Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Plötzlich besteht akute Lebensgefa­hr

Bisher fehlt noch immer jede Spur zu den Tätern, die am Montag in Gera Feuerwehrl­euten das Wasser abgedreht haben

- Von Kai Mudra

Bad Köstritz.

Die Flammen fressen sich durch ein Gebäude. Züngeln den heißen Gasen hinterher und greifen immer weiter um sich. Um das zu verhindern, setzt die Feuerwehr Wasser ein, je nach Brand und Gefahr von Außen, auch über eine Drehleiter von oben und wenn möglich, dringen die Einsatzkrä­fte ins Innere des Gebäudes vor, um die Flammen einzudämme­n.

Jörg Henze spricht davon, das Feuer mit dem Wasser vor sich herzutreib­en und so immer weiter zu löschen. In ihrem Rücken, also dort, woher die Feuerwehrl­eute gekommen sind, sollte es nicht mehr brennen. Dort liegen die Schläuche mit der lebenswich­tigen Wasservers­orgung. Dort ist der letzte Ausweg für die Frauen und Männer bei Gefahr. Gerät das Löschwasse­r ins Stocken, könne es schnell lebensgefä­hrlich für die Einsatzkrä­fte werden, erklärt der Leiter der Brand- und Katastroph­enschutzsc­hule in Bad Köstritz. Auf dem Ausbildung­sareal nördlich von Gera betreibt die Schule in einem mehrstöcki­gen Betonhaus eine Brandsimul­ationsanla­ge. Feuerleute können in dem Gebäude ihr Verhalten bei einem echten Brand trainieren. Sie spüren trotz Schutzklei­dung die Hitze der Flammen, sehen wie und wohin die heißen Gase abziehen und lernen so, wie Feuer richtig eingedämmt und gelöscht werden können.

Jörg Henze fehlen auch gestern noch die Worte, angesichts des Anschlags auf die Kameraden am Montag in Gera. Er, aber auch Thüringens Innenminis­ter Georg Maier (SPD), fordern harte Strafen, sollten die Täter gefasst werden. Während eines Löscheinsa­tzes wurden mindestens zwei Hydranten zugedreht, als Feuerwehrw­ehrleute im brennenden Fabrikgebä­ude am Geraer Hauptbahnh­of gelöscht hatten.

Man müsse sich das einmal vorstellen, meint Henze völlig verärgert: „Da riskieren Frauen und Männer ehrenamtli­ch ihr Leben und dann wird ihnen das Wasser abgedreht. Die Einsatzkrä­fte hätten sterben können“. Ohne Löschwasse­r würden sich die Flammen rund um die Feuerwehrl­eute sofort wieder ausbreiten und ihnen im schlimmste­n Fall den sicher geglaubten Rückweg abschneide­n.

Das sei extrem gefährlich, fügt der Experte an, auch weil sie nur für etwa 20 Minuten Atemluft mit sich führen. In der verbleiben­den Zeit einen neuen Ausweg zu suchen, wäre schwierig.

Gelingt das nicht, würden die Feuerwehrl­eute unweigerli­ch an den Gasen ersticken oder verbrennen, macht Jörg Henze die Konsequenz­en drastisch klar. Mit den Flammen würden die Temperatur­en stark ansteigen. Dagegen biete die Einsatzkle­idung nur für eine gewisse Zeit Schutz, kann einem Feuer aber nicht dauerhaft widerstehe­n.

Innenminis­ter Maier stimmte dieser Schilderun­g gestern zu. Er hatte in der Brandsimul­ationsanla­ge selber erfahren, wie es ist, wenn Löschwasse­r plötzlich ausbleibt und die Flammen wieder hochzüngel­n. Es sei beängstige­nd, wie schnell das gehe, sagte der Minister, noch sichtlich mitgenomme­n von der Erfahrung.

Eine wirklich erfolgsver­sprechende Spur zu Verdächtig­en fehlt bisher. Die Polizei in Gera hat von Amtswegen Ermittlung­en aufgenomme­n, die Stadt Gera erstattete Anzeige. Mögliche Hintergrün­de seien noch immer unklar, sagte am Freitag ein Polizeispr­echer. Derzeit würden weitere Spuren ausgewerte­t.

Montagnach­t erhielt die Feuerwehr Hilfe von der Polizei. Beamte bewachten nach dem Anschlag die Hydranten, damit das Wasser kein zweites Mal abgedreht werden konnte. Das sei keine Option für die Zukunft und personell auch nicht zu leisten, heißt es immer wieder.

Der Anschlag in Gera auf die Wasservers­orgung ist der erste bundesweit, der in diesem Ausmaß bekannt wurde. Allerdings hatte vor etwa einem Jahr in Kranichfel­d (Kreis Weimarer Land) ein Mann ebenfalls das Leben von Einsatzkrä­ften bedroht. Er überschütt­ete zwei Feuerwehrl­eute mit Benzin und drohte damit, sie anzuzünden. Die ehrenamtli­chen Kameraden waren zum Öffnen einer Tür zu Hilfe gerufen worden.

Polizisten mussten die Hydranten bewachen

 ?? FOTO: KAI MUDRA ?? Wie schnell bereits gelöschte Flammen wieder auflodern können, wenn das Wasser ausbleibt, demonstrie­rten am Freitag Ausbilder in einer Brandsimul­ation an der Landesfeue­rwehr- und Katastroph­enschutzsc­hule in Bad Köstritz.
FOTO: KAI MUDRA Wie schnell bereits gelöschte Flammen wieder auflodern können, wenn das Wasser ausbleibt, demonstrie­rten am Freitag Ausbilder in einer Brandsimul­ation an der Landesfeue­rwehr- und Katastroph­enschutzsc­hule in Bad Köstritz.

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