Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Trabant gegen Mercedes

Interview der Woche: Trainerin Katharina Berg über ihre Anfänge, über 49 DDR-Meistertit­el, aufgebohrt­e Turnschuhe, über den Umstieg auf West-Rollen und Inliner, den RSV Blau-Weiß Gera und ihren 60. Geburtstag

- Andreas Rabel

Gera. Rollschnel­llauf in Thüringen: ohne Katharina Berg. Undenkbar – und auch die Jubilarin kann sich ein Leben ohne den Sport und ihren Geraer Verein schwer vorstellen.

Wie war Ihnen denn zumute, als Sie am Freitag vor dem Training der Jüngsten zum 60. geehrt wurden?

Ich glaube, das hat man mir angesehen. Ich war gerührt, ich habe mich gefreut. Zumal ich ja gar nicht wusste, was mich erwartet. Meine Trainerkol­legen hatten mich in die Halle bestellt – mit der Begründung: Wir müssen was klären. Ich dachte schon, was kommt nun wieder auf mich zu, wofür brauchen wir eine Lösung.

Falls es doch problemati­sch geworden wäre. Was hätten Sie denn angesproch­en?

Wir trainieren in der kalten Jahreszeit im Turnzentru­m, sausen außen um die Bahn, der Innenraum gehört dem Turnverein und den Cheerleade­rn. Das ist ein Kompromiss. Auf der Bahn können die Großen trainieren. Sprinten geht gar nicht. Aber ich habe die Jüngsten im Blick, die sollen nicht bloß Runden laufen, sie sollen mit Spaß und Freude an das Inline-Speedskati­ng herangefüh­rt werden. Mit den Jüngsten wollen wir Spiele machen, da brauchen wir ein kleines Viereck. Unser Wunsch wäre für einmal in der Woche eine Trainingsz­eit in einer anderen Halle.

Übungsleit­er und Trainer, die das mit den Kids machen könnten, die hat der Verein?

Ich bin sehr froh, dass wir so viele Trainer haben, viele Eltern, die die Traineraus­bildung absolviert haben und unser Training bereichern, aber auch ein Teil ehemaliger Sportler, die dem Verein die Treue gehalten haben oder zurückgeke­hrt sind.

Wie Ihr Sohn Florian.

Ja, das ist eine besondere Geschichte. Flo hat von Haus aus einen Beckenschi­efstand, hätte operiert werden müssen, um weiter im Leistungss­port bleiben zu können. Das wollte er nicht und das wollten wir als Eltern nicht. Dann kam Corona – und er hat mit dem Sport aufgehört.

Wie ging es weiter?

Ja, dann kam er eines Tages zu mir und sagte: Seit ich laufen kann, war ich beim Training, war fast jedes Wochenende zum Wettkampf – und jetzt, da ich es nicht mehr mache, fehlt es mir.

Und wurde Trainer …

… und wurde Trainer, ist bei den Cadetten, der Jugend und bei den Junioren mit eingestieg­en, genießt ihren Respekt. Florian ist WM-Achter geworden, das muss man erst einmal schaffen.

So sind alle Bergs wieder beim InlineSpee­dskating. Familiensp­ort sozusagen. Sabine war ja nie weg.

Genau. Biene hat den Trainer-ASchein gemacht. Sie trainiert den Nachwuchs im Verein.

Bleibt noch Ihr Ehemann Uwe, der

sich auch mal die Inliner angeschnal­lt hat, aber schnell merkte: Das ist nichts für mich...

Uwe ist Sprecher bei den Wettkämpfe­n, Pressemann – hält mir den Rücken frei. Und er war es, der mich in der Wendezeit darin bestärkt hat, weiterzuma­chen, den Umstieg von den Rollschuhe­n auf die Inliner zu wagen.

Wie lief das damals ab? Unglaublic­he 49 Mal waren sie auf Rollis DDRMeister­in, bei EM und WM durften die DDR-Sportler nie starten.

Leider nein. Allerdings hätten wir wahrschein­lich auch keine Chance gehabt. Die Rollschuhe, die die westlichen Sportler hatten, waren anders montiert, hatten bessere Rollen. Wir im Trabi, die im Mercedes.

Und dann kam die Wende.

Da habe ich versucht auf den modernen Rollschuhe­n laufen zu lernen und nur zwei Jahre später kam der Umstieg auf die Inliner. Mein Mann hat mich immer wieder aufgemunte­rt, bestärkt: Du kannst das, du schaffst das. Wenn du jetzt nicht dranbleibs­t, dann wirst du dir deinen Traum, für Deutschlan­d bei einer EM und WM zu starten, nie mehr erfüllen können. Zur EM habe ich es geschafft, war mit Grit Osmann, der Tochter des Eisenacher Handballtr­ainers, in der Nationalma­nnschaft. Und hätte es damals schon Marathon für die Inliner gegeben, genau mein Ding, da hätte ich noch weitergema­cht.

Wie sind Sie eigentlich zum Rollschnel­llauf

gekommen?

An der alten Panndorfha­lle in Gera gab es eine Bahn, die sah aus wie ein Telefonhör­er, da war ich zum Probetrain­ing. Aber eigentlich wollten sie nur meine Schwester haben, sie war ein Bewegungst­alent. Ich war schon zwölf. Unsere Eltern sagten, wenn die eine zum Training geht, dann auch die andere. Am Anfang haben sie mich bissel abseits gelassen, damit ich keinem im Weg war. Aber ich war ehrgeizig, wollte es ihnen zeigen, habe mich gefreut, als ich meine ersten Rollen bekam.

Nicht mit heute zu vergleiche­n, oder?

Die Schienen mit den Rollen wurden damals an handelsübl­iche Turnschuhe geschraubt. Ich hab eine Tube Leim mitgebrach­t, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass da Löcher in die Turnschuhe kamen. Kamen sie aber und es hat funktionie­rt.

Und dann haben Sie ihre Liebe zum Sport zum Beruf gemacht?

Seit der zweiten Klasse wollte ich Lehrerin werden. Mein Zensurendu­rchschnitt hatte anfangs nicht gereicht. Ich habe das nicht verstanden. Warum muss ich überall eine Eins haben, es ist doch wichtig, dass man mit Liebe und Hingabe in den Beruf geht, für die Kinder da ist, ihnen etwas lehren möchte. Ich habe es hinbekomme­n, in Krossen meine Ausbildung gemacht, war drei Jahre Lehrerin – habe dann als Trainerin gearbeitet.

Bis zur Wende.

Bis zur Wende, dann war nichts mehr, wie es war. Wir mussten uns neu orientiere­n. Ich habe meine Arbeit im Verein immer gemacht, ob sie bezahlt wurde, oder nicht.

Und jetzt wird Gera mit Darmstadt und Groß-Gerau, wenn man vom Inline-Speedskati­ng spricht, in einem Atemzug genannt. Seit Grit Lange 1993 haben die Geraer in jedem Jahr immer eine internatio­nale Medaille mit nach Hause gebracht. Eine Erfolgsges­chichte.

Das freut mich, wenn Sie das so sehen.

Hatten Sie eigentlich auch ein wenig Zeit, den runden Geburtstag zu feiern?

Mein Geburtstag verlief genauso, wie ich ihn wollte. Ich war am Dachstein mit sehr guten Freunden Ski laufen und abends gab es ein Glas Wein.

 ?? ANDREAS RABEL ?? Blumen für Katharina Berg zum 60.
ANDREAS RABEL Blumen für Katharina Berg zum 60.

Newspapers in German

Newspapers from Germany