Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Mistel stärkt den Herzmuskel
Neue Ausstellung bis . August im Unteren Schloss in Greiz: „Das Erbe der Buckelapotheker – Kräuter aus dem Vogtland“
Die Geschäftsstelle der Internationalen Bauausstellung (Iba) Thüringen zieht von Weimar in den Eiermannbau im benachbarten Apolda. Damit soll das leer stehende Fabrikgebäude in Gänze als „Open Factory“wiederbelebt werden, sagte Thüringens Infrastrukturministerin Birgit Keller (Linke) am Freitag in der Glockenstadt. Dafür würden nun Unternehmer, Gründer und Künstler gesucht, „die Mut und Lust haben“, sich auf dieses Abenteuer einzulassen.
Die leeren, lichtdurchfluteten Hallen seien als Co-Working-Arbeitsplätze und Werkstätten nutzbar, zudem stünden sie für Veranstaltungen zur Verfügung. Die Freiflächen um das Haus würden zum Gärtnern einladen, beschrieb die Ministerin, die seit 2015 auch Vorsitzende des Iba-Aufsichtsrats ist, die Eckpunkte der künftigen Nutzung. Insgesamt stünden dafür ein ehemaliges Verwaltungs- und das außergewöhnliche Produktionsgebäude – das einzige realisierte Gebäude des Architekten Egon Eiermann (1906– 1970) in Thüringen – sowie zwei Hektar Grundstück zur Verfügung.
Zu den wichtigen Vorhaben in diesem Jahr zählte Iba-Geschäftsführerin Marta Doehler-Behzad auch das Vorhaben „Resilientes Schwarzatal“. Eine Zukunftswerkstatt gehe dabei der Frage nach, wie die leerstehenden historischen Gebäude der früheren „Sommerfrische“erhalten, genutzt und auf neue Art und Weise touristisch erschlossen werden können. Erste Probeurlauber könnten dazu Ende April das ehemalige Heimatmuseum in Döschnitz beziehen.
Zudem werden neben diesem Projekt und der St. Annen-Kapelle in Krobitz auch das Massivholzexperiment „Timber Prototype“als drittes Iba-Vorhaben 2018 fertig. Mit dem kleinen Haus soll innovatives Bauen mit Holz demonstriert werden, so Doehler-Behzad.
Der Timber Prototype ermögliche zum Beispiel reduziertes Wohnen auf Zeit und sei so auch eine Option für den regionalen Tourismus. Auch das Projekt „Geras Neue Mitte“werde fortgeführt, hieß es. (epd) Greiz. Wer weiß heutzutage, dass die Mistel nicht nur als Weihnachtsdekoration schön anzusehen ist, sondern als Tee und Pulver auch in der Krebstherapie eingesetzt wird, blutzuckerund blutdrucksenkend wirkt, den Herzmuskel stärkt und sogar bei chronischem Durchfall und Heuschnupfen helfen kann?
Nun, das Wissen über die heilende und wohltuende Wirkung vieler Kräuter ist leider in kollektive Vergessenheit geraten oder gehört zumindest nicht mehr zu unserem Allgemeinwissen. Dabei wäre deren Anwendung ziemlich kostengünstig und absolut praktisch, helfen doch Heilpflanzen schon seit Menschengedenken, Krankheiten vorzubeugen, zu lindern und zu heilen.
Vom 16. Jahrhundert und noch bis ins 20. hinein hatten Naturheilmittel, sogenannte Olitäten, einen anderen Stellenwert in Mitteleuropa. „Und Thüringen spielte dabei eine entscheidende Rolle“, erklärt Museumsleiter Rainer Koch, der dem Thema „Das Erbe der Buckelapotheker“im Unteren Schloss in Greiz eine neue Ausstellung widmet. Am Sonntag um 11 Uhr wird diese eröffnet und ist bis 12. August zu sehen. Jene Buckelapotheker waren es nämlich, die das Wissen um Heilkräuter, ihre Dosierung und Einsatzmöglichkeiten hatten. Auf dem Rücken trugen sie ein Holzgestell, ein Reff, das vollbepackt war mit Glas- und Tongefäßchen, Holzschachteln, Tinkturen und Salben. So zogen sie, mit Dreispitz, braunem Schoßrock und roter Weste gut zu erkennen, von Hof zu Hof und Stadt zu Stadt. Es gab sogar eine strikte Gebietstrennung der Buckelapotheker, um Streit zu vermeiden. Und manche, so weiß Rainer Koch weiter zu erzählen, liefen mit ihrer Ware sogar bis in die Schweiz, nach Polen, Amsterdam oder Haarlem. „Die Thüringer Buckelapotheker hatten einen guten Ruf, und einige gelangten durch die große Nachfrage zu Wohlstand“, so Rainer Koch.
Dazu kam, dass die regional gefertigten grünen Flaschen aus Waldglas – die Färbung entstand durch Eisenoxid in den hiesigen Quarzsanden – sich als vorteilhaft erwiesen. Die Grünfärbung absorbierte das UVLicht und ließ den Inhalt der Flasche lange frisch bleiben und somit auch die Wirksamkeit des Mittels deutlich erhöhen.
Das Kräutersammeln und Verarbeiten hat hierzulande durchaus Tradition, denn schon früher war ein wichtiges Zentrum der Buckelapotheker das Thüringer Schiefergebirge. Um 1750 zählte man für das Amt Königsee über 350 Olitätenhändler, deren Wirken natürlich auch bis in das Vogtland und somit bis nach Greiz ausstrahlte.
Doch die neue Ausstellung konzentriert sich hauptsächlich auf die vielen Kräuter, die hierzulande an Feld- und Waldrändern, auf Wiesen und an Bächen wachsen. Sie soll wieder vermitteln, wo Baldrian, Ringelblume, Majoran, Gänsefinger- und Johanneskraut, Beinwell, Borretsch und Co. zu finden sind, und wie man sie einsetzen kann. Denn das alte Wissen um Olitäten erlebt durchaus wieder eine Renaissance und wird heute von Kräuterfrauen und -männern gepflegt, die durch Beratungen, Lehrgänge und Seminare dieses Wissen weitergeben. Auch an der aktuellen Ausstellung haben zwei von ihnen, Cornelia Seidel aus Greiz und Elisabeth Ruckdeschel aus Gefrees, mitgewirkt.
Und vielleicht wird sich der eine oder andere Besucher die Erkenntnis mit nach Hause nehmen, alte Himbeer- und Brombeerblätter doch nicht auf den Kompost zu werfen, sondern Tee daraus zuzubereiten. Die Einsatzgebiete für heimische Kräuter im Alltag sind unglaublich vielfältig – auch das möchte die aktuelle Ausstellung vermitteln.
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