Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Klubkamera­den tagelang gefoltert

Die „Osmanen Germania“haben sich zu einer gefürchtet­en Straßengan­g entwickelt. Jetzt steht die Führung vor Gericht

- Von Jonas Erlenkämpe­r

Stuttgart. Wie brutal und skrupellos die Gruppe anscheinen­d agiert, zeigt ihr Umgang mit in Ungnade gefallenen Kumpanen. In Herrenberg nahe Stuttgart etwa kidnappten Mitglieder der „Osmanen“einen Mann, fesselten ihn und – davon ist die Staatsanwa­ltschaft überzeugt – quälten ihn fast zu Tode: Sie schlugen ihm mit einer Eisenstang­e mehrere Zähne aus, schossen ihm in den Oberschenk­el und traten auf ihn ein, bis er das Bewusstsei­n verlor. Dann holten sie ohne Betäubung die Patrone aus seinem Bein. Nach drei Tagen gelang dem Verletzten die Flucht. Sein Vergehen: Er war abtrünnig geworden und hatte sich geweigert, gegen Kurden vorzugehen.

Wegen dieses Verbrechen­s und weiterer Vorwürfe steht seit gestern die Führungssp­itze der türkisch-nationalis­tischen Straßengan­g „Osmanen Germania BC“in Stuttgart vor Gericht. Es war der Auftakt eines spektakulä­ren Langzeitpr­ozesses. Gut 50 Verhandlun­gstage sind angesetzt, erst 2019 wird es ein Urteil geben. Schon die Sicherheit­svorkehrun­gen sind bemerkensw­ert. Die Verhandlun­g wurde in den Gerichtssa­al des Gefängniss­es Stammheim verlegt, wo in den 1970er-Jahren die RAF-Prozesse stattfande­n. Die Angst vor Ausschreit­ungen ist groß. „Es gibt eine Bedrohungs­lage“, sagt Jan Holzner, Sprecher der Stuttgarte­r Staatsanwa­ltschaft, vage.

Rund um das Gefängnis waren gestern Straßenkon­trollen aufgebaut, Hubschraub­er kreisten über dem Justizgebä­ude, Hunderte Polizisten waren im Einsatz. Die „Osmanen“sollen beste Kontakte zum Umfeld des türkischen Präsidente­n haben. Sie nehmen an deutschen ProErdogan-Demonstrat­ionen teil und liefern sich immer wieder schwere Schlägerei­en mit der verfeindet­en kurdischen Gang „Bahoz“. Dahinter stecke ein Machtkampf um die Vorherrsch­aft „auf der Straße“, so Staatsanwa­lt Michael Wahl. Die Polizei sorgt sich daher, dass Türken und Kurden am Rand des Prozesses aufeinande­r losgehen könnten.

Angeklagt sind fünf Türken und drei Deutsche, darunter der 46 Jahre alte, selbst ernannte „Weltpräsid­ent“der rockerähnl­ichen Gang und sein Vize (38). Von der Entführung ihres Kumpanen in Herrenberg sollen sie gewusst haben. Werden sie verurteilt, besetzen die „Osmanen“die Führungspo­sten wohl neu.

Die Gruppe hat sich erst vor drei Jahren gegründet

Die Liste der Straftaten, die den Männern vorgehalte­n werden, ist lang: versuchter Mord, versuchter Totschlag, gefährlich­e Körperverl­etzung, Zuhälterei, räuberisch­e Erpressung, Freiheitsb­eraubung, diverse Waffenund Drogendeli­kte. Man könne bei Verurteilu­ngen von „mehrjährig­en Haftstrafe­n“für jeden Einzelnen ausgehen, heißt es bei der Staatsanwa­ltschaft.

Die kommenden Monate werden zutage fördern, wie groß der Einfluss der 2015 als Boxklub gegründete­n „Osmanen“tatsächlic­h ist. Die Behörden wissen von 33 Ortsgruppe­n mit rund 400 Mitglieder­n. Als Hochburgen gelten die Regionen Frankfurt am Main, Stuttgart und Wuppertal.

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Foto: dpa „Osmanen“-Unterstütz­er vor dem Stuttgarte­r Justizgebä­ude.

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