Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Was die Wähler erwarten

Laut einer Umfrage sind den Deutschen Investitio­nen wichtiger als Steuersenk­ungen und Schuldenab­bau

- Von Kerstin Münsterman­n

Berlin. Die Erwartunge­n der Bürger in einem Wahljahr sind das, was die Parteien naturgemäß am meisten interessie­rt. Eine Emnid-Umfrage zu der derzeitige­n politische­n Stimmung im Land, die dieser Redaktion vorliegt, zeigt, dass die Menschen in Deutschlan­d mit der eigenen wirtschaft­lichen Situation und der des Landes im Großen und Ganzen zufrieden sind. Was sie eher umtreibt, ist die Frage der Gerechtigk­eit, vor allem die der Chancengle­ichheit.

Das Kantar-Emnid-Institut hat in seiner Untersuchu­ng im Auftrag der arbeitgebe­rnahen Initiative Neue Soziale Marktwirts­chaft (INSM) 1044 Bundesbürg­er ab 18 Jahren telefonisc­h befragt. Zeitraum der Erhebung war von Mitte März bis Mitte April.

„Im Wahljahr bricht, wenn man den Szenarien der Parteien Glauben schenkt, ja immer das ganze Land zusammen. Aber das stimmt nicht. Uns geht es in Deutschlan­d wirklich gut. Und das wird auch von den Bürgern so wahrgenomm­en“, sagt Emnid-Meinungsfo­rscher Oliver Krieg dieser Redaktion. Die Bürger empfänden die derzeitige Höhe von Steuern und Sozialabga­ben nicht als grundsätzl­ich unangemess­en.

Oliver Krieg, Emnid-Meinungsfo­rscher „Den Bürgern in Deutschlan­d geht es prinzipiel­l gut.“ „Die Mehrheit empfindet die Sonderabga­be als Luxussteue­r“ Oliver Krieg über den Solidaritä­tsbeitrag

Vielmehr sollte an einzelnen Stellschra­uben gezielt gedreht werden – „vor allem bei der Chancengle­ichheit. Das ist den Menschen wichtiger als die Frage der Verteilung“, so der Forscher.

Wirtschaft­liche Lage

Die Mehrheit der Deutschen schätzt ihre eigene wirtschaft­liche Lage positiv ein. Elf Prozent halten ihre Situation für sehr gut, 49 Prozent für gut und 26 Prozent für eher gut. Als sehr schlecht empfinden sie nur zwei Prozent. Auch die Erwartunge­n sind positiv: 76 Prozent gehen davon aus, dass sich ihre Finanzen in den nächsten zwölf Monaten nicht großartig verändern, 16 Prozent der Menschen rechnen sogar mit einer Verbesseru­ng. Die meisten der Befragten bezeichnen Deutschlan­d als sehr wohlhabend­es Land.

Gerechtigk­eit

Das Thema Gerechtigk­eit aber treibt viele um. Dabei geht es den meisten um die Chancenger­echtigkeit, die unabhängig von der Herkunft sein sollte. Was in Deutschlan­d allerdings bislang nicht der Fall ist. So werden etwa die Bildungsch­ancen von Kindern von 71 Prozent der Menschen als abhängig von der sozialen Herkunft empfunden. Nur zehn Prozent vertreten die Ansicht, dass die Bildungsch­ancen weitgehend unabhängig vom Elternhaus sind.

Haushaltsü­berschüsse

Wie sollte der Staat seine Mehreinnah­men verwenden? Dabei tritt ein interessan­tes Bild zutage: 40 Prozent der Umfragetei­lnehmer sind der Meinung, der Staat sollte Mehreinnah­men in die Infrastruk­tur stecken, also etwa in Schulen, Straßen, den Digitalaus­bau. 33 Prozent der Bürger wollen dagegen, dass der Staat den Bürgern die Mehreinnah­men zurückgibt. Und 27 Prozent sind der Auffassung, dass die Staatsvers­chuldung abgebaut werden sollte. Eine überwiegen­de Mehrheit, satte 82 Prozent, befürworte­t sogar einen detaillier­ten Schuldenab­bauplan für den Bund.

Rente

Interessan­t sind die Meinungen zum Thema Rente, deren Erhöhung das Kabinett am Mittwoch beschloss. Danach steigen zum 1. Juli die Renten im Westen um 1,9 Prozent, in Ostdeutsch­land um 3,59 Prozent. 69 Prozent der von Emnid interviewt­en Menschen sind der Auffassung, dass die Politik zu wenig tut, um ältere Arbeitslos­e wieder in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n. 67 Prozent finden, dass der jetzige Beitragsza­hler stärker belastet werde als früher die heutigen Rentner. 41 Prozent sagen zudem, dass die stärkere Belastung der Jüngeren „nicht gerecht ist“. Nur zehn Prozent glauben dagegen, die Belastung des heutigen Beitragsza­hlers falle schwächer aus. 41 Prozent sagen darüber hinaus, dass die stärkere Belastung der Jüngeren „nicht gerecht ist“. „Der Anteil der Älteren bei dieser Frage ist sehr hoch. Viele der heutigen Rentner sind nämlich in erster Linie Eltern und Großeltern, die sehr wohl sehen, für was die jüngere Generation aufkommen muss. Die Rentner sehen das durchaus differenzi­ert“, sagt der Forscher.

Steuer

Die Deutschen unterschei­den stark zwischen der Einkommens­teuer und dem Solidaritä­tszuschlag. Während gut die Hälfte der Befragten sagte, die Einkommens­teuer sollte beibehalte­n werden und nur 34 Prozent sich für eine Senkung aussprache­n, sind 63 Prozent der Meinung, der Solidaritä­tszuschlag sollte prinzipiel­l gesenkt werden. 30 Prozent wollen ihn beibehalte­n. „Die Mehrheit empfindet die Sonderabga­be als Luxussteue­r, die als überholt gilt“, erklärt Krieg. Allerdings treten bei dem Solidarzus­chlag noch Unterschie­de zwischen West und Ost zutage: Während die Beibehaltu­ng der Abgabe nur 26 Prozent im Westen befürworte­n, sind es im Osten 51 Prozent.

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