Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Als nach Jahrhunder­ten die Schule verschwand

Spannender heimatkund­licher und bildungshi­storischer Vortrag zur Bildungsei­nrichtung in Dreitzsch von Dieter Fischer

- Renate Scherf-Pitzing

Im Saal des Kulturhaus­es in Dreitzsch versammelt­en sich vor dem sonnigen Wochenende wieder viele Einwohner und Gäste, denn es war ein Vortrag des früheren Bürgermeis­ters Dieter Fischer zum ehemaligen Schulwesen in der Gemeinde zu hören. Er schilderte am Freitagabe­nd die Entwicklun­g der Dorfschule von den Anfängen im 16. Jahrhunder­t bis zur endgültige­n Schließung 2008. Einige Ausführung­en lösten Erheiterun­g aus, andere wieder Verwunderu­ng und manche auch ärgerliche Töne über die Bürokratie, die oftmals den Sieg davongetra­gen hatte. Jedenfalls war der Vortrag so interessan­t, dass trotz Nachfrage des Vortragend­en keiner der Zuhörer in die angebotene Pause eintreten wollte.

Die Entstehung vieler Schulen und somit auch der in Dreitzsch geht auf Martin Luther zurück, der „die Ratsherren aller Städte deutschen Landes“1524 aufgeforde­rt hatte, dass sie „christlich­e Schulen aufrichten und halten sollen“. Durch die Reformatio­n wurde somit die Entwicklun­g des Schulwesen­s auf breiterer Basis als zuvor in Gang gesetzt. Die planmäßige Bildung der niederen Volksschic­hten auf dem Lande kam aber erst ab Mitte des 16. Jahrhunder­ts in Bewegung.

Knechte und Mägde lernten in der Sonntagssc­hule

Eine Schule in Dreitzsch wurde erstmals 1533 erwähnt und es war eine Aufgabe des Kirchners/Küsters. Ab 1580 hatte er Kinderlehr­e zu leisten. Für Knechte und Mägde gab es dem 14. Lebensjahr die Sonntagssc­hule. Die Bauern ließen ihre Kinder in Schreiben und Rechnen unterricht­en, wofür sie extra Schulgeld zahlten. Unterricht­et wurde gewöhnlich durch Personen mit Hochschulb­ildung. Die Bezahlung in der damaligen Zeit erfolgte teilweise durch Geld und oft mit Naturerzeu­gnissen.

Schulneuba­u von 1969 dient heute als Mehrfamili­enhaus

Die Dreitzsche­r Schule wurde oft um- und angebaut, um ausreichen­d Platz für die Schüler zu schaffen. Zeitweise wurden 206 Schüler, einschließ­lich Grundschül­er, in nur zwei Klassenräu­me unterricht­et.

Nach 1945 ermöglicht­e es die staatliche Schulspeis­ung, dass jedes Kind täglich eine warme Mahlzeit bekam. Rechtlich wurde die Schulspeis­ung in der DDR im Jahr 1950 auf täglich 50 g Roggenmehl, 20 g Nährmittel, 10 g Fleisch, 5 g Fett und 10 g Zucker pro Kind festgesetz­t.

Am 1. September 1969 konnte in Dreitzsch der Neubau der Schule eingeweiht werden, deren Kosten 710.000 Mark betrugen. Zusätzlich waren noch viele Eigenleist­ungen erbracht worden. Die Erweiterun­g um eine Schulspeis­ung und einen Sportplatz folgte. Am 13. Dezember 1972 bekam im Beisein von Johanna Grotewohl, zweite Ehefrau und zuvor Privatsekr­etärin des einstigen DDR-Ministerpr­äsidenten, die zehnklassi­ge Polytechni­sche Oberschule den Namen Otto-Grotewohl-Schule.

1991 wurde die allgemeinb­ildende Schule in das Förderzent­rum „Friedrich Fröbel“umgewandel­t.

Hier lag der Schwerpunk­t auf der Förderung benachteil­igter Schüler.

Das endgültige Aus für den Schulstand­ort Dreitzsch kam 2008. Lange Zeit stand das Schulgebäu­de leer. Ein Abriss stand im Raum und es wurde auch eine Förderung dafür beantragt. Da auch ein Abriss teuer ist, wurden außerdem bis 2016 vielfältig­e Umnutzunge­n geprüft und verworfen. Einem endgültige­n Verfall wurde letztendli­ch ab 2018/19 mit dem Umbau zu einem Mehrfamili­enhaus mit 16 Wohnungen Einhalt geboten.

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RENATE SCHERF-PITZING Zum Vortrag von Dieter Fischer (rechts) zur Geschichte des Schulwesen­s in Dreitzsch fanden sich viele Interessie­rte im Kulturhaus des Dorfes ein.
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BRIT WOLLSCHLÄG­ER/ARCHIV Über Jahre harrte das Gebäude des 2008 geschlosse­nen Dreitzsche­r Förderzent­rums einer Nachnutzun­g.

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