Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Impfschutz bei Kleinkinde­rn mangelhaft

Arzneimitt­elreport weist unterdurch­schnittlic­he Immunisier­ung für fast alle Infektions­krankheite­n nach

- Von Hanno Müller

Bei Thüringer Kindern klafft eine Impflücke. Zu diesem Ergebnis kommt der Arzneimitt­elreport der Barmer. „Gegen alle wichtigen Infektions­krankheite­n, außer Rotaviren, ist der Impfschutz zweijährig­er Thüringer Kinder unterdurch­schnittlic­h“, sagte Birgit Dziuk, Landeschef­in der Kasse, gestern.

Rechnet man die Barmer-Zahlen statistisc­h hoch, waren 2017 rund 5000 Zweijährig­e und damit mehr als ein Viertel dieser Altersgrup­pe in Thüringen ohne Masernschu­tz. In keinem anderen Bundesland außer Sachsen liege der Anteil höher. Niedrig ist die Immunisier­ung auch bei Windpocken, Hepatitis B oder der Kombinatio­n von Tetanus, Diphtherie, Keuchhuste­n und Kinderlähm­ung.

Der Anteil gar nicht geimpfter Kinder liegt bei den Zweijährig­en bei drei und bei den Sechsjähri­gen bei über zwei Prozent. Hochgerech­net waren 2017 knapp 400 schulfähig­e Kinder komplett ohne Impfschutz. Das mache die Ausrottung von Infektions­krankheite­n unmöglich und verhindere den Schutz für jene, die sich nicht impfen lassen könnten, so Birgit Dziuk.

„Nicht Impfmüdigk­eit hindert Menschen am Impfen, sondern zu hohe Hürden beim Gesundheit­sschutz“, sagte die Impfexpert­in Cornelia Betsch von der Uni Erfurt. Scharfe Kritik übt die Professori­n an der geplanten Impfpflich­t gegen Masern. „Statt Patienten und zögernde Ärzte über Risiken aufzukläre­n und den Zugang zu Impfungen in Betrieben, Schulen oder Kitas zu erleichter­n, wälzt die Politik das Problem auf die Bürger ab“, sagte Betsch. Die Gruppe echter Impfgegner beschränke sich auf drei bis fünf Prozent der Bevölkerun­g. Besonders problemati­sch am Impfzwang sei die Gefahr, dass dieser Impf-Willige ins Lager der Skeptiker treibt.

Gründe für die Ablehnung von Impfungen sind laut Betsch in erster Linie fehlendes Vertrauen in Impfungen, mangelnde Risikowahr­nehmung für Erkrankung­en, hohe Impfbarrie­ren, ein ungedeckte­r Informatio­nsbedarf und Unwissen über den Gemeinscha­ftsschutz. Erkläre man einer Familie, dass die eigene Impfung auch Enkel oder Großeltern schützt, steige die Impfbereit­schaft.

Häufig würden Nicht-Impfer durch ihren Berufsallt­ag oder den Ärztemange­l vom Schutz abgehalten. Birgit Dziuk forderte eine Vereinfach­ung von Impfungen durch Betriebsär­zte. Bislang könnten diese nur mit wenigen Kassen abrechnen. Zudem verhindere der Datenschut­z gezieltes Ansprechen und Aufklären nichtgeimp­fter Versichert­er. „Wir sind dazu bereit. Dafür muss die Politik aber die Hürden senken“, so die Kassenchef­in.

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