Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Ausbrecher sitzt in Rumänien in Auslieferungshaft
Fünf Monate nach seiner spektakulären Flucht aus dem Gefängnis Suhl-Goldlauter wurde Vasilie T. wieder gefasst ,
Erfurt. Ausgerechnet am Tag des Prozessbeginns gegen seine mutmaßlichen Bandenmitglieder wird bekannt, dass Vasilie T. wieder hinter Gittern sitzt. Dem 35-Jährigen war vor fünf Monaten eine spektakuläre Flucht im Pappkarton aus dem Gefängnis in Suhl-Goldlauter gelungen. Noch immer laufen dazu Ermittlungen.
Wenige Tage nach der Flucht übernimmt die Zielfahndung des Landeskriminalamtes in Erfurt die Suche nach dem 35-Jährigen Moldawier. Da hatte sich die Hoffnung, dass er in Thüringen mögliche Adressen von Bekannten aufsucht, bereits zerschlagen.
Vergangenen Samstag war es dann so weit. Rumänische Sicherheitsbehörden fassen ihn im Grenzgebiet zwischen Rumänien und Moldawien.
Offenbar waren es aber nicht die rumänischen Kontrollen an der EU-Außengrenze, welche die Falle zuschnappen ließen. Die Thüringer Zielfahnder konnten gemeinsam mit der Kriminalpolizei Erfurt unter Hilfe des Bundeskriminalamtes die Spur des Flüchtigen aufnehmen. Nun sitzt der 35-Jährige in rumä- nischer Auslieferungshaft. Wann er nach Deutschland überstellt wird, ist noch völlig offen.
Neben der einjährigen Haftstrafe, die er noch verbüßen muss, droht auch ihm ein Prozess wegen mutmaßlicher bandenmäßiger Drogengeschäfte.
Erfurt. Im Vorjahr machten Zoll und Landeskriminalamt (LKA) einen bemerkenswerten Fang. Insgesamt 48 Kilogramm Marihuana stellten die Beamten der gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift im Juni sicher. Einem Tipp aus Frankreich folgend, kamen die Fahnder dank Telefonüberwachung und weiterer Maßnahmen einer Dealerbande in Erfurt auf die Spur. Sechs Personen aus Moldawien wurden verhaftet.
Gegen vier von ihnen verhandelt seit gestern die Schwurgerichtskammer am Landgericht Erfurt. Die Anklage gegen zwei Frauen und zwei Männer hat die Staatsanwaltschaft in Gera erhoben, weil sie unter anderem als Bande unerlaubt mit Marihuana gehandelt haben sollen. Die Geraer Ankläger sind auf Fälle organisierter Kriminalität spezialisiert. Das Marihuana soll kiloweise aus den Niederlanden herangeschafft worden sein. Die dortigen Hintermänner konnten laut Anklage bisher nicht ermittelt werden. Nur in einem Fall kamen die Drogen nach Bochum ins Ruhrgebiet. Einer der Angeklagten lebt dort. Insgesamt soll die Bande binnen Jahresfrist etwa 86 Kilogramm Marihuana nach Thüringen geschmuggelt und hier weiter verkauft haben. Akribisch listet der Staatsanwalt in neun Punkten die Vorwürfe auf. Ausgangspunkt ist zumeist eine Beschaffungsfahrt in die Niederlande.
Vasilie T. wird als einer der Beschuldigten genannt, der an diesen Fahrten beteiligt gewesen sein soll. Doch er wird gesondert verfolgt, wie es in der Anklage heißt. Denn der 35-Jährige konnte im Oktober aus dem Gefängnis in Suhl-Goldlauter fliehen und sitzt deshalb nicht mit auf der Anklagebank.
Gestern Nachmittag kam dann unerwartet die Nachricht, der Flüchtige ist wieder gefasst. Ob das Auswirkungen auf den Prozess haben wird, ist noch unklar. Immerhin wäre denkbar, Vasilie T. als Zeugen zu laden.
Auch gegen einen zweiten der im vergangenen Juni Festgenommenen, wird gesondert ermittelt. Daher fehlte auch er gestern im Gerichtssaal.
Fakt ist laut Anklage, dass zwischen 2016 und 2017 mehrmals aus den Niederlanden Marihuana in Mengen zwischen fünf und 20 Kilogramm nach Erfurt gebracht wurde. Eine der angeklagten Frauen soll dann zumeist mit dem Weiterverkauf an Zwischenhändler in Dosierungen zwischen 100 und 200 Gramm betraut gewesen sein. Den Erfurter Marktwert im Straßenverkauf der Droge gibt die Staatsanwaltschaft Gera mit etwa 6,60 Euro je Gramm an.
Das Gerichtsverfahren droht ein Mammutprozess zu werden. Den Angeklagten sind zwei Pflichtverteidiger beigeordnet. Hinzu kommen noch zwei Dolmetscherinnen.
Mit einer Ausnahme sprechen die Frauen und Männer im Alter zwischen 31 und 64 Jahren kaum deutsch. Ihre Muttersprachen sind Rumänisch oder Russisch. Alle vier haben die Staatsbürgerschaft der Republik Moldau.
Die Schwurgerichtkammer hat für den Prozess vorerst bis Ende Juli weitere zehn Verhandlungstage angesetzt. Gestern wurde die Anklageschrift verlesen. Die Kammer informierte die Prozessbeteiligten zudem noch einmal darüber, dass eine Schöffin wegen einer Erkrankung ausgefallen sei und somit eine weitere Schöffin für den Prozess neu benannt werden musste.
Erwartungsgemäß stellte einer der Verteidiger einen Antrag, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zu überprüfen. Weitere Verteidiger schlossen sich dem an. Wegen der Osterferien in Thüringen hat diese Prüfung vorerst aber keine Auswirkung auf den Zeitplan des Gerichts. Der nächste Verhandlungstermin ist erst für den 9. April angesetzt.
Den Verteidigern übergab die Kammer gestern weitere Akten und Unterlagen zum Verfahren. So erhielten die Anwälte 47 CD‘s mit Dokumenten, darunter sicherlich Protokolle der Telefonüberwachungen der Angeklagten. Aber auch ein dicker Papierstapel von Akten in gedruckter Form lag bereits zu Verhandlungsbeginn auf den Plätzen der Anwälte. Beim Vervielfältigen der Unterlagen für die Anwälte war offenbar nicht die Originalakte der Staatsanwaltschaft Gera verwendet worden, so dass ein Teil der Papiere den Verteidigern bisher fehlte.
Nach nicht ganz einer Stunde endete gestern der erste Verhandlungstag in diesem Verfahren. Ob sich die Angeklagten vor Gericht zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen äußern werden, ist noch offen.
Drei der vier Angeklagten sind nach ihrer ursprünglichen Festnahme vergangenen Sommer inzwischen wieder auf freiem Fuß. Der 31-Jährige Hauptangeklagte sitzt dagegen in Untersuchungshaft und wurde gestern von Justizbediensteten in Handfesseln vorgeführt.
Beschaffungsfahrt in die Niederlande