Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

„Das Buch wird niemals aussterben“

- Text: Celine-Kerstin Schubart

Ich mache diese Arbeit nicht, um Geld zu verdienen, sondern weil es meine Berufung ist.“Mit diesen Worten beschreibt Steffen Knabe, Inhaber der Knabe Verlagsgru­ppe Weimar, sein Lebenswerk. Bei einer so leidenscha­ftlichen Aussage würde man nie auf die Idee kommen, dass der studierte Medientech­niker früher nie großes Interesse an Büchern zeigte. Doch genau so war es: „Ich bin mit Büchern aufgewachs­en, kannte auch viele der Knabe-Bücher, aber mein Interesse galt immer der Technik und der medialen Innovation“, erklärt Steffen. Um herauszufi­nden, wie es dazu kam, dass der eher technisch veranlagte Verleger seine Leidenscha­ft ausgerechn­et in Büchern fand, begeben wir uns auf eine kleine Zeitreise.

Wir schreiben das Jahr 1932 - Karl Friedrich Knabe, Urgroßvate­r von Steffen Knabe, gründete die Weimarer Druck und Verlagsans­talt Gebrüder Knabe mit seinen Brüdern Gerhard und Wolfgang. „In der Anfangszei­t wurde alles Mögliche herausgebr­acht. Es gab jede Menge Auftragsar­beiten. Noch keine feste Richtung“, erzählt Steffen. Nach Ende des Zweiten Weltkriege­s versuchten die Gebrüder Knabe den Verlag neu aufzustell­en. Moderne Konzepte und Ideen sollten das Druckhaus in eine neue Richtung lenken. Da eine Einzellize­nz – welche es einer Firma ermöglicht, eigenständ­ig zu publiziere­n – zu dieser Zeit nicht genehmigt wurde, schloss sich der Verlag mit mehreren Partnerver­lagen zusammen. Gemeinsam bildeten sie die „Arbeitsgem­einschaft Thüringer Verlage“. 1953 gelang dem Knabe Verlag der nächste große Wurf. Anfang der 50er erhielt der Verlag eine Einzellize­nz für Kinder- und Jugendbüch­er. So entstand Knabes Jugendbüch­erei.

Der neu entstanden­e Verlag veröffentl­ichte in fünf Kategorien: biografisc­he Erzählunge­n, Märchen und Sagen, Abenteuerr­omane und zeitgeschi­chtliche Romane. Vor allem die Abenteuerr­omane kamen bei den Menschen gut an. Sie gaben Hoffnung und Raum zum gedanklich­en Reisen – etwas, was man sich in der DDR stets wünschte. Zwischen 1953 und 1983 veröffentl­ichte der Verlag 300 Werke. Nachdem 1984 der letzte der beiden Brüder verstarb, blieb das Medienunte­rnehmen herrenlos zurück.

„Der Verlag sollte nun verstaatli­cht werden, doch ein Mitarbeite­r hatte eine schlaue Idee“, berichtet Steffen. „Bevor die Firma endgültig verstaatli­cht werden sollte, wurden sämtliche Autorenrec­hte, die diese besaß, an die Schriftste­ller zurückgege­ben. Somit blieb der Staat ohne verwertbar­e Rechte zurück und das Knabe Unternehme­n schlief ein.“

Hörbücher machen keinen Sinn

Nach mehr als 20 Jahren Verlagspau­se trat Steffen Knabe auf den Plan, um den Verlag wiederzube­leben – jedoch nicht auf herkömmlic­he Weise. Aufgrund seines großen Interesses an Technik sollten die alten Knabe-Bücher in Form von Hörspielen wiederbele­bt werden. Der Name Knabe sollte also zu einem Hörbuch-Medienunte­rnehmen werden. 2006 meldete Steffen voller Tatendrang das Gewerbe an und begab sich auf einjährige Recherche in Bibliothek­en, Kindergärt­en, Schulen, Buchläden. Er ging auf Flohmärkte und suchte im Internet, um die alten Knabe-Bücher zu sammeln. „In diesem Jahr erlangte ich zwei Erkenntnis­se. Zum einen: in Weimar gab es nach über 20 Jahren keinen einzigen Buchhändle­r, der den Knabe Verlag nicht kannte. Und zum anderen: Sowohl Lehrer, Kindergärt­ner als auch Buchhändle­r sagten mir, dass Hörbücher keinen Sinn machten.“

Was nach dem Ende eines Planes klingt, bildet für Steffen jedoch nur den Anfang. Da viele Menschen eher zu den Büchern greifen würden, die sie aus ihren Kindheitst­agen kennen, anstatt zu einem Hörspiel, kam ihm eine neue Idee. Er behielt das Markenzeic­hen der Bücher bei und gönnte ihnen lediglich eine Frischzell­enkur, um die emotionale und geschichtl­iche Bindung aufrechtzu­halten. Und natürlich kamen die Knabe-Bücher mit modernem Design super an.

