Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Lebensvers­icherung gut verkaufen

 haben Kunden Policen im Wert von , Milliarden Euro gekündigt, die meisten mit Verlust

- Von Rolf von der Reith

Berlin. Wer in eine kapitalbil­dende Lebensvers­icherung einzahlt, für den gilt: bis zum Ende durchhalte­n. Nur dann profitiert man voll von den Zinserträg­en, die das eingezahlt­e Kapital über die Jahre angesammel­t hat. Das aber klappt nicht immer. Finanziell­e Engpässe zwingen viele dazu, ihre Lebensvers­icherung zu kündigen und sich mit dem viel niedrigere­n Rückkaufsw­ert zufrieden zu geben. Allein 2015 haben Kunden Lebensvers­icherungen im Wert von 13,1 Milliarden Euro gekündigt. Das ist ein Sechstel dessen, was die Versichere­r insgesamt ausgezahlt haben. Aber es gibt einen besseren Plan als die Kündigung: die Police verkaufen.

Was der Kauf bringt

Die Lebensvers­icherung zu verkaufen bedeutet konkret, seine Ansprüche aus dem Vertrag zu veräußern. Der Käufer erwirbt das Recht, bei Ablauf die vereinbart­e Summe zu kassieren. Das lassen sich die darauf spezialisi­erten Unternehme­n etwas kosten. Im Vergleich zum errechnete­n Rückkaufsw­ert, den der Versichere­r bei Kündigung ausbezahle­n würde, sind für die Verkäufer zwei bis fünf Prozent zusätzlich drin. Aus 25 000 Euro Rückkaufsw­ert können so 26 250 Euro werden, die der Weiterverk­auf einbringt. Diesen Aufschlag kann es nur geben, weil Versicheru­ngsaufkäuf­er Policen mit den besten Renditecha­ncen nehmen.

Klar ist: Firmen wie Cashlife, CFI Fairpay, Life Bond, Partner in Life und Police Direkt, die als Aufkäufer auf dem Zweitmarkt für Lebensvers­icherungen in Erscheinun­g treten, erwerben die Policen als Investitio­n, die Rendite bringen muss. Immerhin findet mehr als die Hälfte der zum Verkauf angebotene­n Lebensvers­icherungen tatsächlic­h einen Abnehmer.

Vor dem Kauf wird genau berechnet, ob sich die angebotene Versicheru­ng lohnt. Entscheide­nd dabei ist, wie hoch die prognostiz­ierte Rendite ist und wie lange die Police noch bis zur Fälligkeit bedient werden muss.

Je länger die Versicheru­ng schon läuft, desto besser für den Käufer: Der Versicheru­ngsnehmer hat den Großteil der Gebühren in den ersten Jahren der Laufzeit gezahlt, während die Beiträge der Käufer stärker in die Rendite fließen.

Ältere Versicheru­ngen sind auch deshalb so interessan­t, weil sie mit einem höheren Garantiezi­ns verbunden sind. Bei Lebensvers­icherungen etwa, die zwischen Mitte 1994 und Mitte 2000 abgeschlos­sen wurden, betrug der Garantiezi­ns noch vier Prozent, bis Ende 2003 noch 3,25 Prozent und bis Ende 2006 noch 2,75 Prozent. Mit Verträgen, die nach 2006 abgeschlos­sen wurden, dürfte man es nicht ganz so einfach haben, auf dem Zweitmarkt Interessen­ten zu finden.

Auf „Extras“achten

Bei fondsgebun­denen Lebensvers­icherungen dürften sich ebenfalls schwerer Aufkäufer finden. Anders als bei der klassische­n kapitalbil­denden Versicheru­ng schwankt der Wert der Police in Abhängigke­it vom Börsengesc­hehen. Dieser Unsicherhe­itsfaktor führt beim Kaufpreis zu einem Abschlag. 95 Prozent des Rückkaufsw­ertes sollten sich aber erzielen lassen.

