Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Leserpost
Minister verhindert Gebietsreform
Zur Gebietsreform.
Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) hat mit seinem Vorschlag zur Gebietsreform diese schon jetzt vorsätzlich verhindert. Er hat sich über dieses Gesetz Paragraf 3 „Neugliederung der kreisfreien Städte (1) kreisfreie Städte sollen mindestens 100 000 Einwohner haben“hinweggesetzt. Diese Entscheidung wird weitere Klagen von anderen gegen seinen Vorschlag nachziehen und die Reform ist bis 2019 so nicht durchführbar.
Die strukturschwache Stadt Gera ist bis jetzt ein Sorgenkind von Thüringen. Nach der Wende hat die Stadt viele Unternehmen und Einwohner verloren – und deshalb war Gera immer ein Argument für die Reform. Sinngemäß: Wir müssen an der Struktur dieser Kommune etwas ändern, wir können dort nicht jedes Jahr Steuergelder versenken. Und nun soll die Stadt Gera kreisfrei bleiben, weil sie angeblich die Leistungskraft nachweisen kann? (gekürzt)
Stanislav Sedlacik, Weimar
Empörung wegen Demokratieabbaus
Zur Gebietsreform.
Die Thüringer Landesregierung verspricht den Gemeinden eine Prämie, die sich der Gebietsreform unterwerfen. Wer das nicht tut, dem droht die Zwangseinweisung ohne Prämie. Wie wenig überzeugend müssen die Argumente sein, dass man zu solchen Mitteln greift. Es ist ja auch schwer zu vermitteln, dass die Landbevölkerung ihre Unabhängigkeit aufgeben und sich in Städte oder Einheitsgemeinden eingliedern soll. Bei einem derartigen Demokratieabbau ist die Empörung begreiflich, zumal es Alternativen gibt, die verwaltungstechnisch ebenso effizient sind bei Beibehaltung der Eigenständigkeit der einzelnen Gemeinden. Aber besonders die SPDKoalitionäre um die Minister Tauber und Poppenhäger wollen ihr Konzept stur durchpeitschen. Da sind Einwendungen oder gar Vorschläge störend.
Dieses Verhalten erinnert an das von seiner Unfehlbarkeit überzeugte Politbüro vergangener Zeiten. Als Krönung klagt die Regierung gegen die Unterschriftensammlung zum Volksbegehren gegen diese Gebietsreform mit der Begründung, dass unter anderem Mittel für die oben genannte Prämienzahlung gefährdet seien. Ich halte diese Prämienzahlung für sittenwidrig, da hier versucht wird, durch Korrumpieren der Gemeinden eine Zustimmung zur eigenen Politik zu erlangen.
Anstand und Ehre verbieten solche Methoden. Es hat den Anschein, als wären dieser Landesregierung die Interessen der Bevölkerung in Bezug auf die Gebietsreform völlig schnuppe und ihre Beteuerung nach mehr Demokratie nur leere Worthülsen. Das ist für alle Thüringer sehr bedauerlich und fordert zu weiterem Widerstand auf.
Volker Grafe, Hermsdorf
Zustimmung für die vorgesehene Fusion
Zu den neuen Vorschlägen zur Gebietsreform diese Zuschrift.
Durch das sture Festhalten der CDU-Fraktion und einiger anderer im Kreistag des SaaleHolzland-Kreises nur an einer von Anfang an aussichtslosen Lösung, bei der Eisenberg Kreisstadt bleibt, wurde die Riesenchance für unseren Saale-Holzland-Kreis vertan, mit der Stadt Jena zu fusionieren. Für dieses Modell gab es viel Zustimmung, besonders aus dem Altkreis Jena-Land und sogar die Stadt Jena zeigte sich interessiert.
Die Kreisfreiheit Jenas ist aus Jenaer Sicht kein Argument, ergeben sich doch auch für Jena eine große Zahl an Vorteilen als Kreisstadt, dann eines „Kreises Jena“. Der vorgeschlagene Monsterkreis aus Saale-OrlaKreis, Saale-Holzland-Kreis und Saalfeld-Rudolstadt mit der fernen Kreisstadt Saalfeld ist das direkte Resultat des Festhaltens eines Teils des Kreistages SaaleHolzland an Eisenberg als Kreisstadt und für die Bewohner des Saale-Holzland-Kreises die schlechteste Lösung.
Vielleicht ist es noch nicht zu spät, durch Verhandlungen mit Jena einen Monsterkreis zu verhindern? Die vorgesehene Fusion von Saalfeld-Rudolstadt mit dem Saale-Orla-Kreis begrüße ich zutiefst, wird doch so die elende Spaltung der Tourismusregion „Oberes Saaletal“mit Deutschlands größten Stauseen überwunden. Bernd Tüngerthal, Stadtroda
Diskussion bringt die Reform voran
Ebenfalls zur Gebietsreform.
Ein Gespenst geht um in Thüringen – „Saale-Monsterkreis“. Dass es flächenmäßig größer wäre als das Saarland, spricht weniger gegen das geplante neue Ostthüringer Gebilde als für die Notwendigkeit, im Bund über die Selbstständigkeit des kleinen Bundeslandes an der Saar nachzudenken.
