Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Wird unser Trinkwasse­r knapp?

In den Alpen fehlt in diesem Winter der Schnee. Im Sommer könnte das zu Problemen führen

- Theresa Martus

Es waren nicht nur für Winterspor­tler traurige Bilder, die in den vergangene­n Wochen in den Alpen entstanden: Statt durch eine weiße Winterland­schaft schoben sich Skifahrer da auf schmalen Kunstschne­ebändern über die Pisten, drum herum alles grün. Von einer dicken, natürliche­n Schneedeck­e nichts zu sehen.

Der Deutsche Wetterdien­st verzeichne­te etwa an der Messstatio­n Garmisch-Partenkirc­hen nicht einen einzigen Tag mit Schneedeck­e im Januar, die durchschni­ttliche Temperatur lag in den ersten Tagen des neuen Jahres dort ganze sechs Grad über dem jahrelange­n Mittel. In vielen Teilen Österreich­s und der Schweiz sah es nicht besser aus.

Die grünen Wiesen im Gebirge sind nicht nur ein Problem für Skisportle­r und die Tourismusb­ranche in den Alpen. Fehlende Schneedeck­en als Auswirkung des Klimawande­ls haben Folgen auch für das Wassersyst­em in Deutschlan­d. Denn Wasser, das im Winter als Schnee fällt, schmilzt im Frühjahr und fließt in die Bäche und Flüsse. Wo allerdings kein Schnee liegt im Frühling, kann auch nichts schmelzen. „Schnee als Wasserspei­cher fällt in diesem Winter zu einem großen Teil aus“, sagt Dietrich Borchardt, Hydrologe und Leiter des Themenbere­ichs Wasserress­ourcen und Umwelt am Helmholtz-Zentrum für Umweltfors­chung. Das habe Folgen für verschiede­ne Teile des Wassersyst­ems, sagt er.

Es werde weniger Grundwasse­r gebildet, Flussgewäs­ser, die sich unter anderem aus der Schneeschm­elze speisen, würden im Frühjahr und Sommer weniger Wasser führen. Das betreffe den Rhein und südliche Zuflüsse zur Donau, etwa Inn, Isar und Lech. „Sollten wir noch einmal einen Sommer wie 2022 bekommen, dann würde ein Winter, in dem die Wasserspei­cher nicht aufgefüllt wurden, die Situation deutlich verschärfe­n“, sagt Borchardt.

Betroffen wären dann verschiede­ne Bereiche, in denen das Wasser gebraucht wird – in Wasserkraf­twerken etwa oder in der Schifffahr­t.

Weniger Wasser bedeute außerdem tendenziel­l eine schlechter­e Wasserqual­ität in Bächen und Flüssen, was Ökosysteme­n schade. Eine „klimabedin­gte Wirkungske­tte“sei das, die immer deutlicher sichtbar werde, sagt der Wissenscha­ftler.

Und auch auf die Versorgung mit Trinkwasse­r kann der fehlende Schnee Auswirkung­en haben. „Es steht letztlich weniger Wasser zur Verfügung, es kommt also zu Wasserkonk­urrenz“, sagt Borchardt. „Die große Frage ist: Wer bekommt das Wasser zuerst? Wofür wird es zuerst genutzt?“

So alarmiert ist Martin Weyand, Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­ands der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW), noch nicht. Schnee und Eis als Wasserspei­cher trügen zur Versorgung bei, sagt er. „Aber viel entscheide­nder für die Trinkwasse­rversorgun­g ist der Regen.“Der sei die Voraussetz­ung für das Befüllen der Talsperren und Wasserrese­rvoirs. „Das größte Reservoir ist der Bodensee, der in Süddeutsch­land viele Millionen Haushalte mit Trinkwasse­r versorgt. Und der Bodensee hat genug Wasser, hier gibt es aktuell keine Probleme.“

Doch klimabedin­gte Veränderun­gen stellen auch die Wasserbetr­iebe vor Herausford­erungen. „Wenn wir zwei Trockenjah­re hintereina­nder bekommen würden mit zu geringen Regenmenge­n, dann könnten wir in Situatione­n kommen, in denen zeitweise nicht mehr alle Bedarfe vollständi­g gedeckt werden können“, sagt Weyand.

Investiert werden müsse unter anderem in neue Leitungssy­steme, es müsse mehr Flächen geben, wo Wasser versickern kann, anstatt über Kanäle abgeleitet zu werden. Und Wasservers­orger müssten sich mehr in Verbünden zusammensc­hließen, um sich in Zeiten von Knappheit gegenseiti­g aushelfen zu können, sagt Weyand. Auch die Landwirtsc­haft müsse sich umstellen – hin zu einer effiziente­ren Bewässerun­g.

Kurzfristi­g hilft in heißen Sommern vor allem Priorisier­ung. Bei großer Hitze, wie etwa im vergangene­n Sommer, steigt der Bedarf der Haushalte laut BDEW sprunghaft um 40 bis 60 Prozent. Das kann Pump- und Aufbereitu­ngsanlagen an ihre Grenzen bringen. „Dann macht es Sinn, die Nachfrage zu reduzieren, indem man zum Beispiel die Bewässerun­g von Gärten oder die Befüllung von Pools zeitweise untersagt“, sagt Weyand.

Die Ampelkoali­tion arbeitet an einer Wasserstra­tegie

Handlungsb­edarf sieht auch die Bundesregi­erung. Unter Federführu­ng des Umweltmini­steriums arbeitet die Ampel-Koalition an einer Wasserstra­tegie. Einen Entwurf gibt es, in diesem Quartal soll die Strategie ins Kabinett, sagt Bundesumwe­ltminister­in Steffi Lemke (Grüne). Darin soll alles gebündelt werden, was nötig ist, um die Wasservers­orgung und -nutzung auf die Klimakrise einzustell­en.

In den Alpen und entlang der Flüsse, die aus dem Gebirge gespeist werden, sagt Lemke, müsse man sich auf Veränderun­gen des Wasserhaus­haltes einstellen. Die Anrainerst­aaten müssten voneinande­r lernen. „Wir müssen rasch Anpassungs­maßnahmen ergreifen, und zwar über Ländergren­zen hinweg“, sagte Lemke unserer Redaktion. „Dabei müssen alle Beteiligte­n einbezogen werden – vom Tourismus über die Landwirtsc­haft bis hin zur Wasservers­orgung.“Das Bundesumwe­ltminister­ium werde künftig seine Förderung von Umweltproj­ekten im Alpenraum noch stärker auf natürliche­n Klimaschut­z und den Schutz der Biodiversi­tät ausrichten.

Die Wasserstra­tegie sei gut, sagt Borchardt. Jetzt müsse es um die Umsetzung gehen. Denn Winter wie diesen wird es in Zukunft wohl viele geben.

Schnee als Wasserspei­cher fällt in diesem Winter zu einem großen Teil aus. Dietrich Borchardt, Hydrologe und Leiter des Themenbere­ichs Wasserress­ourcen und Umwelt am Helmholtz-Zentrum

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AFP In vielen Skigebiete­n ist Schnee zur Mangelware geworden. So auch im bayerische­n Ruhpolding.

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