Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Trabant gegen Mercedes
Interview der Woche: Trainerin Katharina Berg über ihre Anfänge, über 49 DDR-Meistertitel, aufgebohrte Turnschuhe, über den Umstieg auf West-Rollen und Inliner, den RSV Blau-Weiß Gera und ihren 60. Geburtstag
Gera. Rollschnelllauf in Thüringen: ohne Katharina Berg. Undenkbar – und auch die Jubilarin kann sich ein Leben ohne den Sport und ihren Geraer Verein schwer vorstellen.
Wie war Ihnen denn zumute, als Sie am Freitag vor dem Training der Jüngsten zum 60. geehrt wurden?
Ich glaube, das hat man mir angesehen. Ich war gerührt, ich habe mich gefreut. Zumal ich ja gar nicht wusste, was mich erwartet. Meine Trainerkollegen hatten mich in die Halle bestellt – mit der Begründung: Wir müssen was klären. Ich dachte schon, was kommt nun wieder auf mich zu, wofür brauchen wir eine Lösung.
Falls es doch problematisch geworden wäre. Was hätten Sie denn angesprochen?
Wir trainieren in der kalten Jahreszeit im Turnzentrum, sausen außen um die Bahn, der Innenraum gehört dem Turnverein und den Cheerleadern. Das ist ein Kompromiss. Auf der Bahn können die Großen trainieren. Sprinten geht gar nicht. Aber ich habe die Jüngsten im Blick, die sollen nicht bloß Runden laufen, sie sollen mit Spaß und Freude an das Inline-Speedskating herangeführt werden. Mit den Jüngsten wollen wir Spiele machen, da brauchen wir ein kleines Viereck. Unser Wunsch wäre für einmal in der Woche eine Trainingszeit in einer anderen Halle.
Übungsleiter und Trainer, die das mit den Kids machen könnten, die hat der Verein?
Ich bin sehr froh, dass wir so viele Trainer haben, viele Eltern, die die Trainerausbildung absolviert haben und unser Training bereichern, aber auch ein Teil ehemaliger Sportler, die dem Verein die Treue gehalten haben oder zurückgekehrt sind.
Wie Ihr Sohn Florian.
Ja, das ist eine besondere Geschichte. Flo hat von Haus aus einen Beckenschiefstand, hätte operiert werden müssen, um weiter im Leistungssport bleiben zu können. Das wollte er nicht und das wollten wir als Eltern nicht. Dann kam Corona – und er hat mit dem Sport aufgehört.
Wie ging es weiter?
Ja, dann kam er eines Tages zu mir und sagte: Seit ich laufen kann, war ich beim Training, war fast jedes Wochenende zum Wettkampf – und jetzt, da ich es nicht mehr mache, fehlt es mir.
Und wurde Trainer …
… und wurde Trainer, ist bei den Cadetten, der Jugend und bei den Junioren mit eingestiegen, genießt ihren Respekt. Florian ist WM-Achter geworden, das muss man erst einmal schaffen.
So sind alle Bergs wieder beim InlineSpeedskating. Familiensport sozusagen. Sabine war ja nie weg.
Genau. Biene hat den Trainer-ASchein gemacht. Sie trainiert den Nachwuchs im Verein.
Bleibt noch Ihr Ehemann Uwe, der
sich auch mal die Inliner angeschnallt hat, aber schnell merkte: Das ist nichts für mich...
Uwe ist Sprecher bei den Wettkämpfen, Pressemann – hält mir den Rücken frei. Und er war es, der mich in der Wendezeit darin bestärkt hat, weiterzumachen, den Umstieg von den Rollschuhen auf die Inliner zu wagen.
Wie lief das damals ab? Unglaubliche 49 Mal waren sie auf Rollis DDRMeisterin, bei EM und WM durften die DDR-Sportler nie starten.
Leider nein. Allerdings hätten wir wahrscheinlich auch keine Chance gehabt. Die Rollschuhe, die die westlichen Sportler hatten, waren anders montiert, hatten bessere Rollen. Wir im Trabi, die im Mercedes.
Und dann kam die Wende.
Da habe ich versucht auf den modernen Rollschuhen laufen zu lernen und nur zwei Jahre später kam der Umstieg auf die Inliner. Mein Mann hat mich immer wieder aufgemuntert, bestärkt: Du kannst das, du schaffst das. Wenn du jetzt nicht dranbleibst, dann wirst du dir deinen Traum, für Deutschland bei einer EM und WM zu starten, nie mehr erfüllen können. Zur EM habe ich es geschafft, war mit Grit Osmann, der Tochter des Eisenacher Handballtrainers, in der Nationalmannschaft. Und hätte es damals schon Marathon für die Inliner gegeben, genau mein Ding, da hätte ich noch weitergemacht.
Wie sind Sie eigentlich zum Rollschnelllauf
gekommen?
An der alten Panndorfhalle in Gera gab es eine Bahn, die sah aus wie ein Telefonhörer, da war ich zum Probetraining. Aber eigentlich wollten sie nur meine Schwester haben, sie war ein Bewegungstalent. Ich war schon zwölf. Unsere Eltern sagten, wenn die eine zum Training geht, dann auch die andere. Am Anfang haben sie mich bissel abseits gelassen, damit ich keinem im Weg war. Aber ich war ehrgeizig, wollte es ihnen zeigen, habe mich gefreut, als ich meine ersten Rollen bekam.
Nicht mit heute zu vergleichen, oder?
Die Schienen mit den Rollen wurden damals an handelsübliche Turnschuhe geschraubt. Ich hab eine Tube Leim mitgebracht, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass da Löcher in die Turnschuhe kamen. Kamen sie aber und es hat funktioniert.
Und dann haben Sie ihre Liebe zum Sport zum Beruf gemacht?
Seit der zweiten Klasse wollte ich Lehrerin werden. Mein Zensurendurchschnitt hatte anfangs nicht gereicht. Ich habe das nicht verstanden. Warum muss ich überall eine Eins haben, es ist doch wichtig, dass man mit Liebe und Hingabe in den Beruf geht, für die Kinder da ist, ihnen etwas lehren möchte. Ich habe es hinbekommen, in Krossen meine Ausbildung gemacht, war drei Jahre Lehrerin – habe dann als Trainerin gearbeitet.
Bis zur Wende.
Bis zur Wende, dann war nichts mehr, wie es war. Wir mussten uns neu orientieren. Ich habe meine Arbeit im Verein immer gemacht, ob sie bezahlt wurde, oder nicht.
Und jetzt wird Gera mit Darmstadt und Groß-Gerau, wenn man vom Inline-Speedskating spricht, in einem Atemzug genannt. Seit Grit Lange 1993 haben die Geraer in jedem Jahr immer eine internationale Medaille mit nach Hause gebracht. Eine Erfolgsgeschichte.
Das freut mich, wenn Sie das so sehen.
Hatten Sie eigentlich auch ein wenig Zeit, den runden Geburtstag zu feiern?
Mein Geburtstag verlief genauso, wie ich ihn wollte. Ich war am Dachstein mit sehr guten Freunden Ski laufen und abends gab es ein Glas Wein.