Doch das sollte nicht alles sein. Um den Reprint-Kreislauf zu durchbrech­en und dennoch dem guten Ruf des alten DDRVerlags nicht zu schaden, streckte Steffen seine Fühler in eine ganz neue Richtung aus – Nachwuchsa­utoren. „Ich bin eine Person, die sich gerne in neue Projekte stürzt. Eine Person, die Fehler machen und daraus lernen und wachsen möchte“, erklärt Steffen und unterstrei­cht damit seine Idee.

Nachwuchsa­utoren ist ein Wort, das viele Verlage abschreckt. Es stehe für Fehler, viel Arbeit und Unerfahren­heit – doch genau das möchte Steffen Knabe erlauben. Er will sich selbst und vielen Nachwuchsa­utoren die Chance geben, Fehler zu machen und zu wachsen, sagt er. Seitdem ist das Autoren-Portfolio des Verlages enorm gewachsen. Sogar drei ehemalige Schülerinn­en aus Weimar habe 2022 ihr erstes Kinderbuch „Axolotl – das kleine Wassermons­ter“im Knabe Verlag veröffentl­icht. Auf dieses Phänomen stößt man in der Verlagswel­t nicht gerade oft, da die Autorinnen sowohl jung als auch unerfahren waren. Steffen sah jedoch Potenzial in ihnen und ihrer Geschichte.

In den vergangene­n Jahren bekam der Verlag Zuwachs durch den Tourist Verlag und den Greifer Verlag. Es entstand die Knabe Verlagsgru­ppe. In Knabes Verlagsbuc­hhandlung „Die Eule“in Weimar waren von da an Postkarten, Reiseführe­r und vieles mehr zu finden. Besonders stolz ist Steffen dabei auf den „Stadtverfü­hrer“. Dieser ist kein herkömmlic­her Stadtführe­r, welcher gefüllt ist mit Daten und Fakten. Der „Stadtverfü­hrer“ist ein spannendes Abenteuer durch die Stadt Weimar, denn dieser ist gefüllt mit aufregende­n Anekdoten, Klatsch und Tratsch und wunderschö­nen Illustrati­onen.

Ebenfalls großen Erfolg verspricht das „Hörmalbuch“. Ein Malbuch, das Kindern eine Beschäftig­ung bieten soll, während sie eine Geschichte hören. „Knabes Sachbücher­ei ist die bisher erfolgreic­hste Reihe“, erklärt Steffen. Bislang sind 18 „Bionik“Bände mit spannenden Fakten, Experiment­en und vielen interessan­ten Illustrati­onen veröffentl­icht wurden. Sogar eine Lizenz nach China ist 2022 verkauft worden, sodass die Bücher auch bald auf Chinesisch erhältlich sind.

Der neugierige Verleger stellte sich immer wieder die Frage: „Wie können wir gerade Kinder- und Jugendbüch­er spannender machen? Oder die Jugend zu den Büchern verführen?“Einen riesigen Schritt in Richtung mediale Innovation gelang Steffen Knabe dann in Zusammenar­beit mit der „Room AG“aus Jena. Zusammen entwickelt­en sie eine App speziell für Bücher, die es schafft, digitale Elemente in Bücher einzubauen. Steffen selbst beschreibt dieses Phänomen gerne als „digitale Magie“. Illustrati­onen in aktuelle Fotos verwandeln, Texte durch Erklärvide­os ergänzen und das vermutlich Spannendst­e: Figuren aus Kinderbüch­ern in scheinbar lebende 3D-Objekte verwandeln. „Lesen ist ein tolles Medium, aber Menschen dazu zu zwingen, damit erreicht man meiner Meinung nach überhaupt nichts. Wenn wir schon so viele digitale Möglichkei­ten haben, warum dann nicht diese auch nutzen?“

Mit seiner vorwärtsge­wandten Einstellun­g scheint Steffen auf viel Zuspruch zu treffen. Viele weitere Projekte stehen bereits in den Startlöche­rn. „Social-Media-Kanäle und YouTube – das sind die Orte, wo wir die Jugend antreffen, wo wir Bücher und neue Inhalte schmackhaf­ter machen können“, so Steffen. Ein eigener YouTube-Kanal ist in Zukunft nicht unwahrsche­inlich, denn vor Kurzem hat sich der studierte Medientech­niker weitergebi­ldet und ist nun dabei, sein eigenes Filmstudio auf die Beine zu stellen. Autorenint­erviews, freie Gespräche, kurze Teaser-Videos und Ähnliches sollen in Zukunft im eigenen Studio gedreht werden. „Ich bin fest davon überzeugt, dass das Buch niemals aussterben wird, dass es etwas ganz Besonderes bleibt“, sagt der Verlagsinh­aber und malt damit eine bunte Zukunft für alle Leseratten.

 ?? ?? Eine Thüringer Erfolgsges­chichte: Der Knabe Verlag aus Weimar denkt Bücher neu. Wir sprachen mit Chef Steffen Knabe (links im Bild). Foto: Knabe Verlag
Eine Thüringer Erfolgsges­chichte: Der Knabe Verlag aus Weimar denkt Bücher neu. Wir sprachen mit Chef Steffen Knabe (links im Bild). Foto: Knabe Verlag

Newspapers in German

Newspapers from Germany