Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Agrar-Betrieb im Orlatal dreht jetzt schon an der Uhr
Die Zeitumstellung beginnt bei vielen Milchbauern oft früher. Wie ein landwirtschaftliches Unternehmen nahe Schleiz den „Jetlag“der Herde verhindert
Benjamin Hertel
Rockendorf/Oettersdorf. Zwischen Heide und Rockendorf steht auf circa einem Hektar Land ein Gebäudekomplex der Agrarprodukte Ludwigshof. Darin befindet sich die Milchviehanlage des Unternehmens mit rund 1050 Rindern der Rasse Holstein-Friesian. „Schwarzbunte und Rotbunte“, informiert Carsten Weber, Vorstandsmitglied und verantwortlich für die Tierproduktion, im Redaktionsgespräch. 90 Prozent des Futters erzeuge man im Unternehmen selbst. Circa 930 Kühe werden im Zwölfstundentakt gemolken und jede von ihnen gibt täglich 20 bis 30 Liter Milch. Weber sagt: „Die übrigen Rinder stehen trocken“und meint damit, dass sie demnächst kalben.
Zweimal im Jahr kommt die gesamte Herde aus dem Trott. Nämlich dann, wenn die Uhren auf Sommeroder Winterzeit umgestellt werden. Für die 25 Mitarbeiter bedeutet das, die Tiere einige Tage vorher so sanft wie möglich mit den neuen Melk- und Futterzeiten vertraut zu machen. Denn „Kühe sind Gewohnheitstiere, sie schätzen keine Veränderungen“, wie Katrin Scholz, Anlagenleiterin und Herdenmanagerin, aus Erfahrung weiß. Scholz weiter: „15 bis 20 Minuten täglich reichen aus, damit sie am Montag komplett neu eingestellt sind und ihr Biorhythmus nicht durcheinander gerät.“
In Rockendorf wird noch konventionell gemolken. Selbstverständlich nicht mit Melkschemel und Eimer, wie es vor Ort hieß, sondern in einem Melkkarussell. Im Fachjargon nenne man das „geführter Melkverkehr“, was bedeutet: Der Mitarbeiter holt die Kuh, melkt sie vor und führt eine Sichtkontrolle der Milch durch. Danach schließt er das Euter an die Melkmaschine an. Den Rest erledige das Karussell.
Das Tagewerk sei dennoch harte körperliche Arbeit, versichert die Herdenmanagerin.
Für 450 Rinder in Oettersdorf spielt das keine Rolle mehr
Nicht jede Kuh wäre einem freundlich gesonnen, so unterschiedlich seien die Charaktere. Kuh „Resi“– liebevoll Stallmaskottchen genannt – möge es beispielsweise gar nicht, wenn sie zu früh geweckt werde. Komme es doch vor, strafe diese einen mit sehr strengen Blicken.
Moderner dagegen: der Tagesablauf in Oettersdorf bei Schleiz. Eine gewaltige Summe – genaue Zahlen wollte man gegenüber dieser Zeitung nicht nennen – sei investiert worden. „In die Zukunft“, unterstreicht Andre Hoyer, Vorstandsvorsitzender der Oettersdorfer Landwirtschaftlichen AG. Acht Melkroboter ständen für derzeit 450 Rinder im Stall zur Verfügung. Aufgegliedert in acht Gruppen, könnten die Kühe „wann immer sie wollen, sich melken lassen“.
Es gehöre damit der Vergangenheit an, die Herde an Sommer- und Winterzeit zu gewöhnen. Die Modernisierung des gesamten Betriebs laufe in drei Bauphasen ab. Die erste sei mit der Fertigstellung des neuen Stalls abgeschlossen und die nächste beginne in Kürze. Natürlich sei es hinsichtlich der Modernisierung für alle so, dass man erst hineinwachsen müsse und noch nicht vergleichen könne. Vorgesorgt habe man aber für ausreichend Kapazität die Milchtanks betreffend, damit man nicht mit der Logistik kollidiere.
Einiges hängt in Rockendorf von der erfolgreichen Umstellung ab Die Logistik gestaltet sich bei den Ludwigshofern noch etwas schwieriger. Denn die Abholzeiten der
Milch seien an die Melkzeiten gekoppelt und veränderten sich somit auch um jeweils eine Stunde. Carsten Webers Worten zufolge, hänge also alles davon ab, die Herde mit den Uhren umzustellen. Aktuell hole zweimal am Tag ein Tankfahrzeug die Milch in Rockendorf und transportiere sie ins oberfränkische Scheßlitz bei Bamberg. Wo sie anschließend im „Milchhof Albert“zu Produkten der sogenannten „weißen Linie“, unter anderem Milch, Quark, Sahne und Joghurt, weiterverarbeitet werde.