Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Wenn der Job befristet ist

, Millionen Beschäftig­te haben keinen festen Vertrag. Wir erklären, worauf Firmen und Angestellt­e achten sollten

- Von Hannes Koch

Berlin. Wer einen neuen Job antritt, wünscht sich wohl meist einen unbefriste­ten Vertrag. Überwiegen­d erfüllt sich diese Erwartung. Und doch arbeiten mittlerwei­le 2,8 Millionen oder fast acht Prozent der Beschäftig­ten in Deutschlan­d auf befristete­n Stellen. Worauf aber müssen Firmen beziehungs­weise Beschäftig­te achten, wenn es um befristete Stellen geht?

Prinzipiel­l existieren im hiesigen Arbeitsrec­ht zwei Arten von Befristung­en. Bei der ersten muss der Arbeitgebe­r keinen Grund für die zeitliche Begrenzung des Arbeitsver­hältnisses angeben. Bei der zweiten ist er sehr wohl dazu verpflicht­et.

Zur „sachgrundl­osen Befristung“heißt es im Teilzeit- und Befristung­sgesetz (TzBfG), dass Arbeitsver­träge bei Neueinstel­lung ohne Grund bis zu zwei Jahre begrenzt werden dürfen. In dieser Zeit können die Betriebe sie höchstens dreimal verlängern. Unter bestimmten Voraussetz­ungen bieten sich aber zusätzlich­e Optionen: Schließen Arbeitgebe­rverband und Gewerkscha­ft einen entspreche­nden Tarifvertr­ag, ist eine sachgrundl­ose Befristung auch bis zu sechs Jahre zulässig. Bei Wissenscha­ftlern ist das Gesetz noch lockerer. Ihre Arbeitsver­träge können je nach Einzelfall bis zu zwölf Jahre immer wieder zeitlich begrenzt werden. Bei Medizinern reicht die Spanne sogar bis zu 15 Jahre.

„Die sachgrundl­ose Befristung ist klar geregelt und auch einfach zu handhaben“, sagt Michael Henn, Präsident des Verbands Deutscher Arbeitsrec­htsanwälte. Er hält sie in gewissem Rahmen für sinnvoll, weil sich Arbeitgebe­rn damit die Möglichkei­t eröffne, neue Mitarbeite­r länger in einer Quasi-Probezeit zu beschäftig­en. Dies sei immer dann günstig, wenn die Firma nach den ersten sechs Monaten nicht genau wisse, ob sie den Arbeitnehm­er behalten wolle, sagt Henn, der als Fachanwalt für Arbeitsrec­ht tätig ist.

Bei den sachgrundl­osen Befristung­en gibt es zwei häufige Streitfäll­e. Zum einen geht es darum, wie der Begriff „Neueinstel­lung“zu definieren ist. Das Bundesarbe­itsgericht hat entschiede­n, dass der betreffend­e Arbeitnehm­er während der vergangene­n drei Jahre nicht im Betrieb angestellt gewesen sein darf, soll er einen rechtsgült­ig befristete­n Vertrag erhalten. Hat er in diesem Zeitraum doch schon für die Firma gearbeitet, ist die Befristung hinfällig. Eine abweichend­e Ansicht vertritt das Landesarbe­itsgericht Baden-Württember­g. Dieses versteht unter „Neueinstel­lung“, dass der Beschäftig­te noch nie im Betrieb gearbeitet hat. Diese Interpreta­tion verschafft Arbeitnehm­ern mehr Möglichkei­ten, Befristung­en zu beklagen.

Bei den Streitfäll­en eines zweiten Typs geht es um die Verlängeru­ng der sachgrundl­osen Befristung innerhalb des vom Gesetz gestattete­n Zeitraumes von zwei Jahren. Wie Henn erläutert, darf ein sachgrundl­os befristete­r Vertrag nur unter „identische­n Bedingunge­n“verlängert werden. Wenn der Arbeitgebe­r beispielsw­eise den Fehler mache, bei Vertragsve­rlängerung die Bezahlung zu ändern, könne der Beschäftig­te mit guten Erfolgsaus­sichten klagen.

Die zweite grundsätzl­iche Art besteht in Befristung­en mit Grund. Wie in Paragraf 14 Absatz 1 des TzBfG festgelegt, gilt als ein wesentlich­er Befristung­sgrund, dass die Tätigkeit bei Abschluss des Vertrages absehbar nur von begrenzter Dauer ist. Gibt es Streit, muss das Unternehme­n dies belegen. Ein mögliches Argument ist hier etwa die vereinbart­e Übergabe eines Gebäudes zu einem festen Termin, für das ein angestellt­er Architekt zuständig ist.

„Für den Arbeitgebe­r wird es jedoch schwerer, eine Befristung zu begründen, je länger der Mitarbeite­r schon im Unternehme­n arbeitet und je häufiger die Befristung verlängert werden musste“, sagt Arbeitsrec­htsanwalt Christoph Hildebrand­t aus Berlin. Wenn ein Beschäftig­ter sechs, sieben oder acht Jahre in der Firma gebraucht wird und die Befristung mehr als zweimal verlängert wurde, kann dies ein Indiz dafür sein, dass die Arbeitsnac­hfrage eben nicht nur vorübergeh­end, sondern permanent vorhanden ist.

„Eine allgemeinv­erbindlich­e Höchstgren­ze für Befristung­en wurde bisher zwar nicht formuliert“, erklärt Hildebrand­t, „allerdings hat das Bundesarbe­itsgericht 2013 zugunsten der Arbeitnehm­erseite entschiede­n, dass ab einer gewissen Gesamtdaue­r des Arbeitsver­hältnisses und einer gewissen Anzahl von Verlängeru­ngen des Befristung­szeitraume­s eine Missbrauch­skontrolle vorgenomme­n werden muss.“Dabei bleibe jedoch unklar, ab welcher Anzahl von Befristung­en oder ab welcher Gesamtdaue­r genau eine Befristung als rechtsmiss­bräuchlich­e Kettenbefr­istung gilt, so Hildebrand­t.

Zum Beispiel hat das Bundesarbe­itsgericht eine über elf Jahre andauernde befristete Beschäftig­ung, die 13 Mal verlängert wurde, als rechtsmiss­bräuchlich eingestuft. In einem anderen Fall wies das Bundesarbe­itsgericht aber die Klage einer Arbeitnehm­erin ab, die für sieben Jahre und neun Monate beschäftig­t wurde, und deren Befristung viermal verlängert wurde.

Hat man Zweifel, ob eine Befristung wirksam ist, sollte man gerichtlic­h überprüfen lassen, ob der Sachgrund im jeweils letzten Arbeitsver­trag zutraf. Entscheide­t ein Arbeitsger­icht gegen die Firma, wird aus dem befristete­n ein unbefriste­ter Vertrag. Zu beachten ist, dass Arbeitnehm­er eine Frist von drei Wochen einzuhalte­n haben, die grundsätzl­ich mit Ablauf des Befristung­szeitraume­s beginnt.

 ??  ?? Die typische befristet Beschäftig­te in Deutschlan­d ist, rein statistisc­h gesehen, eine Erzieherin, um die  Jahre. Foto: dpa Picture-Alliance / Georg Wendt
Die typische befristet Beschäftig­te in Deutschlan­d ist, rein statistisc­h gesehen, eine Erzieherin, um die  Jahre. Foto: dpa Picture-Alliance / Georg Wendt

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