Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
UN belastet Kronprinzen
Genf.
Eine UN-Menschenrechtsexpertin sieht „glaubhafte Hinweise“auf eine persönliche Verantwortung des saudischen Kronprinzen für die Tötung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi. Zur Klärung der Schuldfrage sei allerdings eine weiterführende Untersuchung nötig, schrieb Agnès Callamard in ihrem Bericht an den UNMenschenrechtsrat. Kronprinz Mohammed bin Salman war mehrfach als Drahtzieher der Bluttat verdächtigt worden. (dpa)
Berlin.
Es gibt Menschen, die sich über den Tod von Walter Lübcke freuen. Man findet sie zum Beispiel auf Youtube. Ein Video, hochgeladen 2016, zeigt die Szene auf einer Infoveranstaltung im Jahr zuvor, bei der der ermordete Kasseler Regierungspräsident den Zorn von rechts außen auf sich gezogen hatte. Da hatte Lübcke erklärt, dass man in Deutschland für Werte eintreten müsse, und wer diese nicht vertrete, könne ja das Land verlassen. In den vergangenen Tagen wurde das Video mehrmals kommentiert: „gut das das Schwein tod ist hat er verdient“, schreibt ein Nutzer, „Ab und zu trifft es mal die richtigen“ein anderer, offenbar mit seinem bürgerlichen Namen (Rechtschreibung in beiden Fällen original). Von Mitleid, von Empörung oder Entsetzen über einen mutmaßlich rechtsextrem motivierten Mord an einem Politiker – keine Spur.
Walter Lübcke war wegen dieser Äußerung schon vor seinem Tod immer wieder im Netz mit Hass überzogen worden, auch Todesdrohungen gab es. Zuletzt hatte Erika Steinbach, Ex-CDUAbgeordnete und heute Leiterin der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, im Februar 2019 auf Twitter einen Blogpost verbreitet, der den Moment erneut aufgriff, und so eine neue Welle des Hasses losgetreten. Steinbach hat auf Twitter rund 85.000 Follower.
Der mutmaßlich rechtsextreme Mord an Lübcke vier Monate nach Steinbachs Post hat eine Debatte ausgelöst über die Frage, welche Rolle der vor allem im Netz verrohte Stil der Auseinandersetzung spielt – und wie man damit umgehen soll. Grundordnung zu beseitigen“, mit mehr aufwarten als nur mit dem Strafrecht.
Tauber plädiert deshalb dafür, gegen Extremisten Artikel 18 des Grundgesetzes anzuwenden. Der ermöglicht es, Grundrechte wie Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit bei Missbrauch zu entziehen. Es gehe ihm nicht um eine „Entbürgerlichung“, sondern um eine „Entpolitisierung“von Verfassungsfeinden, schreibt Tauber. Die Hürde für die Anwendung des Artikels ist allerdings hoch: „Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen“, heißt es im Gesetz.
Tauber ist nicht der Einzige, der der AfD eine Mitverantwortung am politischen Klima gibt. Es führe „eine direkte Linie von der grenzenlosen Hetze von Höcke und Co. zu Gewalt und jetzt auch zu Mord“, hatte der CDUBundestagsabgeordnete Michael Brand schon am Dienstag gesagt. „Wer das nicht sieht, der ist blind.“Die AfD wies die Vorwürfe zurück. Dass Peter Tauber seine Partei mitverantwortlich mache für den Mord an Lübcke, sei „genauso abstoßend und niederträchtig wie falsch“, sagte Parteichef Jörg Meuthen.
Ein Gesetz, dass dem Hass zumindest im Netz Einhalt gebieten soll, gibt es schon: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, war ein Projekt von Heiko Maas (SPD) in seiner Zeit als Justizminister – gegen ausufernden Hass und Hetze. In der Verantwortung stehen, seit das Gesetz 2018 in Kraft trat, die Plattformen: Facebook, Twitter und andere sind seitdem verpflichtet, „offensichtlich rechtswidrige“Inhalte, die von Nutzern gemeldet wurden, innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Außerdem gibt es Berichtspflichten und die Möglichkeit, die Netzwerke zu sanktionieren.