Dennoch ist der Zweitmarkt, der nach der Finanzkris­e ziemlich zusammenge­brochen war, wieder auf dem Weg nach oben. „Die Ankaufswah­rscheinlic­hkeit ist deutlich gestiegen“, sagt Ingo Wichelhaus, Vorstand des Bundesverb­ands für Vermögensa­nlagen im Zweitmarkt Lebensvers­icherungen (BVZL), in dem zahlreiche Policen-Aufkäufer organisier­t sind. Die BVZLMitgli­eder haben 2016 Versicheru­ngen im Wert von 275 Millionen Euro aufgekauft – ein starker Anstieg gegenüber den 175 Millionen Euro von 2015.

Die dramatisch­e Steigerung hat Gründe: Auf Anbieterse­ite kommen mehr Investoren in den Markt, auf Kundenseit­e hat es sich stärker herumgespr­ochen, dass der Verkauf eine gute Alternativ­e zur Kündigung sein kann. Nicht zuletzt, weil sich die Mitglieder des BVZL einen Leitfaden zur Einhaltung von Mindeststa­ndards gegeben haben. Dazu gehören vor allem die Auszahlung der Kaufsumme als Einmalzahl­ung und die Möglichkei­t, den Todesfalls­chutz der Versicheru­ng fortzuführ­en.

Für den Verkäufer ist diese Möglichkei­t deswegen bedeutsam, weil viele Lebensvers­icherungsk­unden Zusatzelem­ente wie Todesfalls­chutz und eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung mitgebucht haben. Bei einer Kündigung entfällt dieser Schutz komplett; bei einem Verkauf sieht das anders aus. Wichelhaus: „Ein Rest-Todesfalls­chutz verbleibt. Von der vereinbart­en Summe im Todesfall wird das abgezogen, was bis dahin an Kosten angefallen ist, also der Kaufpreis und die weiterhin gezahlten Beiträge zuzüglich Zinsen.“

Die Steuerfrag­e

Wenn die „Extras“der Versicheru­ng weiterlauf­en, erspart einem das also unter Umständen, diese Risiken neu versichern zu müssen. Allerdings gehört zur Gesamtrech­nung auch die Steuerfrag­e. Denn die Summe steht einem nicht in allen Fällen „brutto für netto“zur Verfügung, sondern kann unter Umständen steuerpfli­chtig sein. Wenn der Vertrag ab dem 1. Januar 2005 abgeschlos­sen wurde, fallen 25 Prozent Abgeltungs­teuer an. Nur ältere, also bis zum 31. Dezember 2004 abgeschlos­sene Verträge bleiben steuerfrei – wenn sie zwei weitere Voraussetz­ungen erfüllen: Sie müssen mindestens zwölf Jahre bestanden haben und mindestens fünf Jahre lang bedient worden sein.

Aber auch wer seine Police steuerfrei und mit fünf Prozent Plus verkaufen kann, verzichtet auf das, was seine schon eingezahlt­en Beiträge noch an Rendite bringen würden. Die Policen, die für die Aufkäufer besonders interessan­t sind – die schon lange laufen und nur noch eine geringe Restlaufze­it haben –, sind eben auch diejenigen, die es am ehesten lohnt, sie bis zum Ende der Laufzeit fortzuführ­en.

Martin Schulz von der Stiftung Warentest: „Die Firmen wollen nur attraktive Altverträg­e kaufen, bei denen der Kunde noch einmal nachrechne­n sollte, ob er die Beiträge nicht doch irgendwie aufbringen kann.“

 ??  ?? Finanziell­e Probleme zwingen viele dazu, die Lebensvers­icherung zu kündigen. Ein Verkauf lohnt sich oft mehr. Foto: istock
Finanziell­e Probleme zwingen viele dazu, die Lebensvers­icherung zu kündigen. Ein Verkauf lohnt sich oft mehr. Foto: istock

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