Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Wie ein paar Steinchen für sechs Wochen Vollsperrung sorgen
Gleich nach Ostern soll die L 2385 zwischen Hohenwarte-Staumauer und Lothramühle dichtgemacht werden. Die Hintergründe sind durchaus spannend
Thomas Spanier
Hohenwarte. Der Fels ist porös, der Hang steil. Das Thüringer Schiefergebirge tut sich hier, am Ende des Hohenwartestausees, schwer mit den Folgen von Erosion, Klimawandel und abgeholzten Fichtenbeständen, deren Wurzeln den Stein früher hielten. Immer wieder sorgen auf den paar Kilometern der Landesstraße 2385, die sich zwischen Staumauer und Neidenberga am Ufer entlang schlängelt, Zäune aus Metall und ins Gestein getriebene Anker dafür, dass kein Geröll auf den Asphalt rollt.
Hinter eine Barriere, kurz vor der Zufahrt zur Sommerfrische Lothramühle, liegen vereinzelt ein paar Zeugen dieses Prozesses. Autos, die hier am Montagvormittag im DreiMinuten-Abstand vorbeikommen, müssen ihre Geschwindigkeit erst auf 70, dann auf 50 km/h reduzieren. Ein Grund dafür ist nicht wirklich ersichtlich. Es ist eben so, seit Herbst schon. Seit ein paar Männer beschlossen haben, dass es sich hier um eine „Verkehrsgefährdung mit dringender Sicherung“handelt, wie es Jörg Warlitz ausdrückt, Fachkoordinator beim Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr. Einer der Männer.
Umleitung soll durch den Saale-Orla-Kreis führen
Weil die „dringende Sicherung“nun besonders im Frühjahr drängt und die auserwählte Baufirma gerade Kapazitäten hat, soll die beschlossene Hangsicherung am Mittwoch nach Ostern beginnen. Sechs Wochen lang, vom 3. April bis 17. Mai, soll die Uferstraße L 2385 am See zwischen dem Parkplatz an der Staumauer und der Zufahrt zur Lothramühle vollgesperrt werden.
„Eine Umleitung wird über die K181 - Kaulsdorf – B85 – Eichicht – Hockeroda – B90 – Leutenberg – K166 – Steinsdorf – K167 – Kleingeschwenda – K117 – Altengesees – L1100 – Lothra – Drognitz - L2385 und in die Gegenrichtung ausgeschildert“, schreibt das Landesamt in der Ankündigung der Sperrung. Der Saaleradweg werde über Bucha – Schmorda – Gössitz und in die Gegenrichtung umgeleitet. „Alle betroffenen Verkehrsteilnehmer werden um Rücksichtnahme und Verständnis gebeten“, so Sachbereichsleiter Michael Stahl. Mindestens bei drei betroffenen Bürgermeistern hält sich das Verständnis in engen Grenzen. Manfred Drieling (Hohenwarte), Tom Zimmermann (Drognitz) und Lothar Linke (Altenbeuthen) lehnen die verkehrsrechtliche Anordnung ab. Zimmermann hat es mit wütenden Bürgern und Eltern zu tun, deren Schulkinder bei einer Umleitung über Altengesees mehr als zehn Stunden am Tag unterwegs wären.
Der Drognitzer fordert, die Vollsperrung auf die tägliche Arbeitszeit von 8 bis 16 Uhr zu beschränken und den Verkehr davor, danach und am Wochenende per Ampelregelung an der Baustelle vorbeizuführen. Der Randstreifen könne dafür befestigt werden. Drieling plagen offenbar grundsätzliche Zweifel an
Die Landesstraße 2385 kurz vor der Zufahrt zur Lothramühle. An dem Hang waren im vorigen Jahr Bäume gefällt worden.
Zeitpunkt und Notwendigkeit der Baumaßnahme. Er fordert seit Wochen vergeblich einen Abwägungstermin und hat ein paar Fragen, die man im Landesamt als durchaus unangenehm empfinden könnte.
Beispielsweise, ob der Anfang November festgestellte Steinschlag ursächlich auf durchgeführte Baumfällarbeiten und loses Restgestein zurückzuführen sein könnte? Ob eine Vollsperrung angesichts der paar angefallenen Steinchen tatsächlich das angemessene Mittel ist? Ob das Ausschreibungs- und Vergabeverfahren zur Beauftragung der Firma Ilfeld „verfahrenskonform durchgeführt“wurde? Zuletzt bittet der Bürgermeister auch noch um Einsichtnahme der Planungsunterlagen, die zur Beauftragung geführt haben.
Die Antwort aus Erfurt kommt von Jörg Warlitz und ist im launigen Tonfall eines Beamten in Urlaubsstimmung verfasst. Darin schreibt der Fachkoordinator des Landesamtes für Bau und Verkehr (TLBV) zur Frage der Planungsunterlagen, „dass es keine derartigen Unterlagen gibt“. Je nach eingeschätzter geologischer Situation könne es sein, dass das TLBV einen Geologen mit einbinde. Dies sei im vorliegenden Fall aber nicht erforderlich gewesen.
„Zu diesem Punkt gab es nur die fachliche Einschätzung durch mich in Verbindung mit der Bergsicherung Ilfeld“, schreibt Warlitz, bevor er sich in den Osterurlaub verabschiedet.
Dass die „Verkehrsgefährdung mit dringender Sicherung“also das Ergebnis der Einschätzung von Auftraggeber und Auftragnehmer ist, kommentiert Ex-Landrat Hartmut Holzhey, der den Briefwechsel öffentlich gemacht hat, mit den Worten: „Bananenrepublik lässt grüßen“. An der geplanten Vollsperrung ab Mittwoch nächster Woche ändert das allerdings nichts. Zumindest vorerst.