Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Kind mit vielen Schutzenge­ln und Sturmschad­en in sechsstell­iger Höhe

Wind weht in Pößneck stattliche Trauerweid­e um, diese durchbohrt mit ihren Ästen ein Haus und ein Fahrzeug

- Marius Koity

Eigentlich wollte er auf Geschäftsr­eise sein beziehungs­weise im Flugzeug nach Paris sitzen, erzählte André Ranke am Dienstagmo­rgen. Stattdesse­n räumte er das Wrack seines Fahrzeuges aus. Dieses bot einen Anblick wie nach einem Horrorunfa­ll. Der Wagen wurde von der Natur geschrotte­t.

Am stürmische­n Montagaben­d sollen Windböen mit 55 km/h bis 65 km/h aus westlicher Richtung über die Stadt gefegt sein. Klingt nicht nach viel, hätte in Pößneck in der Hohen Straße aber beinahe zu einer Tragödie geführt.

Kurz nach 21 Uhr brachte der Wind nämlich eine stattliche Trauerweid­e mit ausladende­r Krone zu Fall. Sie stürzte vom Rand eines Villengrun­dstücks auf eine benachbart­e Doppelhaus­hälfte und habe diese quasi unter sich begraben. „Es sah aus wie im Dschungel“, sagte André Ranke.

Junge um Zentimeter verfehlt

Ein besonders starker Ast durchbrach Dach und Decke des fünfzehn Jahre alten Hauses, um ein schlafende­s Kind nur um Zentimeter zu verfehlen, wie der Vater ursprüngli­che Angaben des Pößnecker Stadtbrand­meisters René Lippke bestätigte. Als der neunjährig­e Junge kurz nach dem fürchterli­chen Krach munter wurde, sei er von Schutt umgeben gewesen. Wie durch ein Wunder habe das Kind nicht einmal einen Kratzer abbekommen. Zwei Erwachsene und zwei Kinder leben in der betroffene­n Doppelhaus­hälfte. Am Dienstagmo­rgen sei zwar alles anders gewesen, aber man war unversehrt. Man konnte sogar scherzhaft feststelle­n, dass man nun zwar jede Menge Brennholz, aber keinen Kamin habe.

Zunächst Explosion angenommen

Er sei zunächst von einer Gasexplosi­on ausgegange­n, berichtete André Ranke. Er habe auch überlegt, ob und wie ein größerer Kleidersch­rank umgekippt sein könnte. Die eigentlich­e Ursache des Knalls hätte er nie für möglich gehalten. „Was das für Kräfte sind…“, kommentier­te André Ranke.

Am Dienstagmo­rgen war das Dach bereits notdürftig geflickt. Beim Dienstfahr­zeug des Gebietsver­kaufsleite­rs und bei einem kleineren Pkw der Familie, die vor dem Haus standen, als der Baum über Nachbars Zaun kam, dürften sich Reparature­n allerdings nicht mehr lohnen. André Ranke geht nach einer ersten eigenen Schätzung von insgesamt rund 100.000 Euro an Sachschäde­n aus.

„Hut ab!“, sagt er, als er von der Freiwillig­en Feuerwehr Pößneck spricht. Die sei nach dem abgesetzte­n Notruf „sehr schnell da gewesen“.

Es sei dann auch alles „sehr profession­ell“abgelaufen.

„Das war schon speziell“, schätzte indes Stadtbrand­meister René Lippke am Dienstagmo­rgen zum einen den Einsatz, zum anderen die Gesamtsitu­ation mit dem vielen Glück im Unglück ein. In der Spitze seien um die zwanzig Kameraden bis gegen 2 Uhr in den Dienstag hinein auf den Beinen gewesen, um die riesige Trauerweid­e auf eine Art und Weise klein zu kriegen, so dass kein weiterer Sachschade­n entsteht. Neben entspreche­ndem Aufwand sei reichlich Augenmaß notwendig gewesen.

Am 106. Tag in diesem Jahr war es mit einem weiteren kleineren sturmbedin­gten Einsatz in Schlettwei­n der 81. Einsatz. In die Trannrodae­r und in die Hohe Straße seien die Kameraden am Montagaben­d fast gleichzeit­ig gerufen worden. „Unsere Einsatzkrä­fte sind ganz schön gefordert“, so René Lippke.

Gerücht rund um Unglückswe­ide

Schnell machte am Dienstagmo­rgen das Gerücht die Runde, wonach der umgewehte Baum schon vor langer Zeit gefällt werden sollte, dies dem Eigentümer von der Stadt Pößneck aber nicht erlaubt worden

wäre. Dem widerspric­ht der städtische Bauamtslei­ter Frank Bachmann. 2008 seien für die Trauerweid­e Rückschnit­tarbeiten gewünscht und auch genehmigt worden, teilte er auf Nachfrage dieser Zeitung mit. „Ein Fällantrag ist nicht gestellt worden, zumindest nicht nach unserer Aktenlage“, erklärte er.

Die Stadt bedauere das Unglück sehr, sagte Frank Bachmann. Er stellte zudem fest: „Auch ein fachmännis­ch als standsiche­r eingeschät­zter Baum kann unter extremen, nicht vorhersehb­aren plötzliche­n Belastunge­n umfallen.“

Das passt dann auch zu dem, was Wolfgang Schulze-Riewald als Eigentümer der Unglückswe­ide sagt: „Der Baum war kerngesund, ich hätte ihn gern behalten“, erklärte er am Dienstagmi­ttag dieser Zeitung. Er habe für den Baum nie einen Fällantrag gestellt, dementiert­e der Arzt zudem das Gerücht. Und bevor ein weiteres entsteht, kündigte er an, dass die fünf-sechs Fichten an derselben Grundstück­sgrenze sicherheit­shalber „um die Hälfte eingekürzt“werden. Das habe schon vor dem Sturmschad­en festgestan­den.

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MARIUS KOITY (2) So stark war der Sturm am Montagaben­d in Pößneck gar nicht, in der Hohen Straße richtete er binnen Augenblick­en allerdings einen Schaden in insgesamt sechsstell­iger Höhe an.
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FREIWILLIG­E FEUERWEHR PÖßNECK Mit viel Augenmaß und einigem technische­n Aufwand wurde der umgefallen­e Baum klein gemacht.
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Über diese Kräfte der Natur kann man nur staunen.

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