Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Decathlon mischt Deutschland auf
Der Billiganbieter aus Frankreich setzt den etablierten Sportfachhandel mit immer mehr Filialen mächtig unter Druck
Berlin. Die hohen Decken sind nicht verkleidet, dicke Lüftungsrohre treten hervor. Auf der Verkaufsfläche verweisen grellgelbe Schilder auf Sonderangebote und geben in dem Labyrinth aus Regalen und Warentischen etwas Orientierung. Auf einer Fläche von rund 8700 Quadratmetern gibt es in der Decathlon-Filiale am Berliner Alexanderplatz zahlreiche Schnäppchen: Turnschuhe für 9,90 Euro, ein Wurfzelt für 19,99 Euro, einen kleinen Wanderrucksack für 2,99 Euro. Mit seinen Billigpreisen mischt der französische Sporthändler Decathlon den Markt für Sportartikel in Deutschland auf.
Mit über zehn Milliarden Euro Umsatz pro Jahr ist Decathlon einer der größten Sportartikelhersteller und -vertriebe der Welt. In Frankreich, Italien und Spanien ist das Unternehmen schon Marktführer – in Deutschland soll es auch bald so weit sein. Vor fünf Jahren gab es hierzulande 18 Filialen, mittlerweile sind es 50. Allein im vergangenen Jahr eröffnete Decathlon 15 neue Geschäfte, der Umsatz ist 2016 um fast 29 Prozent, auf etwa 333,2 Millionen Euro gestiegen. 3400 Mitarbeiter beschäftigt der Konzern in Deutschland.
80 Prozent des Sortiments ist aus eigener Produktion
Decathlons Strategie: niedrige Preise, eine breite Produktpalette und starke Eigenmarken. Die wohl bekannteste ist die Bergsteigermarke Quechua. 80 Prozent des Sortiments entwickle das Unternehmen komplett selbst, erklärt eine Sprecherin von Decathlon Deutschland. So hat Decathlon die Kontrolle über die Produktion und hält die Kosten niedrig. Dieses Konzept setzt die etablierten Händler in Deutschland wie Intersport oder Sport 2000 unter Druck. Noch ist Intersport mit einem Umsatz von 10,5 Milliarden Euro pro Jahr Marktführer. Der Verband Deutscher Sportfachhändler (VDS) gibt sich gelassen: Wer in Deutschland Fuß fassen wolle, der müsse sich auf die deutschen Kunden einstellen und die legten viel Wert auf guten Service und eine umfassende Beratung.
Tatsächlich hat es fast 30 Jahre gedauert, bis sich Decathlon fest in Deutschland positionieren konnte – denn seine erste Auslandsfiliale eröffnete das Unternehmen bereits 1986 in Dortmund. Das lag jedoch nicht unbedingt an den Bedürfnissen der deutschen Kundschaft, sondern vor allem an den strikten Auflagen lokaler Bauverwaltungen. So war es für Decathlon schwer, große Flächen für seine Filialen zu finden. Die Bauplanungen vieler Städte sahen vor, Einkaufsmöglichkeiten in der Innenstadt zu konzentrieren. Mit der wachsenden Zahl großer
„Der Sportfachhandel muss sich mit PremiumArtikeln absetzen.“
Shoppingcenter am Stadtrand stiegen auch die Chancen für Decathlon auf Baugenehmigungen. Mittlerweile ist Decathlon allein in Nordrhein-Westfalen mit elf Standorten vertreten. Weitere Geschäfte werden in diesem Jahr in Dortmund mit einer zweiten Filiale, in Dresden, Karlsruhe, Braunschweig Dietmar Brandl, Marktforscher
und Bielefeld eröffnet.
Nicht überall haben die Franzosen allerdings Erfolg: In Mannheim musste eine Filiale wieder schließen, weil die Konkurrenz durch den Sportartikelhändler Engelhorn zu stark war. Der Premiumhändler wirkt deutlich schicker und legt seinen Fokus stark auf Kundenberatung und Atmosphäre. Offenbar ist den Kunden das einiges wert – die Produkte sind wesentlich teurer als bei Decathlon. Aus dem Rückschlag hat Decathlon gelernt: In München hat das Unternehmen vor Kurzem ein kleines Geschäft in der Innenstadt eröffnet, das völlig anders aufgebaut ist als der klassische Decathlon-Markt. „In den Läden der Innenstadt setzt Decathlon auf interaktives Einkaufen. Dort schaut man sich die Produkte an, probiert sie aus und bestellt sie dann über das Internet“, erklärt Dietmar Brandl vom Marktforscher NPD Group. Decathlon setze aber „ganz deutlich auf die preisaggressive Schiene und ist mit dieser Strategie nach wie vor sehr erfolgreich“. Der deutsche Sportfachhandel müsse sich mit Premium-Artikeln von dieser Konkurrenz absetzen. Entscheidend für den künftigen Erfolg von Decathlon dürfte auch dessen Umgang mit Kritik an den Produktionsbedingungen sein. Die Organisation Kampagne für saubere Kleidung und die Christliche Initiative Romero werfen dem Unternehmen vor, dass die günstigen Preise auf Kosten der Arbeiter gingen. Einem Medienbericht zufolge werden Mitarbeiter in Sri Lanka unterdurchschnittlich bezahlt und machen unbezahlte Überstunden. Decathlon will Mitte des Jahres in einem Report über seine Produktion informieren.