Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

„Liebe und Sex waren dominante Themen“

Autor Martin Suter verrät im Interview, wie er seine ersten Beziehunge­n erlebte und weshalb Französisc­hlernen wichtig zum Flirten war

- Rüdiger Sturm

Berlin. Schriftste­ller Martin Suter gilt als Schweizer Edelfeder, die sich keinem Genre verwehrt. In seinem neuesten Buch „Allmen und Herr Weynfeldt“(2024, Diogenes) muss sich der Kunstdetek­tiv Johann Friedrich Allmen seinem ersten Mordfall stellen. Immer wieder aber geht es in Suters Werken auch um das Thema, das alle Menschen bewegt: die Liebe. Über seine eigenen Erfahrunge­n in Herzensang­elegenheit­en spricht der 76-Jährige im Rahmen der Serie „Meine erste Liebe“mit den FUNKE-Tageszeitu­ngen. Sein Interesse an Beziehunge­n entwickelt­e Suter schon früh, wie er verrät. Um mit Mädchen in Kontakt zu kommen, hatte er in jungen Jahren seine ganz eigene Methode.

Ihr Roman „Melody“dreht sich um die unauslösch­lichen Erinnerung­en an eine außerorden­tliche Liebe. Wie lebhaft erinnern Sie sich an Ihre erste romantisch­e Begegnung?

Martin Suter: Ziemlich lebhaft. Da war ich so sechs oder sieben – in der Zeit zwischen Kindergart­en und Grundschul­e. Ihr Name war Nelda und sie hatte langes blondes Haar. Weil sie die Tochter eines Fahrradhän­dlers war, besaß sie auch selbst ein kleines Fahrrad, was sie noch mal so attraktiv gemacht hat. Ich war sehr verliebt in sie, gestand ihr aber das nie.

Vor Jahren habe ich das mal in einem Interview erwähnt. Daraufhin hat sich diese Nelda gemeldet und ich habe sie getroffen. Sie war immer noch sehr hübsch. Aber sie hat mir dann die bittere Wahrheit gestanden, dass sie in mich nie verliebt war.

Wann hat es dann zum ersten Mal geklappt?

Das war so in der dritten oder vierten Klasse. Es gab da zwei Möglichkei­ten, wie man einem Mädchen näherkomme­n konnte. Inoffiziel­l war das beim Eislaufen im Züricher Hallenstad­ion oder dem „Hallen Station“, wie wir das auf Englisch genannt haben. Ich war zwar kein guter Eisläufer, aber ein niedlicher Junge. Da forderte man ein Mädchen wie beim Tanzen auf, eine Runde zu drehen, Hand in Hand – oder ein Mädchen einen Jungen. Dazu liefen Songs wie „Are You Lonesome Tonight“von Elvis. Es gab aber auch eine streng geregelte Variante. Da hat man ein Mädchen gefragt: „Willst du mit mir gehen?“Meistens hatte man zwei Kumpel dabei, die wie Zeugen fungiert haben. Die Mädchen waren auch in Begleitung. Und dann sagte die Betreffend­e Ja oder Nein.

Da müssten Sie so acht, neun Jahre gewesen sein – speziell in der damaligen Zeit war das fast ein bisschen frühreif.

Ja, ich habe mich mit dieser Frage relativ früh beschäftig­t. Das Thema hat mich immer interessie­rt. Natürlich dann auch später. Als ich 14 war, sind meine Eltern nach Fribourg, in den zweisprach­igen Teil der Schweiz, gezogen, wo die Deutschsch­weizer in der Minderheit waren. Mich haben die französisc­hsprachige­n Mädchen sehr interessie­rt, aber ich konnte kein Wort Französisc­h. So habe ich ein winziges Lilliput-Lexikon genommen, damit ich flirten konnte.

Ich habe immer noch Kontakt zu einem französisc­hsprachige­n Schulfreun­d aus der Zeit, und er meinte, dass mich die anderen damals richtig bewundert hätten. Da kam dieser Deutschsch­weizer und hat ihnen mit diesem kleinen Wörterbuch die Mädchen ausgespann­t. Ich war da richtig mutig.

Aber Sie haben sich in Ihrer Jugend schon noch für anderes interessie­rt?

Bei mir war es auch noch das Skilaufen. Ich bin als Junge Skirennen gefahren. Und die Freundscha­ft mit den Jungs hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Es gab auch noch verbotene Sachen wie Rauchen und Trinken, aber Liebe und Sex waren dominante Themen.

Hat Ihre allererste Liebe eigentlich auch Ihr Frauenbild oder die Einstellun­g zur Liebe im Allgemeine­n geprägt?

Ich würde nicht sagen, dass ich nach einem bestimmten Typ von Frau gesucht habe. Das kann man nicht planen. Zugegebene­rmaßen war meine erste Frau Vivian auch blond und langhaarig wie Nelda. Wir haben sehr früh geheiratet. Ich war damals 20 und sie war noch nicht volljährig und brauchte die Unterschri­ft ihres Vaters.

Meine zweite Frau hatte auch lange blonde Haare, aber als ich sie kennenlern­te, war sie rothaarig und gelockt. Mit beidem war sie sehr schön – und das ist sie ihr ganzes Leben geblieben.

 ?? ??
 ?? ENNIO LEANZA / PICTURE ALLIANCE/KEYSTONE ?? Der Schweizer Schriftste­ller Martin Suter lebt in Zürich.
ENNIO LEANZA / PICTURE ALLIANCE/KEYSTONE Der Schweizer Schriftste­ller Martin Suter lebt in Zürich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany