Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Fauler Sechsbeiner im Landkreis unterwegs
Der Eremit fühlt sich in der Region wohl
Burkersdorf. Leichter Nebel liegt noch über dem Tal, während die winterlichen Sonnenstrahlen beginnen, die Bäume am Bachlauf der Blauen Flut bei Burkersdorf langsam wach zu küssen. „Bis auf die kühlen Temperaturen optimale Bedingungen für den hier noch heimischen, trägen Käfer“, meint Marco Kertscher, Artenschutzbeauftragter der Unteren Naturschutzbehörde im Landkreis Altenburger Land, mit dem ich unterwegs bin.
Der Eremit (Osmoderma eremita) macht seinem Namen alle Ehre: Zurückgezogen lebt er. Doch wo? Am liebsten hat der braun-schwarze, leicht glänzende Blatthornkäfer alte Bäume, in deren Höhlen sich seine Larven ungestört entwickeln können. Entscheidend dabei ist das Vorhandensein von so genanntem Mulm – einem ersten Zersetzungszustand von totem Holz –, welchen die anfangs fünf Millimeter kleinen Larven fressen und im Laufe von drei bis vier Jahren zu 7,5 Zentimeter großen Engerlingen heranwachsen. Dabei verdrückt jede von ihnen etwa einen Liter des feuchten Materials.
Hier in Burkersdorf stehen wir vor alten Kopfweiden. Doch der Eremit fühlt sich auch in anbrüchigen Eichen, Linden oder Rotbuchen wohl. „Bei uns im Landkreis sind aber besonders die Kopfweidenvorkommen an Bachläufen und vereinzelte Streuobstwiesen entscheidende Lebensräume“, sagt Kertscher. So auch der schmale Streifen an der Blauen Flut, welcher zum FFH-Gebiet „Eremitlebensräume zwischen Altenburg und Schmölln“gehört. Diese besonders ausgewiesenen Flora-Fauna-Habitate bilden gemeinsam mit Vogelschutzgebieten die Natura-2000-Gebiete – ein angestrebter Schutzgebietsverbund auf Ebene der Europäischen Union.
Doch weshalb wird für einen Käfer ein Schutzgebiet ausgewiesen?, frage ich den Mitarbeiter der Naturschutzbehörde. „Der Eremit zählt als Schirmart für höhlenbewohnende Tiere wie Fledermäuse und weitere Käferarten. Er gilt in Deutschland als streng geschützte Art“, erklärt Marco Kertscher. Das bedeutet, dass über die normalen Zugriffsverbote – also das Entnehmen, Verletzen oder Töten einzelner Individuen – hinaus zusätzlich Störungsverbote etwa für Fortpflanzungs- und Aufzuchtszeiten gelten.
Einen hohen Schutzstatus erhält das Tier wiederum dadurch, weil seine Individuenzahlen immer weiter einbrechen. Aber weshalb genau kommt es eigentlich dazu? Marco Kertscher deutet auf das Bächlein vor uns. „Unter anderem durch zu gut gemeinte Pflegemaßnahmen an Gewässern“, sagt er. Mulmhaltige Altbäume würden beispielsweise gefällt, weil die Pflegenden zum Großteil nicht wüssten, dass sie als Lebensraum nützlich beziehungsweise essenziell seien. „So fehlen potenzielle Brutbäume und es kommt zur Verinselung der vorhandenen Exemplare. Eremiten fliegen im Imagozustand nur etwa 200 Meter, bis sie einen neuen Brutbaum gefundenhabenmüssen–wennsie denn überhaupt ausfliegen“.
Bei so kurzen Distanzen sei es in unserer Kulturlandschaft schwierig, einen geeigneten Platz zur Eiablage zu finden, erklärt Kertscher weiter. Allgemein kommen auch keine Zukunftsbäume im Umfeld nach, weil nicht frühzeitig genügend Pflege- und Kultivierungsmaßnahmen getroffen werden. Dabei sei es schlussendlich ganz einfach, etwas zum Erhalt des einsamen Käfers beizusteuern: Man muss lediglich die bereits vorhandenen Brutbäume erhalten und im Umkreis von 300 Metern neue Zukunftsbäume pflanzen. Wichtig dabei ist, dass die Altbäume von Verbuschungen freigehalten werden; der Eremit fliegt nämlich erst ab einer Außentemperatur von 25 Grad Celsius aktiv aus und benötigt dadurch besonnte Standorte.
Entlang der Blauen Flut zwischen Altkirchen und Burkersdorf steht dieses Problem nicht mehr oder nur noch teilweise im Raum, weil entsprechende Maßnahmen durch lokal ansässige Verbände und Grundstückseigentümer getroffen worden sind.
Irma Luise Henkel hat ihr Praktikum in der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises absolviert.