Der Effekt hält sich bislang allerdings in Grenzen. Zwischen Juli und Dezember 2018 gab es bei Twitter laut Bericht des Netzwerks 256.462 Beschwerden, in nur neun Prozent (23.165) der Fälle wurden Einträge gelöscht. Bei Youtube wurden knapp 251.000 Inhalte gemeldet, entfernt oder blockiert wurden mehr als ein Fünftel davon (54.644). Der größte Teil davon bezog sich auf Hassrede und politischen Extremismus. Deutlich niedriger waren die Zahlen bei Facebook: Die Plattform verzeichnete im selben Zeitraum nur 1048 Meldungen, 35 Prozent der beanstandeten Beiträge wurden gelöscht.
„Hass ist das Bindeglied der Extremisten. Aus Worten werden Taten“, sagte Gerd Billen, Staatssekretär im Justizministerium, unserer Redaktion. Soziale Netzwerke müssten deshalb konsequent und umfassend gegen Hassrede vorgehen. Das NetzDG soll im Laufe des Jahres weiterentwickelt werden, erklärte Billen. Dabei sollen Erkenntnisse aus einem Dialogprozess mit der Zivilgesellschaft, Behörden und Netzwerken einfließen. „Wir müssen uns mehr um die kümmern, die täglich Zielscheibe von Angriffen im Netz und im persönlichen Alltag werden.“Bürgermeister, Journalisten, Blogger, Pfarrer bräuchten mehr Unterstützung.
Der entgrenzte Hass im Netz ist kein allein deutsches Problem. UN-Generalsekretär António Guterres stellte am Mittwoch in New York einen Aktionsplan der Vereinten Nationen zum Thema Hassrede vor. Der Plan sieht vor, zunächst Verbreiter von Hassreden zu identifizieren und diejenigen, die am besten dagegen vorgehen können. Spezielle Bildungs- und Aufklärungsinitiativen sollen präventiv wirken. Die UN wollen zudem Menschen und Gruppen mit gegensätzlichen Ansichten zum Austausch zusammenbringen, sowohl bei echten Treffen als auch digital im Internet.
„Mit neuen Kanälen erreichen Hassreden ein größeres Publikum als je zuvor und das in Lichtgeschwindigkeit“, sagte Guterres. „Deswegen müssen wir alle – die UN, Regierungen, Technologieunternehmen und Bildungseinrichtungen – uns noch mehr dagegen einsetzen.“Dazu wollen die UN auch mit traditionellen Medien sowie mit sozialen Netzwerken zusammenarbeiten. Es gehe nicht darum, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu beschränken, betonte Guterres.
Ausgearbeitet hat den Plan Adama Dieng, UN-Sonderbeauftragter zur Verhinderung von Völkermorden. „Völkermord ist ein Prozess“, sagte Dieng. „Der Holocaust begann nicht mit den Gaskammern, er begann mit Hassrede.“ „Das Protokoll zur Vernehmung der Sachbearbeiterin hat die Linke inzwischen einsehen können“, teilte Schaus mit. „Vor diesem Hintergrund haben wir heute die Veröffentlichung des Protokolls beantragt.“Darüber hinaus wolle die Linke in alle weiteren geheimen Protokolle erneut Einsicht nehmen.
Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) wurde Anfang Juni mit einer Schusswunde am Kopf auf der Terrasse seines Wohnhauses in der Nähe von Kassel gefunden. Kurz darauf starb er im Krankenhaus. Am 15. Juni wurde Stephan E. festgenommen. Nach Hinweisen auf einen rechtsextremen Hintergrund übernahm der Generalbundesanwalt die Ermittlungen wegen Mordverdacht.
CDU-Politiker sehen die AfD in der Verantwortung