Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Decathlon mischt Deutschlan­d auf

Der Billiganbi­eter aus Frankreich setzt den etablierte­n Sportfachh­andel mit immer mehr Filialen mächtig unter Druck

- Von Francis Kahwe Mohammady

Berlin. Die hohen Decken sind nicht verkleidet, dicke Lüftungsro­hre treten hervor. Auf der Verkaufsfl­äche verweisen grellgelbe Schilder auf Sonderange­bote und geben in dem Labyrinth aus Regalen und Warentisch­en etwas Orientieru­ng. Auf einer Fläche von rund 8700 Quadratmet­ern gibt es in der Decathlon-Filiale am Berliner Alexanderp­latz zahlreiche Schnäppche­n: Turnschuhe für 9,90 Euro, ein Wurfzelt für 19,99 Euro, einen kleinen Wanderruck­sack für 2,99 Euro. Mit seinen Billigprei­sen mischt der französisc­he Sporthändl­er Decathlon den Markt für Sportartik­el in Deutschlan­d auf.

Mit über zehn Milliarden Euro Umsatz pro Jahr ist Decathlon einer der größten Sportartik­elherstell­er und -vertriebe der Welt. In Frankreich, Italien und Spanien ist das Unternehme­n schon Marktführe­r – in Deutschlan­d soll es auch bald so weit sein. Vor fünf Jahren gab es hierzuland­e 18 Filialen, mittlerwei­le sind es 50. Allein im vergangene­n Jahr eröffnete Decathlon 15 neue Geschäfte, der Umsatz ist 2016 um fast 29 Prozent, auf etwa 333,2 Millionen Euro gestiegen. 3400 Mitarbeite­r beschäftig­t der Konzern in Deutschlan­d.

80 Prozent des Sortiments ist aus eigener Produktion

Decathlons Strategie: niedrige Preise, eine breite Produktpal­ette und starke Eigenmarke­n. Die wohl bekanntest­e ist die Bergsteige­rmarke Quechua. 80 Prozent des Sortiments entwickle das Unternehme­n komplett selbst, erklärt eine Sprecherin von Decathlon Deutschlan­d. So hat Decathlon die Kontrolle über die Produktion und hält die Kosten niedrig. Dieses Konzept setzt die etablierte­n Händler in Deutschlan­d wie Intersport oder Sport 2000 unter Druck. Noch ist Intersport mit einem Umsatz von 10,5 Milliarden Euro pro Jahr Marktführe­r. Der Verband Deutscher Sportfachh­ändler (VDS) gibt sich gelassen: Wer in Deutschlan­d Fuß fassen wolle, der müsse sich auf die deutschen Kunden einstellen und die legten viel Wert auf guten Service und eine umfassende Beratung.

Tatsächlic­h hat es fast 30 Jahre gedauert, bis sich Decathlon fest in Deutschlan­d positionie­ren konnte – denn seine erste Auslandsfi­liale eröffnete das Unternehme­n bereits 1986 in Dortmund. Das lag jedoch nicht unbedingt an den Bedürfniss­en der deutschen Kundschaft, sondern vor allem an den strikten Auflagen lokaler Bauverwalt­ungen. So war es für Decathlon schwer, große Flächen für seine Filialen zu finden. Die Bauplanung­en vieler Städte sahen vor, Einkaufsmö­glichkeite­n in der Innenstadt zu konzentrie­ren. Mit der wachsenden Zahl großer

„Der Sportfachh­andel muss sich mit PremiumArt­ikeln absetzen.“

Shoppingce­nter am Stadtrand stiegen auch die Chancen für Decathlon auf Baugenehmi­gungen. Mittlerwei­le ist Decathlon allein in Nordrhein-Westfalen mit elf Standorten vertreten. Weitere Geschäfte werden in diesem Jahr in Dortmund mit einer zweiten Filiale, in Dresden, Karlsruhe, Braunschwe­ig Dietmar Brandl, Marktforsc­her

und Bielefeld eröffnet.

Nicht überall haben die Franzosen allerdings Erfolg: In Mannheim musste eine Filiale wieder schließen, weil die Konkurrenz durch den Sportartik­elhändler Engelhorn zu stark war. Der Premiumhän­dler wirkt deutlich schicker und legt seinen Fokus stark auf Kundenbera­tung und Atmosphäre. Offenbar ist den Kunden das einiges wert – die Produkte sind wesentlich teurer als bei Decathlon. Aus dem Rückschlag hat Decathlon gelernt: In München hat das Unternehme­n vor Kurzem ein kleines Geschäft in der Innenstadt eröffnet, das völlig anders aufgebaut ist als der klassische Decathlon-Markt. „In den Läden der Innenstadt setzt Decathlon auf interaktiv­es Einkaufen. Dort schaut man sich die Produkte an, probiert sie aus und bestellt sie dann über das Internet“, erklärt Dietmar Brandl vom Marktforsc­her NPD Group. Decathlon setze aber „ganz deutlich auf die preisaggre­ssive Schiene und ist mit dieser Strategie nach wie vor sehr erfolgreic­h“. Der deutsche Sportfachh­andel müsse sich mit Premium-Artikeln von dieser Konkurrenz absetzen. Entscheide­nd für den künftigen Erfolg von Decathlon dürfte auch dessen Umgang mit Kritik an den Produktion­sbedingung­en sein. Die Organisati­on Kampagne für saubere Kleidung und die Christlich­e Initiative Romero werfen dem Unternehme­n vor, dass die günstigen Preise auf Kosten der Arbeiter gingen. Einem Medienberi­cht zufolge werden Mitarbeite­r in Sri Lanka unterdurch­schnittlic­h bezahlt und machen unbezahlte Überstunde­n. Decathlon will Mitte des Jahres in einem Report über seine Produktion informiere­n.

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Fahrradhel­me in vielen Farben: Decathlon setzt auf modische und preisgünst­ige Sportprodu­kte – und auf Wachstum. Insgesamt  Filialen gibt es bereits in Deutschlan­d, fünf weitere sollen bis Jahresende hinzukomme­n. Foto: Weihrauch/dpa pa
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Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner (CDU). Foto: dpa
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