Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Bürokratie behindert die Schlösser- Sanierung

Planungen laufen für 23 Projekte in 13 Liegenscha­ften. Doch physisch sieht man noch nichts von all dem Papierkrie­g

- Wolfgang Hirsch

Noch ist kein Hammerschl­ag getan zur Sanierung der Thüringer Schlösser. Zwar hat der Deutsche Bundestag im November 2019 politisch den Weg freigemach­t für ein insgesamt 200 Millionen Euro schweres Sonderinve­stitionspr­ogramm (SIP I), das der Freistaat zur Hälfte als Kofinanzie­r schultert. Doch steckt die Schlössers­tiftung als Bauherrin seit drei Jahren tief in den Mühen der Ebene fest. Sprich: in der Bürokratie.

Trotzdem übt sich Direktorin Doris Fischer in Optimismus. Binnen nur noch fünf Jahren soll sie die Fördermitt­el

Wir haben uns die Spielregel­n nicht ausgedacht.

Doris Fischer Direktorin der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten

der öffentlich­en Hände verbauen – und verkündet frohgemut: „Wenn alle mitziehen, haben wir wirklich gute Chancen.“Dass sie und ihr Team in der Rudolstädt­er Zentrale auf der Heidecksbu­rg sich energisch durch die komplizier­ten Verfahren kämpfen, mag man vielleicht glauben. Doch wäre ein sichtbares Zeichen, die physische Eröffnung einer Baustelle, nun dringlich.

Auf dem Altenstein soll es in diesem Jahr richtig losgehen

Diesen Sommer könnte es endlich soweit sein, verspricht Fischer. Ausgerechn­et auf Schloss Altenstein, der einstigen Sommerresi­denz der Sachsen-Meininger nahe Bad Liebenstei­n, ginge es dann los mit den Sicherungs­arbeiten am Fels und am Turmstumpf der alten Burg im romantisch­en Schlosspar­k. Gerade der dortige, stets ungeduldig­e Bürgermeis­ter hatte ja die bürokratis­chen Abläufe im Sanierungs­programm scharf kritisiert.

„Wir haben uns die Spielregel­n nicht ausgedacht“, kontert nun Fischer – und schildert genüsslich, wie sie nahezu alle Bauvorunte­rsuchungsu­nd Planungsle­istungen nach strengen Vorgaben ausschreib­en

und die erforderli­chen Gelder jeweils bewilligen lassen muss. Etwa eine Million Euro – also ein halbes Prozent des Gesamtvolu­mens – hat sie erst abgerufen. Große Summen flössen dann schon, sobald das Bauen beginnt; vorhergehe­nde Planung sei ja üblich, meint sie süffisant und betont: „Wir haben in der Staatskanz­lei gute Partner. Ich finde, dass wir sehr gut vorankomme­n.“

Im Papierkrie­g. 23 Teilprojek­te wurden für 13 Liegenscha­ften geschnürt und allesamt durch eine eigens eingericht­ete Baukommiss­ion bis zur Leistungsp­hase 3 bewilligt. Also nur bis zum Abschluss der Planungen. Die muss das Landesamt für Bau und Verkehr fachlich prüfen, bevor abermals die Baukommiss­ion für die Leistungsp­hasen 4 bis 8 – das Bauen! – die Köpfe nickt.

Unfassbare­rweise ist das bereits zweimal geschehen: für die 13-Millionen-Investitio­n in den Altenstein sowie für ein Teilprojek­t auf Schloss Sondershau­sen, eine 750.000 Euro teure Fenstersan­ierung. Unterdesse­n wurden sechs weitere Teilprodoc­h

jekte – in Sondershau­sen, Schwarzbur­g, Dornburg, Molsdorf und Wilhelmsth­al – zurückgest­ellt, um die Finanzrese­rven auf 17 Millionen Euro aufzustock­en.

Denn zusehends laufen Fischer die Baupreise davon: um mehr als 14 Prozent 2021 und noch einmal neun Prozent bis August 2022 – laut Angaben aus ihrem eigenen Hause. Ohnehin hatte man aus dem SIP I schon fünf Millionen für Unvorherse­hbares beiseite gelegt, 20 Millionen

für neue Liegenscha­ften – Reinhardsb­runn und Friedrichs­werth – reserviert sowie 50 Millionen Euro der Großbauste­lle auf Gothas Friedenste­in zugeschlag­en.

Auf Gothas Friedenste­in wird die Lage immer prekärer

Und da sieht’s ganz arg aus. Zwar hat Fischer mit Geld aus einem älteren 60-Millionen-Euro-Programm inzwischen den Ostturm und das Dach des Westflügel­s stabilisie­rt,

gerät jetzt alle weitere Arbeit ins Stocken. Lediglich Notsicheru­ngsmaßnahm­en werden noch ausgeführt: an den statisch wichtigen Arkadenpfe­ilern im Hof und im Hochzeitsz­immer des Nordflügel­s.

„Seit Mitte des 17. Jahrhunder­ts hat es keine grundlegen­de Instandset­zung mehr auf Friedenste­in gegeben“, erklärt Fischer. Entspreche­nd katastroph­al ist das Bild. Etwa die Tragwerksk­onstruktio­n im zweiten Obergescho­ss des Westflügel­s: Wo sie stabile Eichenbalk­en erhofften, fanden die Fachleute nur Holzmehl vor. Blankes Entsetzen.

Trotzdem behindert die Bürokratie den Baufortgan­g, weil vor allem ein neuerliche­s Koordinier­ungsgesprä­ch zwischen Bundeskult­urund Bundesfina­nzminister­ium, Staatskanz­lei und Schlössers­tiftung nötig sei, heißt es. Dafür suchen die „guten Partner“in der Staatskanz­lei seit Monaten einen Termin.

Wer von derlei Kapriolen erfährt, möchte die sonst keineswegs blauäugige Doris Fischer für ihren Optimismus schier bewundern…

 ?? WOLFGANG HIRSCH ?? Auf Gothas Friedenste­in sind viele Arkadenpfe­iler derart marode, dass sie vorigen Herbst notgesiche­rt werden mussten.
WOLFGANG HIRSCH Auf Gothas Friedenste­in sind viele Arkadenpfe­iler derart marode, dass sie vorigen Herbst notgesiche­rt werden mussten.

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