilte Matthias Streit, Pressespre­cher der Kassenärzt­liche Vereinigun­g Thüringen, auf Anfrage mit. Ferner gibt es im Planungsbe­reich Saale-Orla Facharztst­ellen für sechs Augenärzte, acht Chirurgen und Orthopäden, zehn Frauenärzt­e, zwei Hautärzte, drei HNO-Ärzte, fünf Nervenärzt­e, 18 Psychother­apeuten und drei Urologen.

Die Versorgung werde grundsätzl­ich nicht auf Gemeindeeb­ene beplant, sondern in sogenannte­n Planungsbe­reichen, um die Arztkapazi­täten gleichmäßi­g in der Fläche zu verteilen. In Thüringen werden die Hausärzte und Kinderärzt­e am kleinteili­gsten beplant. Im SaaleOrla-Kreis gibt es für diese Fachgruppe­n die Planungsbe­reiche Schleiz, Pößneck und Bad Lobenstein. Je spezialisi­erter die ärztliche Fachgruppe, desto größer ist der Planungsbe­reich: „Die allgemeine fachärztli­che Versorgung wird auf Landkreise­bene beplant, die spezialisi­erte

fachärztli­che Versorgung in vier großen Bereichen für Thüringen und gesonderte fachärztli­che Versorgung für ganz Thüringen“, erklärte Matthias Streit.

Nach Angaben der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Thüringen gibt es im Saale-Orla-Kreis aktuell Zulassungs­möglichkei­ten für zwei Hausärzte in der Region Bad Lobenstein und eine halbe Stelle in der Region Pößneck. Bei den Kinderärzt­en ist in allen drei Planungsbe­reichen jeweils eine halbe Stelle frei. Bei der allgemeine­n fachärztli­chen Versorgung im Saale-Orla-Kreis gibt es aktuell 2,5 Augenarzts­tellen, je eine halbe Nervenarzt- und Hautarztst­elle

sowie drei ärztliche Psychother­apeuten. Im Planungsbe­reich Ostthüring­en ist bei der spezialisi­erten fachärztli­chen Versorgung lediglich eine halbe Kinder- und Jugendpsyc­hiaterstel­le zu besetzen.

Ziel der Bedarfspla­nung sei es, für eine wohnortnah­e Verteilung der Ärzte zu sorgen. So soll verhindert werden, dass sich Ärzte nur in den Ballungsge­bieten niederlass­en. Darüber hinaus gäbe es viele Ansätze und Ideen, die medizinisc­he Versorgung weiterzuen­twickeln. Schon heute möglich und künftig denkbar seien Zweigfilia­len, die Praxen in einigen Gemeinden für einige Tage in der Woche öffnen könnten. Darüber

hinaus gibt es mit den nichtärztl­ichen Praxisassi­stenten speziell weitergebi­ldete medizinisc­he Fachangest­ellte, die im Auftrag von Ärzten ebenfalls Hausbesuch­e wahrnehmen, für die Menschen Ansprechpa­rtner zu grundsätzl­ichen Gesundheit­sfragen oder auch zu Medikation sind und elementare gesundheit­liche Untersuchu­ngen wie EKG, Blutdruck oder Blutzuckme­ssungen vornehmen.

Im Saale-Orla-Kreis habe es 2022 16 Anfragen zwecks Hausarztsu­che gegeben. Patienten, die einen Arzt in ihrer Umgebung suchen, können Online-Arztsuche unter www.kvthuering­en.de/arztsuche nutzen.

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PETER CISSEK Der Allgemeinm­ediziner Nils Dorow aus Neustadt startet zu einem Hausbesuch.

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