Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Stiller Protest
Gut Mütter mit Babys setzen in den Gera Arcaden ein Zeichen dafür, das sich niemand fürs Stillen verstecken muss
Gera. Keine lauten Durchsagen, keine Transparente, einfach nur eine halbe Stunde Gesicht zeigen: Das wollten gestern in der Mittagszeit etwa 50 junge Mütter mit ihren Babys in den Gera Arcaden. Sie wollten ein Zeichen dafür setzen, dass sich niemand für das Stillen verstecken muss, dass auch Stillen in der Öffentlichkeit nichts Verwerfliches oder gar Obszönes ist.
So brachte es Lydia Rentsch auf den Punkt. Gemeinsam mit der Geraer Stillberaterin Nicole Queck hatte sie zum Still-Flashmob in das Einkaufszentrum aufgerufen. Und war begeistert über die Resonanz. Sie habe zwar selbst bis auf ein paar kritische Blicke noch keine wirklich negativen Erfahrungen mit dem Stillen ihrer fünf Monate alten Tochter Felisia gemacht. Doch war sie auf die hitzige Debatte im Internet zu einer negativen Erfahrung in den Arcaden aufmerksam geworden und dachte, wie andere: „Da müsste man mal was machen.“
„Ich hätte nicht gedacht, dass das solche Wellen schlägt“, sagte die mit Sohn Emil zum Flashmob gekommene Anna Maria Preis. Von ihr stammte der Erfahrungsbericht bei Facebook, an dem sich die Debatte entzündete. „Ich finde es aber gut, dass das jetzt das Ergebnis ist“, sagte sie. Das Thema sei ihr sehr wichtig, erklärte sie Centermanager Rolf Wernicke, der zwar die Aktion unterstützte, sich aber von der Weidaerin gewünscht hätte, dass sie erst das Gespräch mit ihm gesucht hätte. Beide trafen sich gestern das erste Mal. Sie habe befürchtet, mit Standardfloskeln abgespeist zu werden, entgegnete Anna Maria Preis.
Wernicke freute sich dennoch über den besonderen Protest, unterstrich noch einmal, dass in den öffentlichen Bereichen des Einkaufszentrums natürlich das Stillen erlaubt sei. Für alle Geschäfte wolle er nicht sprechen, verwies aber neben dem hauseigenen Babywickelraum auch auf Rückzugsmöglichkeiten bei H&M, C&A und DM.
Natürlich zog der Still-Protest viele Blicke auf sich. Die Reaktionen waren meist wohlwollend, wenn es vereinzelt auch kritische Anmerkungen gab, etwa die einer Mutter, die die Aktion „übertrieben“fand. Brigitte Gentsch wiederum lobte die Veranstaltung. Sie habe mit anderen Frauen vor 30 Jahren eine Stillgruppe in Gera ins Leben gerufen, als Anlaufpunkt für stillende Mütter. Dasselbe, was sich heute im Nebenberuf Stillberaterin und Mitorganisatorin Nicole Queck auf die Fahnen geschrieben hat. „Was tun, wenn ich rausgehe und das Baby Hunger hat“, diese Frage höre sie sehr oft. Die Antwort gab es gestern in den Gera Arcaden.
Übrigens: Neben GrünenStadträtin Ines Wegner, die vor Ort war, solidarisierte sich gestern schriftlich auch SPD-Bundestagabgeordnete Elisabeth Kaiser mit den stillenden Müttern und verwies auf ihr Bürgerbüro in der Heinrichstraße 84, in dem die Mütter jederzeit während der Öffnungszeiten zum Stillen und Wickeln willkommen seien.