Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Nachbardorf gewinnt das Tauziehen
Von Trödelmarkt bis Tauziehen: Gräfendorfs großes Jubiläumsfest zum 950. lockt auch mit Hubschrauberrundflügen, die begeistern
Marcus Cislak
Gräfendorf. Eine furiose Party über drei Tage feierten unzählige Besucher in Gräfendorf. Denn nachweisbar seit 950 Jahren leben hier Menschen, die vor allem ihren Gästen jede Menge Gaudi bescheren können. Diesen Eindruck konnte man gewinnen, wenn man durchs Dorf schlenderte. Am Sonntag war das unbestrittene Highlight das Tauziehen. Mannschaften aus der ganzen Umgebung traten an, aufgerechnet das einzige mit einer Frau an Bord siegte. Das Team „Dubschner Sixpack“aus dem Nachbarort Dobian bekam jede Menge Applaus und wurde mit Geschenken überhäuft. Eine lebende Gans war die Siegprämie. Anfangs, so sah es aus, war es zwischen dem Team der Gräfendorfer Feuerwehr und den Dobianern ein Kopf-an-Kopf-Rennen, doch man setzte sich mit der richtigen Taktik durch. Dann ging es rasant zur Sache. Die Stimmung war grandios. Das Feuerwehrteam holte den zweiten, die „Pfeilzieher“vom Bogenschützenverein Könitz erkämpften sich den dritten Platz.
Bei strahlendem Sonnenschein war der sonntägliche Frühschoppen gut besucht, der Festgottesdienst, den Pfarrer Christoph Fuß hielt, wurde begleitet mit den von Kindern der Krölpaer Grundschule erzählten Geschichten aus dem Dorf. Erstaunt muss man sagen, dass es am Sonntag jede Menge Besucher aus den Federn schafften, da der Tanzabend am Samstag mit „Zwei gegen Willy“und einem Feuerwerk bis tief in die Nacht ging.
Total abgehoben!
Der Kopf schwirrte zwar nicht, dafür die Rotorblätter. Denn Hubschrauberrundflüge gab es am Samstag zuhauf. Hans-Georg (78), Renaldo (52) und Anna Müller (25) aus Gertewitz hoben ab. Denn das waren Geburtstagsgeschenke für die zwei älteren Generationen. „Es war traumhaft, ich kann das nur jedem mal empfehlen“, ist das älteste
Geburtstagskind ganz aus dem Häuschen. Das erste Mal sei es gewesen, dass sie mit einem Helikopter geflogen sind. Bisschen gewackelt habe es, aber ansonsten glitt man sehr ruhig über die StausseeRegion und das Orlatal. Renaldo sei beeindruckt, wie schön ihre Heimat von oben sei. Der Helikopter gehört Wolfgang Fried aus Kölleda, der Rundfluge und eine Flugshow anbietet. „Das ist eine Robinson 444 mit vier Sitzen“, erklärt er. Pilot ist Stephan Smurawa.
Am Boden tobt unterdessen das pure Leben: Trödel- und Landmarkt lockten hunderte Besucher an, jede Menge Schnäppchenjäger aus dem Saalfelder Raum sind unterwegs. Unter anderem Uwe Schulze aus Kaulsdorf. Er sucht alles, wie er schulterzuckend sagt. Mittelalterliches, Historisches, er gehe gern mit Schottenröcken auf derartige Burgfeste. „Ein Mopedrad habe ich in Gräfendorf ergattert, denn eins von meiner Star, die ich gerade aufbaue, ist kaputt.“Er bezeichnet sich als Sammler, 15 Gitarren habe er und viel zu viele Schallplatten. Was das Beste ist? „Der soziale Aspekt, ich kenne die meisten Händler hier“, sagt er lachend.
Tolles Schnäppchen
Eine Vollzeit-Trödelhändlerin aus Saalfeld hat Kurioses, Nützliches, Unnützes: „Schwiegermuttergeschenke, hässlich, aber zu schade zum Wegwerfen, aber nicht auffällig genug, wenn es weg ist.“Von einem Tanometer berichtet ihr StandNachbar. Was das sei? „Damit misst man den Augeninnendruck“, sagt er lachend. Luise Ludwig, ebenfalls aus Saalfeld, 28, kommt vorbeigeschlendert, einen Teddybär hat sie geshoppt, ihr Freund ist Profi. Die beiden waren schon mal bei der beliebten TV-Sendung „Bares für Rares“, Fabian Kahl habe ihnen ein „Zwerg-Gemälde abgekauft“. Sie hat aber heute wenig Lust, was zu trödeln, sie sucht den DetscherStand.
Dazu muss sie erst an einem Kettensägekünstler vorbei, der lautstark eine Eulenskulptur formt, an Pilzsachverständigen mit Gewächsen, die kaum ein anderer benennen könnte, und an der „Schmuckelster“aus Wilhelmsdorf, die mit Selbstgemachtem bei den Besuchern punkten will. Bevor man an der Tombola für den Feuerwehrverein am südlichen Ende des Dorfes vorbeikommt und Detscher sich in den Mund schieben kann, trifft man Gisela Büttner, die kurz auf einer Bank Platz nimmt, das muntere Treiben genießt. Die Dorfchronistin ist hochzufrieden. „Alles ist toll dekoriert, die Gräfendorfer haben in den letzten Wochen renoviert, damit alles schön ist. Es ging ein richtiger Ruck durchs Dorf“, ist sie hellauf begeistert. Über den Standort für den vom Landrat überreichten Ginkgo-Baum ist man sich aber noch nicht einig.