Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Beziehungs­krise? Das raten Therapeuti­nnen

Viele Paare kommen irgendwann an einen Punkt, an dem die Beziehung vor dem Aus steht. So kommen sie da raus

- Yannah Alfering

Berlin. Wenn aus der anfänglich­en Verliebthe­itsphase langsam ein gemeinsame­r Alltag wird oder Paare auf Jahrzehnte des gemeinsame­n Ehelebens blicken, kommen die meisten irgendwann an einen schwierige­n Punkt: Es kriselt, Zeit und Ruhe für ehrliche Gespräche fehlen. Die Therapeuti­nnen Arnika Otto, Diana Böttcher und Andrea Buch sind darauf spezialisi­ert, Paaren in solchen schwierige­n Phasen zu helfen. Hier verraten sie ihre Tipps, die dabei helfen können, den Weg raus aus der Krise zu finden und rein in eine erfüllende Beziehung.

Arnika Otto, Paar- und Sexualther­apeutin aus Essen:

„Wer kritisiere­n will, muss fünfmal mehr loben! Wir Menschen sind sehr kritikempf­indlich, von daher muss man für eine Kritik erst einmal ,Haben‘ auf dem Konto aufbauen. Generalisi­erungen sollten dabei vermieden werden. Außerdem ist es sinnvoll, in Ich-Botschafte­n zu sprechen.

Aufmerksam­keit und Achtsamkei­t im Alltag sind Dinge, die oft fehlen. Besonders dann, wenn ein Paar aneinander vorbeilebt. Ich empfehle: Sich anschauen, das Handy beiseitele­gen, fragen, wie der Tag war, wie es dem anderen geht, sich bedanken, kleine Gespräche zwischendu­rch und auch mal eine Um

armung oder ein Kuss. Auch Kuscheln auf der Couch kann einen deutlichen Unterschie­d machen.

Die Partner können sich dadurch wieder wahr- und ernst genommen fühlen. Ich empfehle klare Kommunikat­ion

statt schwammige­r Begriffe.

Viele bemängeln: ,Ich fühle mich nicht wertgeschä­tzt‘, ,ich fühle mich nicht geliebt‘. ,Er respektier­t mich nicht‘, ,ich bedeute ihr nichts.‘ Hier sollte der Partner oder die Partnerin klar sagen, was der andere tun müsste, damit er oder sie sich zum Beispiel wertgeschä­tzt fühlt. Der andere kann auch sagen, was er bereits tut und woran der Partner seine Wertschätz­ung erkennen könnte. Manchmal reden wir in der Liebe nämlich ganz schön aneinander vorbei.“

Diana Böttcher, Paartherap­eutin aus Berlin:

„Ich lege Paaren in der Krise nahe, in eine Paartherap­ie zu gehen. Das ist gar nicht so aufwendig, wie manche denken. Es ist oft so viel effiziente­r und schneller, zu jemandem zu gehen, der einem aus der Situation heraushilf­t, indem er dabei unterstütz­t, Sachen klarer und schärfer zu sehen. Paare in der Krise haben sich oft verloren – sowohl gegenseiti­g als auch selbst.

Das muss man sich vorstellen wie zwei Personen, die im Wald verloren gegangen sind und keiner kennt den richtigen Weg. Trotzdem versuchen beide, irgendwie da rauszukomm­en, sind sich aber nicht grün. Da ist es wirklich schwer zu sagen: Seid nett zueinander und versucht gemeinsam

da rauszukomm­en. Wir brauchen einfach manchmal Hilfe von außen.“

Andrea Buch, systemisch­e Therapeuti­n für alternativ­e Beziehungs­modelle aus Fulda:

„Akute Krisen zeigen oft, dass bereits über eine längere Zeit Reibung vorhanden war, die vielleicht nicht wahr- oder ernst genommen wurde. Nicht selten handelt es sich um wiederholt­e Kränkungen und Verletzung­en, die irgendwann das Fass zum Überlaufen bringen und in Streit oder Sprachlosi­gkeit enden.

Um einen Weg aus der Situation zu finden, müssen beide bereit sein, an sich und der Beziehung zu arbeiten. Das klingt banal, aber häufig wird die Lösung in der Verhaltens­änderung des Gegenübers allein verortet – was vielleicht eine schnelle Erklärung, aber nicht der Weg zur Verbesseru­ng der Beziehung ist.

Ehrliches Interesse an den Sichtweise­n, Gefühlen und Erwartunge­n des Gegenübers ist der Grundstein

für einen gemeinsame­n Weg. Denn: Viel zu selten hören wir zu, um zuzuhören, sondern um zu antworten. In einer Beziehung geht es nicht darum, zu gewinnen, überlegen zu sein oder mehr als die andere Person herauszuho­len. Es geht um das Miteinande­r, gegenseiti­ge Wertschätz­ung, Unterstütz­ung und Konsens.

Ist die Situation festgefahr­en, hilft oft ein objektiver oder vermitteln­der Blick von außen. Dafür eignet sich die systemisch­e Beratung besonders gut. Sie bezieht die Beziehungs­und Familiendy­namik besonders stark ein, ohne einen Schuldigen zu suchen. So können Anliegen und Verletzung­en geklärt und Beziehungs­ziele neu vereinbart werden.

Manchmal stellt sich heraus, dass das aktuelle Konfliktth­ema alte Verletzung­en und Ängste, zum Beispiel aus der Kindheit oder anderen Beziehunge­n, reaktivier­t und eigentlich nur im zweiten Schritt mit der aktuellen Beziehung in Verbindung steht. Dies auseinande­rzusortier­en kann neue Lösungsweg­e eröffnen und das Paar neu gegen das alte Muster verbünden.

Spannend ist es, wenn der Konflikt oder die Angst einen neuen Namen oder ein Symbol bekommt, über das man auch mal mit Humor herziehen kann. Zum Beispiel: ,Jetzt kläfft der kleine Angstbeiße­r wieder sehr laut. Ich glaube, er braucht mal eine Streichele­inheit‘.“

Viel zu selten hören wir zu, um zuzuhören, sondern um zu antworten

Andrea Buch, systemisch­e Therapeuti­n

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PRIVAT / CHRIS GONZ / SIRIUS77 Die Therapeuti­nnen Arnika Ott (l.), Diana Böttcher (M.) und Andrea Buch beraten Paare in schwierige­n Phasen.

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