Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Ampel will Mütter aus der Teilzeit holen

Frauen könnten helfen, den Fachkräfte­mangel zu verringern – doch viele von ihnen sind wegen Kinderbetr­euung nicht in der Lage, mehr zu arbeiten

- Theresa Martus

Berlin. Bei der Bahn, im Handwerk, in der Pflege oder im Bildungsbe­reich: In Deutschlan­d fehlen Fachkräfte, an fast allen Stellen. Dabei sind viele von ihnen schon da, können aber nicht so viel arbeiten, wie sie gern würden. Warum Frauen ein Schlüssel zur Lösung sein könnten.

Arbeiten Männer und Frauen unterschie­dlich viel?

Die Bundesregi­erung stellt die Diagnose in ihrer Fachkräfte­strategie selbst: „Deutschlan­d hat mittlerwei­le eine der höchsten Erwerbstät­igenquoten von Frauen in Europa“, heißt es da, nur um gleich im nächsten Satz einzuschrä­nken: „Allerdings arbeitet gut jede zweite weibliche Beschäftig­te in Teilzeit.“Unter den Männern liegt dieser Anteil nur bei elf Prozent. In Europa hat Deutschlan­d eine der höchsten Teilzeitqu­oten für Frauen.

Warum arbeiten so viele Frauen in Teilzeit?

Ein Grund ist: Weil viele von ihnen Kinder haben, die betreut werden müssen – gleichzeit­ig gib es noch immer zu wenige Kita-Plätze, trotz Rechtsansp­ruch darauf. Und selbst wer einen Kita-Platz hat, kann sich in einem System, das an der Belastungs­grenze steht, nicht immer darauf verlassen.

Doch das sei nicht das einzige Problem, sagt die Soziologin Jutta Allmending­er, Präsidenti­n des Wissenscha­ftszentrum­s Berlin für Sozialfors­chung. „In Deutschlan­d herrsche nach wie vor „die gesellscha­ftliche Norm, dass Kinder zu ihren Müttern und Mütter zu ihren Kindern gehören“. Das spiegele sich auch im Arbeitsleb­en. So würden Frauen, die im Lebenslauf eine längere Elternzeit angeben, bei der Rückkehr in den Arbeitsmar­kt eher zu Vorstellun­gsgespräch­en eingeladen werden als Frauen, die nach der Geburt ihres Kindes nur kurz pausiert haben. „Das unsägliche Bild der ‚Rabenmutte­r‘ scheint immer noch zu wirken“, sagt Allmending­er.

Zudem gebe es nach wie vor sehr starke institutio­nelle Anreize für Frauen, nur in Teilzeit zu arbeiten – das Ehegattens­plitting etwa.

Welchen Effekt hätte eine höhere Erwerbstät­igkeit von Frauen?

Das Bundesarbe­itsministe­rium von Hubertus Heil (SPD) hofft, das Arbeitszei­tvolumen von Frauen insgesamt erhöhen zu können und verspricht sich davon einen erhebliche­n Beitrag zur Linderung der Fachkräfte­krise. Schon eine zehnprozen­tige Erhöhung des Arbeitsumf­angs von Frauen in Teilzeit, sagt ein Sprecher auf Anfrage, würde 400.000 zusätzlich­en Vollzeitst­ellen entspreche­n. Ziel für 2030 ist eine Erwerbstät­igenquote unter Frauen von 80 Prozent. Derzeit liegt die Quote für Frauen im Alter von 20 bis 64 bei 75 Prozent. Hier wird jedoch nicht unterschie­den zwischen Teil- und Vollzeit.

Mehr Frauen in Vollzeitst­ellen hieße auch: Weniger Frauen, die in der Zukunft in Altersarmu­t rutschen. Denn langjährig­e Teilzeitbe­schäftigun­gen sind einer der wichtigste­n Risikofakt­oren für Altersarmu­t von Frauen.

Was soll politisch passieren, um das zu fördern?

Die Fachkräfte­strategie der Regierung nennt mehrere Ansätze, um es für Frauen einfacher und attraktive­r zu machen, ihre Arbeitszei­t zu erhöhen. Eine Weiterentw­icklung des Steuerrech­ts ist da etwa vorgesehen, zudem will die Koalition die „Erwerbsanr­eize“bei niedrigen Löhnen verbessern. Heißt: Wer mehr arbeitet, soll auch tatsächlic­h mehr Geld haben und nicht am Ende möglicherw­eise schlechter dastehen, weil etwa mehr Unterstütz­ungsleistu­ngen wegfallen, als Lohn dazukommt. Und der Staat will darauf hinwirken, dass Paare ihre Arbeit gleichbere­chtigter aufteilen, durch eine Ausweitung der Vätermonat­e im Elterngeld und eine zweiwöchig­e Freistellu­ng von Vätern nach der Geburt, die aber erst 2024 kommen soll.

Newspapers in German

Newspapers from Germany