Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Gezielter Schuss
Drei Männer aus Neustadt wollen fliehen
Kurt W. (26), Jürgen R. (20) und Siegfried S. (23) aus Neustadt an der Orla heirateten jung, hatten familiäre Probleme und träumten von einem Neuanfang in der Bundesrepublik. In der Nacht zum 18. Juli 1964 stahlen sie ein Krad mit Beiwagen, ließen es dann in der Lückenmühle stehen, übernachteten in einer Scheune und liefen nach Lobenstein. Am Abend des 20. Juli erreichten sie das unmittelbare Grenzgebiet. Doch zwei Schüler aus Kießling hatten die jungen Männer gesehen und einen Offizier der Grenzkompanie Schlegel über die Ortsfremden informiert. Diese löste Grenzalarm aus. Mehrere Postenpaare riegelten den Bereich zwischen Schlegel und Blankenstein ab. Zwei Grenzsoldaten entdeckten die Flüchtlinge gegen 19 Uhr. Sie gaben Warnschüsse ab. Jürgen R. und Siegfried S. blieben stehen, Kurt W. rannte in Richtung Grenze. Auf ihn wurde gezielt geschossen. Ein Projektil zerriss ihm die Beinschlagader. Er brach schreiend zusammen und blutete stark. Nach einer halben Stunde traf ein Sanitätsfahrzeug der Kompanie Schlegel ein und brachte ihn nach Ebersdorf ins Krankenhaus. Auf der Fahrt dorthin verblutete Kurt W. Sein erster Versuch 1963, in den Westen zu gelangen, hatte mit einer Haftstrafe geendet. Zu einer Bewährungsstrafe von jeweils zwei Jahren wegen Totschlags wurden im Oktober 1999 vom Landgericht Gera die beiden Grenzsoldaten verurteilt.