Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Thüringer Gauner-Pärchen mit Hang zum Luxus aufgeflogen
Landeskriminalamt hat groß angelegten Drogenhandel sowie illegalen Datenverkauf nahezu aufgeklärt
Erfurt. Gelöste Stimmung im Konferenzraum des Landeskriminalamtes (LKA). Präsident Frank-Michael Schwarz hat gute Laune. Das wundert nicht mit Blick auf den Fall, den er gemeinsam mit Staatsanwalt Thomas Köhler aus Mühlhausen und Ermittler Martin Kähl vom Dezernat „Cybercrime“präsentieren wird und der kurz vor der Aufklärung steht.
Den Thüringer Ermittlern ist im vergangenen Jahr ein 30-Jähriger ins Netz gegangen, der nicht nur einen großen Rauschgifthandel betrieben, sondern auch mit illegalen Daten gehandelt hat. Der Fall zeige jetzt, erklärt Schwarz, dass es sehr wohl möglich sei, Straftaten im sogenannten Darknet aufzuklären – eine versteckte Form des Internets, auf der vor allem illegale Geschäfte laufen und die nicht ohne Weiteres zugänglich ist. „Das Darknet ist kein rechtsfreier Raum“, macht der LKA-Chef deutlich und will das als Ansage an jene Ganoven verstanden wissen, die hier ihren illegalen Geschäften nachgehen.
490 Unternehmen ausgespäht
Ein Ermittlungsverfahren dieser Größenordnung zu bestreiten und erfolgreich abzuschließen, stellt die Thüringer Kriminalisten vor besondere Herausforderungen. Zumal im vorliegenden Fall zwei Straftatenkomplexe von besonderem Umfang aufzuarbeiten sind. Zum einen der Rauschgifthandel und auf der anderen Seite das „Abfischen“von Daten. Beides wird dem 30Jährigen und seiner 19-jährigen Freundin vorgeworfen.
Die Geschichte des Gaunerpärchens spielt im ländlichen Südthüringen. Einen genauen Ort nennen die Ermittler nicht. Vor drei Jahren begann der Tatverdächtige, der bereits eine dreieinhalbjährige Haftstrafe wegen Internetbetrugs abgesessen hat, damit, den Drogenhandel vorzubereiten. Das können die Ermittler zweifelsfrei nachweisen und sind sich außerdem sicher, dass der Handel mit Drogen sowie mit illegalen Daten dazu diente, „den aufwendigen Lebensstil“zu finanzieren. Zwar sei eine unauffällige Wohnung von den beiden bewohnt worden, sie hätten aber gern mal auf anderer Leute Kosten teuren Champagner bestellt und außerdem sei der 30-Jährige mit hohen Summen in Wettbüros aktiv gewesen, so Staatsanwalt Thomas Köhler im Gespräch. Er ist in Mühlhausen mit dem zweiten Straftatenkomplex, dem illegalen Handel mit Daten, betraut.
Zunächst zurück zu den Drogen: Spätestens seit April 2016 war der Mann sowohl im Clearnet – also dem normal zugänglichen Internet – und im Darknet aktiv und verkaufte Drogen sowie Daten. Bis im November 2016 der Zugriff erfolgte: Bei einer Hausdurchsuchung stellten die Ermittler seinerzeit Notebooks, Handys, Festplatten, zwei Kilogramm Haschisch, 600 Gramm Amphetamin, 300 Gramm Methamphetamin, 200 Gramm Kokain und 100 Gramm Heroin sowie diverses Verpackungsmaterial sicher. Der Hauptverdächtige und seine Freundin sitzen seither in Untersuchungshaft und sind zwischenzeitlich auch von der Staatsanwaltschaft Gera angeklagt worden.
Ziemlich bedeckt halten sich die Ermittler der „Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift“ (GER) indes, wenn sie nach den Umsätzen gefragt werden, die das Pärchen damit erzielt hat. Zwischen 250 000 Euro und 400 000 Euro könnte der Umsatz allein mit dem Drogenhandel gelegen haben, heißt es.
Um ein Vielfaches höher dürfte indes die Einnahme aus dem zweiten Straftatenkomplex gewesen sein: Der 30-Jährige soll neben dem Drogenhandel auch Nutzerdaten illegal ausgespäht und im Darknet verkauft haben. „Das zeigt, dass Cyberkriminalität auch vor dem ländlichen Raum keinen Halt macht“, sagt Ermittler Martin Kähl vom Dezernat „Cybercrime“, das in diesem Fall ermittelt.
Das Ausspähen von Kundendaten von 490 mittelständischen Unternehmen im deutschsprachigen Raum soll der Mann mit einer im Internet normal erhältlichen Software geschafft haben. Außerdem wird ihm das Versenden von 6,8 Millionen sogenannter Phishing-Mails zur Last gelegt.
Erfahrungsgemäß, heißt es aus Ermittlerkreisen, antworten zehn Prozent der angeschriebenen Personen auf derlei Mails und geben nach dem Klick auf einen Link ihre persönlichen Daten ein. Thomas Köhler, bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen für das Verfahren zuständig und seit zwei Jahrzehnten mit der Aufklärung von Internetkriminalität befasst, sagt: „Heute können die Hacker die ausgespähten Daten nicht mehr alle nutzen und deshalb werden sie weiterverkauft.“
Zahlreiche Käufer von Datensätzen sind zwischenzeitlich ermittelt worden und müssen ebenfalls mit Verfahren rechnen – denn auch der Handel mit illegal erlangten Daten ist strafbar.