Bevor man sich vor dem „Monster“fürchtet, es beschimpft oder verspottet, sollte bedacht werden, dass im Nordosten Deutschlands sechs flächenmäßig weit größere Landkreise existieren – wenn auch mit geringerer Bevölkerungsdichte. Andererseits gibt es in Deutschland etliche Landkreise, die bedeutend mehr Einwohner zu verwalten haben als in einem Mega-Landkreis an Saale, Rauda und Orla sein würden.
Der aktuelle Verlauf der Debatte zur Gebietsreform gibt Anlass zur Hoffnung, dass dabei eine in der Thüringer Geschichte neue Qualität der Auseinandersetzung und der demokratischen Willensbildung erreicht wird. Historisch hatten lange Zeit Thüringer Grafen, Herzöge und Fürsten selbstherrlich das Sagen, wenn es um Verwaltungsund Gebietsstrukturen ging. Auch in der DDR wurden Lösungen stets von oben oktroyiert. Die Korrektur dieser Entwicklung in der Wendezeit sowie die Gebietsreform 1994 waren wiederum Haupt- und Staatsaktionen – diesmal unter Führung der CDU. Damit die Reform kein Reförmchen wird, ist die Besinnung auf die altgriechische Denktradition des „dialego“, der konstruktiven und produktiven Zwiesprache, gefragt. Die Kräfte in Thüringens Politik und Wirtschaft, die dazu fähig und bereit sind, dürften eine Erfolgsgarantie sein und Unkenrufe bald verstummen lassen. (gekürzt) Wolfgang Künzel, Bad Blankenburg
Bekannt, erfolgreich und hilfsbereit
Zum Beitrag „Dopingopfer protestieren gegen Schur-Nominierung“(OTZ, 19.4.2017).
Gustav-Adolf Schur gehörte zu den erfolgreichsten und bekanntesten Sportlern der DDR. Bei der Rad-WM 1960 auf dem Sachsenring verhalf er seinem Teamkameraden Bernhard Eckstein auf unnachahmliche Weise zum Sieg, wobei er auf seinen dritten Weltmeistertitel verzichtete. Er war vielfacher DDRSportler des Jahres. Gewiss hätte er Gelegenheit gehabt, im Westen zu bleiben und als Radprofi sehr viel Geld zu verdienen. Er war sich durchaus bewusst, dass er in der DDR eine großzügige Unterstützung erhielt und blieb in seiner Heimat.
Nun wird ihm vorgeworfen, er „kultiviere seine Treue zum Unrechtsstaat DDR“beziehungsweise er „beschädigt die FairPlay-Sportler, die schon drin sind“in der Hall of Fame. Wie hätte man wohl über ihn hergezogen, wenn er nach der Wende auf die DDR geschimpft hätte? Manfred Leutelt, Bad Blankenburg
Selbst als Test in solch ein Lager
Zum Leserbrief „So geht das nun nicht“(OTZ, 24.4.2017).
Zu Recht empört sich jeder, der von den Verhältnissen für Flüchtlinge in Ungarn hört und versteht, dass man dorthin keine Flüchtlinge deportieren kann.
Moment – jeder? Ein Leser aus Gera findet, das müsse entgegen jeder Art von Menschlichkeit durchgesetzt werden. Vorschlag an ihn: Lassen Sie sich selbst als Test in solch ein Lager schicken, leben Sie dort unter den Bedingungen, wie Flüchtlinge. Acht Wochen Ungarn, das muss das Paradies sein.
So würde ich auch gern Herrn Innenminister Hermann aus Bayern mit Deportierten nach Afghanistan fliegen sehen. Ohne Bewachung dort überleben, das heilt. Wäre er eigentlich versichert, wenn er entgegen der Warnung des Auswärtigen Amtes nach Afghanistan reist und dort die festgestellte Gefahr handgreiflich geworden ist? Gerd Behrens, Königsee-Rottenbach
Bauernregeln für Beamte
Zu den Beiträgen „Deutschland droht Beamtennotstand“und „Studie zu Höhe der Steuern“(OTZ, 19.4.2017).
Aus den Artikeln erfährt man interessante Zahlen. Es gibt 4,2 Millionen Arbeitnehmer, die den Spitzensteuersatz von 42 Prozent zahlen und damit 48,2 Prozent der Steuereinnahmen erbringen. Auf der anderen Seite gibt es 4,64 Millionen Menschen, die im öffentlichen Dienst arbeiten. Mit anderen Worten. Es gibt etwa die gleiche Anzahl Netto-Steuerzahler, die die Hälfte der Staatskasse füllen, wie Staatsangestellte, die aus selbiger bezahlt werden. Doch nun die bemerkenswerte Meldung. Laut Beamtenbund fehlen 20 Prozent Personal, es drohe der Beamten-Notstand. Hilft hier vielleicht die alte Bauernregel?
Man muss die Kuh auch füttern, damit man sie melken kann. Denn sonst werden Leistungsträger mit den Füßen abstimmen. Die Schweiz, Kanada und Australien wissen deutsche Fachkräfte und Akademiker hoch zu schätzen. Im letzten Jahr verließen bereits 140 000 Höchstqualifizierte unser Land.
Dieter Böhme, Gera Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, Texte zu kürzen. Leserbriefe per E-Mail senden Sie bitte an leserbrief@otz.de