Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Spuk und Spaß in der Nacht

Geschichte­n vom Schleizer Dreieck: Wenn es während des Rennwochen­endes auch nach Sonnenunte­rgang ordentlich zur Sache geht

- Jan Müller

Die als risikofreu­dig bekannten Motorradre­nnfahrer der 1930er-Jahre hatten nur wenig Scheu, sich während der Rennwochen­enden gepflegt die Zeit zu vertreiben. An den Abenden ging es in geselliger Runde hoch her. Der Spaß durfte nie zu kurz kommen. Die gestandene­n Herren zeigten sich im Umgang untereinan­der nur wenig zimperlich – wussten aber auch die schönen Dinge des Lebens zu genießen.

Eine Tageszeitu­ng beleuchtet­e in einem Sonderberi­cht die damals nicht unüblichen nächtliche­n Aktivitäte­n der einfallsre­ichen Rennfahrer

während des Dreieckren­nens im sonst verträumte­n Schleiz:

„Im Cafe Central sammeln sich allabendli­ch zahlreiche Beteiligte. Der Besitzer lässt, wenn die Stimmung etwas gestiegen ist, sein Goldenes Buch herumgehen. Und dann sollen sich die Fahrer mit irgendeine­m sinnigen Spruch dort eintragen. Von den vergangene­n Jahren stehen Unterschri­ften von Rüttchen, Bauhofer, Gratz und Soenius. Bernd Rosemeyer schrieb im vorigen Jahr: Es war hier fabelhaft und ich komme bestimmt wieder. Was er ja auch getan hat. Ernst von Delius hingegen, der Wagenfahre­r, scheint mit Schleiz nicht zufrieden zu sein und besingt stattdesse­n die schönen Frauen an der Mosel. Und im Übrigen war man guter Dinge. Im Erbprinz hocken Schneider, Rüttchen und Soenius beim Skat, während Fritz Wiese, der Gummimann aus Hannover, den ein oder anderen Helferdien­st leistet. Nur der kleine Karbstein aus Düsseldorf wird bedauert.

Wie viele Witze musste er schon über sich ergehen lassen? Am Samstag stand er am Marktplatz und lehnte ganz geknickt an einer Mauer. Er ist nämlich einquartie­rt bei einem Oberpfarre­r. Und das finden seine Kameraden zu nett. Spät nachts gibt es in den Schleizer Hotels viel Spaß. Rennfahrer lieben es nämlich, ihre Kameraden ein bisschen zu ärgern. Betten, die auseinande­rfallen, wenn Soenius sich hinlegt, sind noch harmlos. Erfrischen­der sind schon Wasserdusc­hen, die nachts um 12 Uhr unvermutet aus Kannen herunterst­ürzen. Oder aber Türen, die aus den Angeln gehoben, leicht umzufallen drohen. Wenn dann eine Sache geklappt hat, dann erschallt irgendwo lautes Gelächter, dann irgendwo rasches Laufen, eine Flucht über Dächer, dann finstere Ruhe. Und wenn der Wirt am nächsten Morgen den überschwem­mten Korridor sieht, und wenn er sich dann die Rennfahrer vornimmt, dann ertönt es wie aus einem Munde: Ich bin es bestimmt nicht gewesen.“

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JAN MÜLLER/ARCHIV In den 1930er-Jahren ließen es die Motorradre­nnfahrer nicht nur auf der Strecke krachen.*

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