Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Bald nur noch eine Kieferorthopädie
Demografischer Wandel trifft Zahnmedizin. Ein Überblick über die aktuelle Situation im Kreis
Pößneck/Schleiz/Bad Lobenstein.
Weil eine Zahnarzt-Praxis in Liebengrün händeringend bis zum Jahresende eine Nachfolge sucht, hat diese Lokalredaktion nach der zahnärztlichen Situation im SaaleOrla-Kreis gefragt.
Die Sprecherin der Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV), Laura Rothhagen, zählt mit Stand 31. Dezember 2023 im Landkreis „40 Zahnärztinnen und Zahnärzte in eigener Niederlassung (davon zwei Kieferorthopäden) und sechs angestellte Zahnärztinnen und – ärzte.“Das entspreche einem Versorgungsgrad im zahnärztlichen Bereich von 98,7 Prozent, im kieferorthopädischen Bereich von 66,18 Prozent.
Die beiden Kieferorthopäden finden sich in Pößneck und Schleiz. Noch. Die Jenenserin Karen Glockmann praktiziert in der Breiten Straße in Pößneck, Wolfang Strubel in der Geraer Straße in Schleiz. Während die 46-Jährige die Praxis von Dietmar Flach, bei dem sie seit 2014 angestellt war, im Jahr 2019 übernahm, sieht es im Raum Schleiz und dem ganzen südlichen Teil des Saale-Orla-Kreises künftig nicht gerade rosig aus. Denn auf der Homepage von Strubel ist zu lesen: „Aus persönlichen Gründen haben wir uns entschieden ins Ausland umzuziehen und dort einen Neuanfang zu wagen. Deshalb schließe ich meine Praxis zum 31.3.2025 und nehme keine Neuaufnahmen mehr auf.“Er verweist auf Glockmann und zahlreiche Kieferorthopädien außerhalb des Landkreises: in Gera, Plauen, Oelsnitz, Weida, Saalfeld, Hof und Kronach. Letztere Stadt ist 70 Kilometer von Schleiz entfernt.
Acht Zahnärzte in Schleiz, sieben in Pößneck
Zahnarzt-Praxen verteilen sich wie folgt über den Landkreis: Laut KZV sind acht Niederlassungen in Schleiz, sieben in Pößneck, jeweils vier in Neustadt an der Orla und Bad Lobenstein, jeweils zwei in Triptis, Remptendorf, SaalburgEbersdorf und Rosenthal am Rennsteig zu finden. Jeweils eine niedergelassenene Ärztin beziehungsweise Arzt gibt es in den Gemeinden Krölpa, Oppurg, Bodelwitz, Oppurg, Rosendorf, Oettersdorf, Wurzbach, Tanna, Hirschberg und Gefell.
In den Städten Ziegenrück und
Ranis findet sich keine Praxis, weiße Flecken gibt es ausschließlich im nördlichen Kreis-Gebiet. Ein „langes, schlängelndes Band“erstreckt sich zwischen Langenorla im Westen bis Kirschkau im Südosten beziehungsweise bis Geroda, Mittelpöllnitz im Nordosten.
Die KVT-Sprecherin Rothhagen teilt dazu mit: „Natürlich ist zu beobachten, dass Zahnarztpraxen fehlen. Der gesamte Saale-OrlaKreis ist ländlich geprägt und die Zahnärzte sind flächenmäßig unterschiedlich verteilt – daher gibt es Dörfer ohne Zahnarztpraxis. Da es in der freien Entscheidung steht, wo sich Zahnärzte niederlassen, kann die KZV wenig Einfluss auf die Wahl des Praxisstandortes nehmen.“Sie führt aus: „Allerdings wird es für die Praxisinhaber immer eine Rolle spielen, wie die Infrastruktur im Umfeld geprägt ist und ob ausreichend Patientenklientel für einen kostendeckenden Betrieb einer Zahnarztpraxis zur Verfügung steht.“
Bürokratie, Kosten, Personalmangel und mehr
In der Vergangenheit haben, so Rothhagen weiter, viele, die in den Ruhestand treten, keinen Nachfolger
gefunden.. Ursache sei die demografische Entwicklung, also viele ältere Zahnärzte und Mangel an Nachwuchs. „Hinzu kommen Bürokratie, hohe Kosten, Personalmangel, Budgetierung von Leistungen und Inflation, die junge Zahnärzte von einer eigenen Niederlassung abhalten“, zählt sie Gründe auf. Das sei gleichermaßen für geplante Praxisübergaben im städtischen als auch im ländlichen Raum festzustellen.
Diesen Eindruck bestätigt auch die Kieferorthopädin Glockmann. „Es könnte zukünftig echt problematisch werden“, drückt sie sich vorsichtig aus, wenn sie die Altersstruktur ihrer niedergelassenen Kollegen im Saale-Orla-Kreis betrachtet. Wegen der mannigfaltigen Unsicherheiten, sagt sie, entscheiden sich anscheinend auch weniger junge Kollegen, das Risiko einer Selbstständigkeit durch Übernahme einer bestehenden Praxis oder einer Praxisneugründung einzugehen.
Die 46-jährige Fachzahnärztin hat fünf Angestellte in der Pößnecker Praxis, darunter kieferorthopädische und zahnmedizinische Fachangestellte sowie eine Zahntechnikerin.